28. März 2024

Kuba und der Rio+20 Gipfel

Am Samstag kam Raúl vom UNO Gipfel für Nachhaltige Entwicklung aus Rio de Janeiro zurück. Bei dieser Konferenz ging es um die Bekämpfung der Armut und die Zukunft des Wirtschaftens angesichts immer knapper werdender Ressourcen. Auch wurde dort über eine Art „Green Economy“, also die Möglichkeit auf kapitalistische Weise nachhaltig zu wirtschaften diskutiert. Angela Merkel übrigens blieb der Konferenz fern und schaute auf der Ehrentribüne gerade das Vierteilfinalspiel  Deutschland gegen Griechenland. Raúl bezog in Rio sehr klar Stellung und verwies auf das Zitat, welches Fidel Castro bereits beim ersten Umweltgipfel 1992 prägte:
„Eine wichtige biologische Art läuft Gefahr, durch die schnelle und fortschreitende Liquidation ihrer natürlichen Lebensbedingungen zu verschwinden: der Mensch“.

Interessant sind auch die Umweltfolgen, die für Kuba prognostiziert werden, Raúl sagt in seiner Rede:

Eine tiefgründige und detaillierte Studie, die unsere wissenschaftlichen Einrichtungen in den letzten fünf Jahren durchgeführt haben, stimmt im Wesentlichen mit den Berichten des Zwischenstaatlichen Panels über den Klimawandel überein und bestätigt, dass im gegenwärtigen Jahrhundert, wenn die aktuellen Tendenzen bestehen bleiben, ein allmähliches und bedeutendes Ansteigen des mittleren Meeresspiegels im kubanischen Archipel vor sich gehen wird. Besagte Voraussicht schließt das Ansteigen des Salzgehaltes des Grundwassers ein. All das wird ernste Folgen haben, besonders an unseren Küsten, weshalb wir mit der Ergreifung entsprechender Maßnahmen begonnen haben.

Tatsächlich ist der Meeresspiegel an der Ostküste Kubas zwischen 1969 und 2009 um 8,56 cm gestiegen. Die Erforschung dieses Phänomens durch die kubanische Umweltagentur war bereits 2010 bekannt. Damals ging man noch von einem Anstieg des Meeresspiegels in den nächsten 50 Jahren um 27cm aus, ein Jahr später waren bereits bis 2050 schon 31cm prognostiziert. Wenn von der Ergreifung entsprechender Maßnahmen die bereits begonnen haben die Rede ist, sind wahrscheinlich die Mangrovenbepflanzungen am Küstenbereich gemeint, von denen die kubanischen Experten sprechen. Diese Vegetationsbarriere soll das Land auf natürliche Weise vor Erosion schützen.

Die Schlußfolgerungen Raúls sind sehr richtig:

Lassen wir die Rechtfertigungen und den Egoismus beiseite und suchen wir nach Lösungen. Diesmal werden wir alle, absolut alle, die Konsequenzen des Klimawandels tragen. Die Regierungen der Industrieländer, die auf diese Weise vorgehen, sollten nicht den schweren Fehler begehen, zu glauben, dass sie auf unsere Kosten noch ein wenig länger überleben können. Die Wellen von Millionen hungriger und verzweifelter Menschen aus dem Süden in den Norden und die Auflehnung der Völker angesichts einer solchen Gleichgültigkeit und Ungerechtigkeit wären unaufhaltbar. Dann wäre keinerlei Hegemonie möglich. Schluss mit Beraubung, Schluss mit Krieg, lasst uns auf dem Weg der Entwaffnung fortschreiten und die Atomwaffenarsenale vernichten.

Wir benötigen dringend einen transzendentalen Wandel. Die einzige Alternative ist, gerechtere Gesellschaften zu errichten, eine gerechtere internationale Ordnung aufzustellen, die auf dem Respekt der Rechte aller beruht; die nachhaltige Entwicklung der Länder, besonders der des Südens, abzusichern, und die Errungenschaften der Wissenschaft und der Technologie in den Dienst der Rettung des Planeten und der Menschenwürde zu stellen.

Die aktuelle Position Kubas zur „Green Economy“ wurde neulich auch von María Cris­tina Muñoz Pérez, einer Mitarbeiterin der Forschungsabteilung des CITMA nocheinmals geäußert:

Die Indus­trie­na­tionen und Groß­kon­zerne wollen die Idee einer »Green Eco­nomy« ein­bringen. Was denkt Kuba darüber?

Es kann weder Nach­hal­tig­keit noch eine »grüné Ökonomie« allein auf wirt­schaft­li­cher Grund­lage geben. Wichtig sind die drei Säulen, die ich ange­spro­chen habe. Für eine »grüné Ökonomie« reicht es nicht aus, ein­fach nur die Wirt­schafts­pro­duk­tion zu ent­wi­ckeln. Es muß Regu­lie­rungen geben, der Konsum muß nach­haltig sein. Für den Schutz der Zukunft muß Geld aus­ge­geben werden. Die Zer­stö­rung der Welt durch das nicht­nach­hal­tige Wirt­schaften hat zu dem herr­schenden Ungleich­ge­wicht geführt. Der Mensch hat genü­gend wis­sen­schaft­liche Fähig­keiten und Mög­lich­keiten, um diese Situa­tion umzu­kehren. Wir müssen uns nicht mit dem Ver­schwinden der Mensch­heit abfinden, aber wenn wir keine sozial logi­sche Lösung ergreifen, wird unsere Gat­tung abtreten.

Hierzu spricht sie im Verlauf des Interview auch von Kubas beitrag zur Nachhaltigkeit, beispielsweise durch die Nutzung erneuerbarer Energien mit der Gewinnung von Elektrizität aus Biomasse (Bagasse, also das Restprodukt bei der Zuckerproduktion). Entsprechend will Kuba auch bis 2020 bereits 16,5% der nationalen Energieproduktion aus erneuerbaren Energien gewinnen. Bis 2013 soll die Energiegewinnung aus Bagasse  um 10% gesteigert werden. Dazu weiß man auch den Marabú zu nutzen, ein invasives Mimosengewächs das sich parasitär verbreitet und damit ganze Ackerflächen besetzen kann. Bei den Bauern gilt er daher als Plage, inzwischen gewinnt man daraus Energie.

Kuba war als ein Land anwesend, das den Klimawandel im eigenen Land stark zu spüren bekommen wird, nicht nur was den Anstieg des Meeresspiegels angeht, sondern auch was die Kosten durch die gehäuften Naturkatastrophen betrifft. Bis 2030 soll die Hurricanebekämpfung die karibischen Länder sogar 9% ihres Jährlichen BIP kosten, sagt eine Studie. Dennoch zählt Kuba nicht zu den Verursachern des Klimawandels, die Emmissionen sind gering und Kuba hat bereits sämtliche unterzeichneten Umweltprotokolle mehr als übererfüllt. Tatsächlich ist es laut dem Living Planet Report 2006 sogar das einzige nachhaltige Land der Erde.

Durch die Sonderperiode in den 1990er Jahren war Kuba gezwungen quasi über Nacht von einer exportorientierten monokulturellen auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Die Gelder für die Ersatzteile, welche für Unterhalt und Wartung der teuren Maschinen notwendig waren, konnten schlicht nicht mehr zusammengebracht werden. Doch Kuba hat von der Umstellung profitiert und trotz der schwierigen Lage in den letzten Jahren nimmt die Landwirtschaft seit 2011 mit einem kräftigen Wachstum wieder fahrt auf.

Es ist natürlich immer fraglich, was bei solchen Gipfeln wie dem in Brasilien konkret herauskommt, allerdings ist es für Kuba beinahe eine außenpolitische Tradition an zahlreichen UN-Konferenzen teilzunehmen und die Interessen der Entwicklungsländer zu vertreten. Auch außenpolitisch hat es nicht geschadet, so traf sich Raúl mit der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff sowie mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew und dem ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa.

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