28. März 2024

Die Parlamentswahlen in Kuba 2013: Einige Überraschungen.

Fidel Castro bei der Stimmgabgabe am 3. Februar 2013 in Havanna.
Fidel Castro bei der Stimmgabgabe am 3. Februar 2013 in Havanna.

Am Sonntag haben in Kuba die Wahlen zur Nationalversammlung (Asamblea Nacional del Poder Popular) und zu den 15 Provinzparlamenten (Asambleas Provinciales) stattgefunden. Zunächst einmal die Fakten zum Hergang der Wahl: Mehr als 8,6 Millionen Kubaner waren wahlberechtigt, die Wahllokale waren von sieben bis 18 Uhr geöffnet. Zur Wahl standen 612 Kandidaten für das nationale Parlament und 1.269 Kandidaten für die Provinzparlamente. Die Wähler konnten in den knapp 30.000 dafür eingerichteten Wahlbüros in geheimer, direkter und gleicher Wahl für einen, mehrere oder keinen der Kandidaten stimmen. Die Stimmabgabe erfolgte dabei auf zwei Wahlzetteln: Grün für das nationale Parlament und weiß für das jeweilige Provinzparlament. 50 Prozent der Kandidaten für das nationale Parlament werden dabei von den letztes Jahr gewählten Vertretern der Stadtparlamente nominiert.

Im Vorfeld der Wahl wurden die Kandidaten durch Massenorganisationen wie den Gewerkschaften, dem Frauenverband, sowie Bauern- und Studentenorganisationen für die Listen vorgeschlagen und mussten in den jeweiligen Bezirken ihrer Wählerschaft Rede und Antwort stehen. Die Kandidaten selbst dürfen dabei keinen Wahlkampf betreiben, sondern lediglich ihren Lebenslauf öffentlich aushängen.

Von der neuen Nationalversammlung sind 48,36 Prozent weiblich sowie 37 Prozent Afrokubaner und Mestizen. Das Durchschnittsalter beträgt 48 Jahre. Der Frauenanteil der Provinzparlamente beträgt 50,5 Prozent, das Durchschnittsalter dort liegt bei 45 Jahren. Dieses Jahr konnten auch über 26.000 junge Kubaner zum ersten Mal ihre Stimme abgegeben. Wahlberechtigt ist in Kuba jeder, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, mit Ausnahme der Insassen von Strafvollzugsanstalten und geistig Behinderten. Das passive Wahlrecht genießt jeder Kubaner ab dem 18. Lebensjahr. Insgesamt nahmen 7,87 Millionen Kubaner an den Wahlen teil.

Die gestrige Wahl war der Abschluss des im Juli vergangenen Jahres mit den Wahlen zu den Stadtparlamenten begonnenen Wahlprozesses in Kuba. Die nächsten Wahlen zum nationalen Parlament finden voraussichtlich 2018 statt.

Zunächst einmal scheint am Ablauf der Wahl, wie auch bei der vergangenen 2008, nichts ungewöhnliches festzustellen. Letzten Endes hielt die Wahl dann doch einige Überraschungen und interessante Entwicklungen bereit:

1. Fidel Castros spontaner Auftritt

Nicht nur, dass Fidel Castro wieder zum Parlament kandidiert, sondern auch noch persönlich zur Stimmabgabe kommt und damit zum ersten mal seit Monaten wieder in öffentliche Erscheinung tritt, hat in der Presse für manche Aufregung gesorgt. Tatsächlich gelangte er gegen 17 Uhr, eine Stunde vor Ende der Wahl, in seinem angestammten Wahllokal im Stadtteil „Plaza de la Revolucion“ an. Dort unterhielt er sich mit den anwesenden Reportern über eine Stunde lang über allerhand Dinge, wie z.B. die Gefahren eines Atomkriegs und mit welchen Aktivitäten er seine Freizeit verbringt. Bemerkenswert ist dabei, dass Fidel sich in diesem Rahmen erstmals öffentlich und direkt zu den aktuell laufenden Reformen äußerte. Zwar zeugte seine Präsenz auf dem VI. Parteitag 2011 schon von stiller Zustimmung, allerdings sind mir keine direkten Kommentare zu den „Leitlinien“ und ihrer Umsetzung bekannt. Bis gestern, als er auf die Frage eines Journalisten über die aktuellen Veränderungen antwortete:

„Die größte Veränderung von allen ist die Revolution selbst. Aber natürlich, nichts ist perfekt, viele Dinge die wir heute wissen haben wir damals nicht gewusst und es ist notwendig mit der Perfektionierung des Landes fortzufahren, es ist eine Pflicht das sozialistische Modell Kubas zu aktualisieren, allerdings ohne Fehler zu begehen.“

[…]

„Dies ist ein tapferes Volk. Fünfzig Jahre Blockade konnten uns nicht besiegen. […] ohne das Volk sind wir nichts, ohne das Volk gibt es keine Revolution.“

(Juventud Rebelde).

Außerdem interessiert er sich für die Entwicklung der kubanischen Landwirtschaft und verbringt einen Teil seiner Zeit damit, sich mit Arbeitern in diesem Bereich zu treffen. Darauf weisen auch sein letzter semi-öffentlicher Auftritt im Oktober und eine seiner bisher letzten Reflexionen hin.

Damit dürfte wohl die Frage, ob es „Raúlistas“ und „Fidelistas“ in den Reihen der PCC gibt, endgültig geklärt sein. Fidel Castro hat sich gestern unmissverständlich zum Kurs des VI. Parteitags bekannt (was sich auch in der Verwendung der offiziellen Redewendung „actualizar el modelo socialista cubano“ zeigt) – und somit einer Spaltung der Partei vorgebeugt, indem er das Einverständnis mit der Politik seines Bruders und damit die Geschlossenheit ihrer beiden einflussreichsten Persönlichkeiten unterstrich.

2. Mediale Aufbereitung und Analyse der Wahl

Auch die mediale Aufbereitung und der eigentliche Ablauf der Wahl stellen in mancherlei Hinsicht ein Novum dar. Die kubanische Nachrichtenagentur ACN hat eigens ein Dossier für die Wahl eingerichtet, auf dem die aktuelle Berichterstattung zusammengefasst und Hintergrundinformationen z.B. über die Funktion des Wahlsystems erläutert werden. Die Tageszeitung „Juventud Rebelde“ tat es ihr gleich und richtige ebenso eine spezielle Rubrik ein. In der Granma erschien ein Artikel, der die grundsätzlichen Charakteristika des kubanischen Wahlsystems erläuterte, begleitet von regelmäßigen Meldungen im Abstand einiger Stunden über den Ablauf am Wahltag. Meines Wissens war die Berichterstattung und die Fülle an Hintergrundinformationen zur Wahl in den kubanischen Medien wesentlich ausführlicher als fünf Jahre zuvor.

Interessant ist, dass dieses Jahr wohl zum ersten mal nicht zum „Voto unido“, zur Wahl der Einheitsliste, sondern explizit zur Wahl aller, mehrerer oder keiner der Kandidaten aufgerufen wurde. Auch fand nicht nur die Stimmabgabe von Fidel und Raúl besondere Beachtung, sondern Miguel Diaz-Canel, derzeit Vizepräsident des Ministerrats und potentieller Nachfolger Raúl Castros, wurde ebenfalls eines Artikels gewürdigt. Diese kleinen, unscheinbaren Veränderungen sind für sich genommen nicht bedeutend, zusammen weisen sie aber in Richtung einer anderen Handhabung der Wahlen in Zukunft.

Umso bemerkenswerter war dann auch die Wahlbeteiligung: Gegen 9 Uhr Morgens lag sie bei knapp 30 Prozent, bis halb elf Uhr Morgens 59,7 Prozent, bis zwei Uhr Mittags 78 Prozent, bis fünf Uhr Nachmittags schließlich wurden es 86 Prozent. Bereits anhand der Dynamik in der Stimmabgabe konnte darauf geschlossen werden, dass es bis 18 Uhr wohl nicht zu einer der üblichen hohen Wahlbeteiligungen der letzten Jahre genügte. Am Ende lag die Wahlbeteiligung dann bei lediglich 89,68 Prozent, was gerade im Vergleich zu den vorangegangenen Wahlen als bitteres Ergebnis bezeichnet werden kann (siehe Grafik).

Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen, 1993-2013
Grafik 1: Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen, 1993-2013.

Methodischer Hinweis zu den Grafiken: Bei Grafik eins, zwei und vier wurde die y-Achse bewusst angeschnitten und beginnt nicht wie gewöhnlich bei null, um die Unterschiede zu verdeutlichen. Der Grund hierfür liegt vor allem in den relativ kleinen Abweichungen bei gleichzeitig großen Zahlenwerten, wie sie beim vorliegenden Untersuchungsgegenstand bestehen. Der Transparenz halber wurden die „Originale“ in diesem Hinweis verlinkt.

Die große Mehrzahl der Stimmen wurde bis zur Mittagszeit abgegeben, danach verlief der Anstieg nur noch langsam. Noch bevor die endgültigen Angaben veröffentlicht wurden, war die Wahlkomission bereits zufrieden mit dem Ergebnis, man hob vor allem die Transparenz und den reibungslosen Ablauf der Wahl im Rahmen der Gesetze hervor.

Nun mögen diese Zahlen auf den ersten Blick nicht weiter auffällig erscheinen, schließlich träumen die meisten Staaten schon von Wahlbeteiligungen jenseits der 50 Prozent und alle der aufgestellten Kandidaten wurden auch gewählt, dennoch dürfte das Ergebnis wohl kaum den Erwartungen der Regierung entsprochen haben. Nicht nur, das die psychologisch wichtige „90+x“-Marke verfehlt wurde, am vergangenen Sonntag herrschte die mit Abstand historisch niedrigste Wahlbeteiligung bei einer kubanischen Wahl seit 1959. Die bisher niedrigste Wahlbeteiligung lag bei 95,8 Prozent bei den Wahlen zu den Stadtparlamenten 2002.

Dabei sollten die gesellschaftlichen Hintergründe beachtet werden: Innerhalb des kubanischen Systems wird dem Wahlprozess traditionell hoher Stellenwert eingeräumt. Der Gang zur Wahlurne gilt zwar nicht als juristische, dennoch als „moralische“ Pflicht eines Kubaners. Seit der Verabschiedung der ersten sozialistischen Verfassung 1976 finden regelmäßig Wahlen statt, die Parlamentswahlen in ihrer heutigen Form, bei der die Abgeordneten direkt gewählt werden, gibt es seit 1993. Und vergleicht man den langsamen Rückgang in der Wahlbeteiligung, der von Jahrfünft zu Jahrfünft seit 1993 immer zwischen 0,7 und 1,2 Prozent lag (ø: 0,89 Prozent) mit dem nun eingetretenen Rückgang um 7,2 Prozent im selben Zeitraum, ist hier schon ein wie auch immer gearteter „Trendwechsel“ oder „Ausreißer“ festzustellen.

Was könnten die Ursachen hierfür sein? Zum einen könnte es an den Kandidaten liegen, die vielleicht diesesmal unpopulärer oder unsympathischer als die der vorangegangenen Wahlen waren. Dafür gibt es jedoch keine Indizien, zumal das Durchschnittsalter bei relativ jungen 48 Jahren liegt und der Frauenanteil auf knapp 49 Prozent gesteigert wurde, was wohl prinzipiell positiv aufgenommen wurde.

An der mangelnden medialen Beachtung der Wahl oder schlechter Infrastruktur kann es auch nicht gelegen haben, es wurden traditionell genügend Wahlbüros installiert, über 200 „spezielle“ Wahlurnen in Kasernen und besonders unzulänglichen Gegenden aufgestellt. Bis auf einige Regenfälle sowie Stromausfälle in manchen Gegenden gab es auch keine Wetterunregelmäßigkeiten, die die Leute am Gang zur Wahl gehindert haben könnten. Auch das Informationsangebot der Medien war, wie schon erwähnt, umfangreicher als sonst.

Also womöglich ein Zeichen für mangelndes politisches Interesse oder gar Ablehnung? Was hat sich in den letzten Jahren in Kuba verändert, das einen derartigen Rückgang der Wahlbeteiligung erklären könnte? Dafür gibt es definitiv keine einzelne, gesicherte Ursache. Verschiedene Überlegungen, die ich im Folgenden anstellen werde, könnten allerdings eine Rolle spielen. Mit Sicherheit scheinen sich die Kubaner seit 2008 verstärkt ihren „eigenen“ Angelegenheiten zugewendet zu haben, die Lebenssituation vieler Menschen hat sich seit der letzten Wahl nur marginal verbessert, da die Wirtschaftsreformen erst einige Jahre benötigen, um zu greifen. Hier könnten Enttäuschung oder gar vorschnelle Resignation sowie Unsicherheit und Zukunftsängste, bei der Entscheidung zur Wahl zu gehen mit hineingespielt haben. Auch liegen bei einigen der neuen selbstständig Beschäftigten möglicherweise andere Prioritäten an, als der Gang zur Wahlurne. Die Loslösung vieler Kubaner aus den traditionellen Strukturen der staatlichen Beschäftigung hat womöglich auch zu einem Vertrauensverlust geführt bzw. zu einem Rückgang des sozialen Drucks zur politischen Partizipation, der in einem Staatsunternehmen vielleicht noch stärker gegeben ist als im Privatsektor. Somit könnte das politische Interesse auch durch die Herauslösung einiger Kubaner aus einem Teil des politischen Systems geschwunden sein. Auch könnte der früher übliche Aufruf zur Wahl der Einheitsliste ebenso dazu beigetragen haben, die Wahl zu ritualisieren und durch das daraus resultierende Desinteresse die Wahlbeteiligung zu senken.

Desweiteren ist es möglich, worauf mich ein Leser in den Kommentaren hinwies, dass der gesellschaftliche Druck zur Wahl insgesamt nachließ, also dass möglicherweise ein sanfter Druck „von oben“ der in den vergangenen Wahlen ausgeübt worden sein könnte (beispielsweise durch „Hausbesuche“ von mit Wahlurnen ausgestatteten Pionieren, wie in der Vergangenheit durchaus nicht unüblich), dieses Mal ausblieb oder sich das gesellschaftliche Klima dahingehend entspannt hat, dass ein Kubaner, der nicht zur Wahl erscheint, heute in seinem sozialen Umfeld nicht mehr in dem Maße negativ auffällt wie dies noch 2008 der Fall gewesen sein könnte.

Doch um genauere Schlüsse ziehen zu können hilft ein Blick auf die Verteilung der ungültigen und gültigen Stimmen bei den vergangenen Wahlen:

Positive Stimmen bei den kubanischen Parlamentswahlen, 1993-2013
Grafik 2: Anteil der gültigen Stimmen bei den kubanischen Parlamentswahlen, 1993-2013.
Gesamtanzahl der ungültigen Stimmen bei kubanischen Parlamentswahlen, 1993-2013
Grafik 3: Anteil der ungültigen Stimmen bei den kubanischen Parlamentswahlen, 1993-2013.
Absolute Anzahl gültiger Stimmen bei kubanischen Parlamentswahlen, 1993-2013
Grafik 4: Absolute Anzahl gültiger Stimmen bei den kubanischen Parlamentswahlen, 1993-2013.

Zunächst einmal wird hierbei wenig überraschend deutlich, dass ein „hoher“ Anteil von ungültigen Stimmen meist mit einem nicht ganz proportional niedrigeren Anteil an gültigen Stimmen korelliert. Mit gültigen Stimmen sind alle Stimmen gemeint, die für einen, mehrere oder keinen der Kandidaten abgegeben wurden. Die ungültigen Stimmen setzen sich hier aus der Summe der leer abgegebenen Stimmzettel und den bewusst ungültig gemachten Stimmzetteln zusammen. Im Folgenden wollen wir uns vor allem der Entwicklung der ungültigen Stimmen, sowie der absoluten Anzahl der positiven Stimmen widmen.

Wie aus den Grafiken ersichtlich wird, ist ein relativ hoher Anteil ungültiger Stimmen keineswegs neu für die kubanischen Parlamentswahlen. Im Gegenteil: Der relative wie absolute Anteil der ungültigen Stimmen hatte sogar vor 20 Jahren seinen Höhepunkt, auch wenn er seit zehn Jahren wieder stetig zunimmt. Dies könnte zunächst darauf deuten, dass bis 2003 insgesamt weniger Kubaner gewillt waren ungültig zu stimmen. Setzt man dies allerdings in Zusammenhang mit der Wahlbeteiligung, könnte man auch zu anderen Schlüssen gelangen: Während die prozentuale Anzahl der ungültigen Stimmen von 1993 bis 2003 um 3,25 Prozent zurückging, gingen im selben Zeitraum zwei Prozent weniger zur Wahl, d.h. ein Teil der ehemals „ungültig“-Wähler ist wahrscheinlich zu Nichtwählern geworden. Von 2003 auf 2008 stieg der Anteil der ungültigen Stimmen wieder, bei einem leichten Rückgang der Wahlbeteiligung. Durch das Bevölkerungswachstum und die doch recht konstante Wahlbeteiligung konnte dies jedoch abgefedert werden, so dass die Gesamtzahl der gültigen Stimmen weiter zunahm.

Nachdem die Gruppe der Nichtwähler 2013 etwa dreifach (!) so groß ist wie noch fünf Jahre zuvor (im Vergleich zu 1993 ist sie sogar 24-fach größer geworden), konnte die Anzahl der gültigen Stimmen naturgemäß nicht gehalten werden. Hinzu kommt, dass der Anteil der ungültigen Stimmen selbst prozentual schneller stieg als in den Wahlen zuvor, so dass wir zweierlei festhalten können: 1. Die Anzahl der wahlberechtigten Kubaner, die zur Wahl gehen, hat sich in den letzten 20 Jahren um gut 10 Prozent verringert; 2. Die „restlichen“ Wähler neigen stärker als früher dazu, ungültige Stimmen abzugeben, wenngleich die relative Mehrheit in diesem Fall sich eher für Nichtwählen denn für ungültig-Wählen entscheidet.

Insgesamt lässt sich die Geschichte der Parlamentswahlen daher grob in drei Phasen unterteilen: 1993-2003: Langsam sinkende Wahlbeteiligung bei gleichzeitigem Anstieg der gültigen Stimmen. 2003-2008: weiter langsam sinkende Wahlbeteiligung bei leichtem Anstieg der ungültigen Stimmzettel. Ab 2013: krasser Rückgang der Wahlbeteiligung bei beschleunigtem Anstieg der ungültigen Stimmzettel. Wenn wir noch weiter in die Details gehen sehen wir, dass sich vor allem die Anzahl der weißen (also leer abgegebenen) Stimmzettel 2013 im Vergleich zur letzten Wahl um 19,4 Prozent erhöhte, während die Anzahl der ungültig gemachten Stimmzettel im selben Zeitraum um etwas schwächere 13,3 Prozent anwuchs. Was diese Unterschiede allerdings konkret zu bedeuten haben, lässt sich nur schwer vermuten.

Zusammenfassend können die Statistiken zur Wahl bereits als bedenkliche Entwicklung betrachtet werden, auch wenn man die Zahlen nicht überbewerten darf: Absolut hat Kuba 2013 im Vergleich zur letzten Wahl etwa 35.000 Wähler verloren. Dennoch könnte sich ein langfristiger Trend hin zum Nichtwählen bzw. ungültig-Wählen abzeichnen – noch nie seit Beginn der Revolution war er zumindest so deutlich erkennbar wie derzeit. Alarmierend mag eine Wahlbeteiligung von 89 Prozent nicht sein, sie als ein „zufriedenstellendes“ Ergebnis abzutun könnte sich allerdings als Fehler herausstellen. Generell scheint sich der Trend zu politischer Abstinenz in den letzten fünf Jahren derart verstärkt zu haben, dass Gegenmaßnahmen erforderlich sein könnten, um die Wahlen künftig attraktiver zu gestalten, z.B. die Einführung mehrerer Kandidaten pro Sitz, wie dies bei den Wahlen zu den Stadtparlamenten bereits üblich ist.

Diese Wahl stellt auf jeden Fall ein Unikat dar, denn es war die letzte, in der die historische Generation um Fidel und Raúl noch kandidierten. Zwar lässt sich sinkende Wahlbeteiligung und politische Abstinenz schon in den Wahlen zu den Stadtparlamenten feststellen: die Anzahl der Nichtwähler, ungültiger oder leerer Stimmzettel zusammengenommen stieg bei diesen von 2007 bis 2012 von 10,27 auf 16,64 Prozent; bei Parlamentswahlen ist dies allerdings bisher ein Novum. Spätestens 2018 wird sich zeigen, ob sich die gesunkene Wahlbeteiligung als Trend manifestieren konnte, oder nur ein vorübergehendes Phänomen im Zuge der „Übergangsphase“ zur nächsten Generation politischer Führer darstellt. Künftig wird sich die historische Generation vollkommen aus dem politischen Prozess verabschiedet haben, die Verjüngung des Parlaments und vieler Staatsämter wird schrittweise fortgesetzt werden, so dass sich die Frage zur Teilnahme an den Wahlen und deren Handhabe selbst, neu stellt. Was dann auch immer dabei herauskommen wird: diese Wahl bot bereits einige Überraschungen.

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0 Gedanken zu “Die Parlamentswahlen in Kuba 2013: Einige Überraschungen.

  1. Man hört ja immer wieder, dass man kein Mitglied der kommunistischen Partei sein muss um gewählt zu werden. Ist dies aber bei der Asamblea Nacional del Poder Popular überhaupt der Fall. Gibt es Parlamentarier die nicht bei der PCC sind?

    Weitere Theorie zu der „niedrigen“ Wahlbeteiligung: In den letzten Jahren gab es ja einige Reformen, welche mehr Freiheiten für die Bürger brachten. Kann es nicht sein, dass es auch bei der Mobilisierung zu den Wahlen mehr „Freiheiten“ gab. Dass ein Teil der Bevölkerung, der bisher widerwillig zur Wahl gegangen ist um nicht unangenehm aufzufallen, einfach zuhause blieb? Vielleicht war auch deshalb der Wahlrat mit der Beteiligung zufrieden…

  2. Hallo, prinzipiell kann in Kuba jeder kandidieren, eine Parteimitgliedschaft ist nicht verpflichtend. Allerdings ist festzustellen, dass die Mehrheit der Abgeordneten der Asamblea Nacional Mitglieder der PCC sind, je weiter nach unten man schaut (Provinz-, Munizipalparlamente), desto weniger trifft diese Aussage allerdings zu.

    Danke für Deine interessante Hypothese, ich werde sie gleich überdenken und mit in den Text aufnehmen!

    1. Vielen Dank für die Antwort. Genaue Zahlen gibt es aber nicht zu den PCC-Mitgliedschaften. Ich habe wenigstens keine ausführlichen Listen über die Kandidaten gefunden…

  3. Die Wahlzettel sind absolut bemerkenswert. Da stehen also 3 Namen darauf und nur ein Kreis den man/frau ankreuzen muss. Damit wählt man/frau die 3 Kandidaten. Wenn mir aber nun die 3 Kandidaten nicht passen muss ich logischerweise den leeren Wahlzettel abgeben und kann demzufolge niemanden wählen weil ich keine Auswahl habe. Durch diese Handlung wird wiederum mein Wahlzettel als ungültig erklärt weil ich kein Kreuz gemacht habe. Es gab offensichtlich „nicht gültige“ (en blanco) und zusätzlich noch 1,2% „ungültige“ (anulados) wobei mir selbst nicht klar ist was damit gemeint sein soll.
    Die Satz steht auf dem Wahlzettel: El elector tiene derecho a votar por uno, por varios o por todos los candidatos. Der Wähler ist berechtigt, für einen, mehrere oder alle Kandidaten zu stimmen.
    Allerdings fehlt ihm auf dem Wahlzettel die Möglichkeit…
    PS: Die staatl. Arbeitgeber fragen übrigens nach ob man /frau wählen war. Das weiss ich aus erster Hand…

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