19. April 2024

Transport in Zeiten der Krise – Gegenwart und Zukunft der kubanischen Eisenbahn

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Chinesische Diesellokomotive in Kuba (Quelle: Granma)

Im Jahr 1837 nahm in Kuba auf Geheiß des spanischen Königs die erste Eisenbahnstrecke Lateinamerikas ihren Dienst auf – zu einer Zeit, als selbst das spanische Mutterland noch nicht über dieses Transportmittel verfügte. Von dieser Zeit an wurde das kubanische Schienennetz zum größten der Karibikregion ausgebaut, seit der Sonderperiode in den 1990er Jahren ist der Zugverkehr jedoch von prekärer Unterfinanzierung und zahlreichen Engpässen geprägt. Hat sich die kubanische Eisenbahn wieder von den Folgen der Krise erholt? Was sind die Herausforderungen und Perspektiven des Schienenverkehrs im heutigen Kuba?

Von der Sonderperiode gezeichnet

Im Jahr 1990 verfügte Kuba über 12.289 Kilometer Schienennetz, davon waren 142 Kilometer elektrifiziert. Knapp 400 Lokomotiven und über 10.000 Waggons beförderten jährlich etwa 25 Millionen Passagiere und 15 Millionen Tonnen Fracht, Züge waren eines der wichtigsten Transportmittel der Insel. Ab den 1990er Jahren durchlebte die Eisenbahn in Folge der Sonderperiode einen schleichenden Niedergang der zum Verlust zahlreicher Zugverbindungen geführt hat. Nach zwei Hurrikanen und den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise war 2009 für die kubanische Eisenbahn der vorläufige Tiefpunkt erreicht: Die Passagierzahlen sanken auf unter 8 Millionen, es wurden nur knapp 10 Millionen Tonnen Fracht transportiert (Grafik 1).

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Streckennetz Kubas (Quelle: Commons)

Interessant ist, dass sich die Passagierzahlen in den ersten Jahren der Sonderperiode deutlich erhöht haben. Wahrscheinlich konnten die aufgrund der Rezession freigewordenen Kapazitäten im Frachtverkehr kurzfristig für den Personentransport umgenutzt werden. Schließlich stellte die Schiene in Zeiten der Inflation und gestiegener Benzinpreise eine günstige Alternative dar. Mitte der 1990er Jahre begann dieser Effekt jedoch abzuklingen, ein langsamer Niedergang setzte ein. Von den einst gut 400 Lokomotiven blieben bis zum Jahr 2005 noch 202 übrig.

Bis heute läuft der kubanische Zugverkehr auf Sparflamme. Das Rollmaterial ist stark veraltet und wird notdürftig in Stand gehalten, einige Waggons und Lokomotiven stammen noch aus den Zeiten vor der Revolution. Vom einstigen Streckennetz sind heute noch gut 8.300 Kilometer in Betrieb. 2014 verfügte das Land über 217 Lokomotiven – davon waren allerdings nur 104 funktionstüchtig. Insbesondere die Personenbeförderung hat darunter zu leiden.

Zwar sind Zugfahrten im sozialistischen Kuba überaus preiswert, jedoch ist es mitunter schwer an den überforderten Schaltern an ein Ticket zu gelangen. Verspätungen von mehreren Stunden oder Totalausfälle sind keine Seltenheit. Die hygienischen Verhältnisse in den Waggons tun ihr übriges, um die staatliche Eisenbahngesellschaft „Ferrocarriles de Cuba“ zu einer Notlösung in den Augen vieler Fahrgäste werden zu lassen. Auch die Anschaffung neuer Diesellokomotiven aus China und gebraucher mexikanischer Waggons Anfang der 2000er Jahre vermochte an diesem Zustand nur wenig zu ändern.

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Grafik 1: Schienenverkehr in Kuba, Transportleistung 1985 bis 2013 (Quelle: ONE)

Wiederherstellung in mehreren Etappen

Trotz aller Probleme hat Kubas Regierung die Eisenbahn nicht aufgegeben, das Land verfügt bis heute über das größte Schienennetz der Karibik. Seit 2006 wird ein langfristiges Programm zur Wiederbelebung der Zugverkehrs umgesetzt, das bereits Früchte zu tragen beginnt. In einer ersten Phase, die inzwischen abgeschlossen ist, wurden die verschlissenen Bahngleise aufbereitet und gewartet. Danach sollen die Frachtlokomotiven und Waggons sowie die zugehörigen Werkstätten repariert werden um am Ende den Passagierverkehr wiederherzustellen.

Bisher fehlt es allerdings noch immer an den finanziellen Mitteln, um große Durchbrüche zu erzielen. Zwar konnte der Frachtverkehr wieder auf den Stand vor der Sonderperiode hochgefahren werden, der Mangel an zuverlässigem Rollmaterial bildet allerdings das größte Hindernis, um den Passagierverkehr wiederzubeleben. Als erster Schritt in diese Richtung zählt in diesem Jahr die Fertigung kleinerer Züge russischer Bauart, um die durch die Sonderperiode aufgegebenen Kurzstrecken in den ländlichen Regionen wieder bedienen zu können.

In den kommenden Jahren sollen 300 solcher Schienenbusse vom Typ DMUS SV-10 auf Strecken von bis zu 50 Kilometern Länge unterwegs sein. Die ersten Modelle wurden bereits ausgeliefert, alle weiteren sollen in Kuba selbst gefertigt werden. Zwischen den Provinzen verkehren heute fünf nationale Linien: Havanna – Bayamo / Manzanillo,  Havanna – Santiago de Cuba (alle drei Tage), Havanna – Guantánamo, Santiago de Cuba – Santa Clara und Havanna – Sancti Spíritus. Sie werden vor allem von chinesischen Diesellokomotiven vom Typ DF7G-C bedient.

Ronald Bofill Peña, Direktor für Schienenverkehr beim kubanischen Transportministerium, erklärte gegenüber der Granma: „Bei einer Untersuchtung über die Pünktlichkeit im vergangenen Jahr wurde festgestellt, dass 74,8 Prozent der nationalen Zuglinien rechtzeitig abfuhren, aber nur 43,6 Prozent pünktlich ankamen. Das zeigt die schlechte Servicequalität, die vom Alter der 61 eingesetzten Lokomotiven beeinträchtigt wird, von denen viele über 40 Jahre im Einsatz sind und bereits gebraucht in Kuba ankamen.“

Kleine Erfolge

Auch bei den Bahnhöfen sieht die Situation nicht besser aus. In vielen Einrichtungen sind seit Jahren keine Reparaturen mehr durchgeführt worden. Oftmals sind die sanitären Anlagen defekt, die Dächer undicht und das Mobiliar verschlissen. Bei den wichtigsten Stationen soll sich an diesem Zustand nun etwas ändern: Die Bahnhöfe von Havanna, Santa Clara, Camagüey und Santiago de Cuba werden derzeit mit Investitionen in Millionenhöhe saniert. Im Fall von Havanna kostet das Projekt ca. 15 Mio. US$, die Bauarbeiten sollen bis 2018 abgeschlossen sein.

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Schienenbusse sollen die Transportsituation in ländlichen Gegenden verbessern (Quelle: Juventud Rebelde)

Fortschritte gibt es auch bei der Wiederherstellung der Gleise. So ist bisher die zentrale Bahnstrecke von Havanna bis in den Oriente vollständig aufbereitet worden, was zu einer Reduzierung der Stellen mit niedriger Geschwindigkeit von über 100 auf unter zehn geführt hat. Die mögliche Maximalgeschwindigkeit auf dieser Strecke beträgt nun wieder 100 km/h für Passagierzüge bzw. 80 km/h für den Güterverkehr. Seit 2006 wurden über 767 neue Waggons und Lokomotiven für den Frachttransport angeschafft, die Anzahl der transportierten Güter konnte um 29 Prozent auf 16,3 Millionen Tonnen gesteigert werden. In den kommenden fünf Jahren soll sich der Güterverkehr auf der Schiene verdoppeln.

Zu den kleinen Erfolgen bei der Wiederherstellung der Eisenbahn zählt auch die neu errichtete Strecke von Havanna nach Mariel, mit der Kubas neuer Containerport vergangenen Sommer an das Schienennetz angeschlossen wurde. Es ist die erste Zugstrecke, die seit der Sonderperiode in Kuba errichtet wurde. In Zukunft sollen die stillgelegten Bahnlinien für den Zuckerrohrtransport wiederbelebt werden, was auch dem Personentransport auf dem Lande zu Gute kommen soll.

Fazit

Kuba hat seine Eisenbahn erfolgreich durch die Sonderperiode hindurch gerettet. Trotz des Verlusts zahlreicher Verbindungen konnte der Kern des Streckennetzes erhalten werden. Der Frachtverkehr auf der Schiene ist für das Land weiterhin eine günstige und unverzichtbare Alternative zum LKW-Transport. Die mittelfristigen Pläne für den kubanischen Schienenverkehr klingen dennoch eher bescheiden. Servicequalität und Zuverlässigkeit der bestehenden Linien sollen weiter gesteigert werden, große Sprünge sind aber ohne die Anschaffung neuer Lokomotiven nicht zu erwarten. Hierzu fehlen derzeit einfach die Mittel.

Lediglich die russischen Schienenbusse bieten für ländliche Regionen und stillgelegte Verbindungen innerhalb der Provinzen einen kleinen Hoffnungsschimmer, während einige zusätzliche Passagierwaggons in den kommenden Jahren den Komfort auf den nationalen Linien erhöhen sollen. Für die Beförderung von Personen, insbesondere auf langen Strecken, ist vorerst jedoch noch keine umfassende Lösung in Sicht, die der bis heute andauernden Untervorsorgung auf Kubas Gleisen ein Ende bereiten könnte.

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