28. März 2024

Die Werte der Revolution

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Plenum zur Erneuerung der kubanischen Kultur auf dem Kongress der UNEAC (von links: Magda Resik, Direktorin von Habana Radio, Julián Gónzalez Toledo, Kulturminister des Landes und Miguel Díaz-Canel, kubanischer Vizepräsident. Quelle: Cubadebate).

Am 10. bis 12. April  tagte in Kuba der VIII. Kongress der Vereinigung kubanischer Schriftsteller und Künstler (UNEAC). Zentrales Thema war der Erhalt und die Weitergabe der Werte der Revolution an die jüngere Generation, sowie die damit verbundene Erneuerung der Kulturpolitik. „Unsere größte Herausforderung ist der Kampf gegen die Pseudokultur die mit der Begeisterung für den Konsumismus einhergeht“, fasste der kubanische Vizepräsident Díaz-Canel die Aufgabe der Kulturschaffenden zusammen. Der Kongress war dabei von lebhaften Debatten über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der kubanischen Kultur und ihrer jeweiligen Rolle geprägt.

Verlust von Werten und Identität

„Die Einheit war und wird auch weiterhin die grundlegende Strategie der kubanischen Revolution sein, aber wie wir wissen besteht sie nicht aus homogenem Denken, sondern aus der möglichen Konklusion verschiedener Sichtweisen“, erklärte Díaz-Canel vor den 320 Delegierten die grundlegende Denkweise, mit der Werte erhalten und erneuert werden sollen. Zu viel Formalismus, zu knappe Mittel und zu viele administrative Maßnahmen haben in den letzten Jahrzehnten zu einem Verlust der kulturellen Identität geführt, zu einer Entfremdung des Kulturangebots von den Bedürfnissen des Volkes und damit einhergehend zum Aufstieg von „Niveaulosigkeit und Mittelmäßigkeit“, wie es ein Delegierter ausdrückte.

Nach dem Ende der Sowjetunion litten die kubanischen Kinos, Theater und Buchverlage unter massivem Sparzwang und konnten ihre Aufgabe vielerorts nur noch pro forma wahrnehmen. Hinzu kommen administrative Gängeleien durch die Ministeriumsbürokratie, unter denen viele unabhängige Kreative zu leiden haben. Das jüngste Beispiel war die Schließung der privaten 3D-Kinos Ende vergangenen Jahres, die zu massivem Unmut vor allem unter Jugendlichen geführt hat. Dabei will man gerade die junge Generation stärker in den Fokus der Kulturarbeit stellen, da sie für den Fortbestand der Revolution von transzendentaler Bedeutung ist.

Bereits vor einigen Monat hat deshalb Fernando Rojas, stellvertrendender Kulturminister, die Regulierung der 3D-Kinos gegenüber einem generellen Verbot als bessere Option hervorgehoben. Auf dem UNEAC-Kongress wurde folgerichtet ein neues Kinogesetz gefordert, dass die Aufführung von Kulturfilmen und kubanischen Produktionen zu günstigen Preisen fördern soll, dabei aber gleichzeitig auch den internationalen Trends und neuen Technologien Rechnung trägt. Das Fernsehprogramm soll künftig weiter diversifiziert und qualitativ verbessert werden.

„Das erste was es zu retten gilt, ist die Kultur!“

„Wir können und müssen den Geschmack der Bevölkerung beeinflussen: Nicht mit Verboten, die nur zum Gegenteil des gewünschten führen; sondern mit der Erarbeitung einer kohärenten Politik, die alle staatlichen Institutionen gebündelt zum Einsatz bringt, inklusive des Bildungssystems“, sagte Díaz-Canel in seiner Rede. In diesem Zusammenhang hob der Vizepräsident mehrmals die Notwendigkeit einer stärkeren Institutionalisierung hervor: nur mit einer abgestimmten Arbeit aller Einrichtungen könne der Kultursektor wiederbelebt und das Erbe der Revolution gesichert werden. Dabei müsse ausländischen Einflüssen zuvorgekommen werden, um die Geschichte des Landes und die Werte des Sozialismus besser zu kommunizieren. In den verschiedenen Wortmeldungen der Delegierten wurde dabei oft Bezug auf Fidels Ausspruch zu Beginn der Sonderperiode genommen: „Das erste was es zu retten gilt, ist die Kultur!“.

Kuba befindet sich derzeit in einer ähnlichen Zeit der Zäsur; die Erkentnis, dass eine Erneuerung des Wirtschaftssystems auch auch mit einer notwendigen Erneuerung des gesellschaftlichen Überbaus einhergeht, hat sich durchgesetzt: „Wir müssen Entwicklung und Wirtschaftswachstum suchen, aber mit einer Seele voller Gefühl und Spiritualität. Dies wird durch die Rettung der Kultur erreicht, was auch die Rettung des Landes, der Revolution und des Sozialismus bedeutet. Das verlangt von uns, jeden Tag effizienter in der Verteidigung der nationalen Identität und den authentischen Werten der kubanischen Kultur zu sein“, erklärte Díaz-Canel auf der Schlußtagung des Kongresses.

Bündelung aller Massenorganisationen

Diese „nationale Identität“ besteht für die kubanische Regierung vor allem aus dem humanistischen Gedankengut José Martís, der Kenntnis der kubanischen Geschichte sowie dem Leben von sozialistischen Werten wie Solidarität, Anstand, Respekt und Ehrlichkeit. Der schleichende Verlust dieser Tugenden wurde bereits vergangenen Sommer von Raúl Castro hervorgehoben, seine deutlichen Worte schlugen sich in der Folgezeit nieder in einer Kampagne gegen „soziale Disziplinlosigkeiten“, mit der alle kubanischen Massenorganisationen zusammen mit den CDRs direkt in den Nachbarschaften versuchen, auf die Leute zuzugehen. Diese Kampagne soll nun Schritt für Schritt ausgedehnt werden, um die Erneuerung sozialistischer Werte zu gewährleisten.

Erreicht werden soll die Erarbeitung einer kohärenten Kulturpolitik im Rahmen einer Arbeitsgruppe, deren Fortschritte regelmäßig überprüft werden sollen. Vorgesehen ist unter anderem die Stärkung der Kulturfunktionäre auf den unteren Ebenen sowie die Förderung von Stadthistorikern in den Provinzen, zur Restaurierung des kolonialen Erbes und Erhalt urbaner Lebensqualität ohne Gentrifizierung. Die bildende Kunst soll sich des weiteren durch ihre Verkaufserlöse besser finanzieren können. Einzelne Wortmeldungen forderten eine stärkere Einbindung kleiner Privatunternehmer in den Sektor. Wie so oft nach den Kongressen kubanischer Massenorganisationen, ist zunächst noch wenig konkretes bekannt. Jedoch steht die Verabschiedung eines neuen Presse- und Kinogesetzes im kommenden Jahr bevor.

Die UNEAC-Delegierten bestätigten den geachteten Schriftsteller Miguel Barnet als Vorsitzenden ihrer Organisation. Noch interessanter war die Neubesetzung des Kulturministers im Vorfeld des Kongresses. Der ebenfalls angesehene Abel Prieto übte dieses Amt von 1997 bis 2012 aus, zog sich dann jedoch aus privaten Gründen zurück. Ihm folgte für zwei Jahre der eher uncharismatisch wirkende Rafael Bernal, der wohl eher eine Übergangslösung darstellte. Sein Nachfolger wurde am 6. März dieses Jahres Julián Gónzalez Toledo (52), der im Unterschied zu Bernal über 20 Jahre Berufserfahrung im Kultursektor verfügt. Womöglich sollte damit auch für eine kürzere Leitung der Kulturschaffenden in die Ebene der Politik gesorgt werden.

Toledo zeigte sich erfreut über die Debatten der Delegierten, die die Schule und Familie als wichtigste Quelle zur Vermittlung von Werten bezeichneten. Gerade den Kindern und Jugendlichen soll verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden, um die Bildungseinrichtungen in ihrer Rolle als „Zentren der Wertevermittlung“ zu stärken. Die Zukunft der kubanischen Revolution, ohne die Protagonisten der historischen Generation, könne nur mit einer intakten Sozialstruktur erreicht werden. Die Weitergabe und Erneuerung revolutionärer Werte soll durch alle Teile der Gesellschaft erfolgen, die gerade in Zeiten wirtschaftlicher Veränderungen ihre Gemeinsamkeiten bewahren müssen. Kein Strohfeuer, sondern kontinuierliche Arbeit und Selbstkritik werden die Grundpfeiler sein, um das geistige Erbe des Sozialismus und der Revolution weiterzugeben. Kubas Lehrer und Journalisten, die Schauspieler und Musiker sowie alle Kulturschaffenden des Landes brauchen jetzt die geeigneten Mittel, um diese Mammutaufgabe anzugehen.

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0 Gedanken zu “Die Werte der Revolution

  1. “Unsere größte Herausforderung ist der Kampf gegen die Pseudokultur die mit der Begeisterung für den Konsumismus einhergeht”, fasste der kubanische Vizepräsident Díaz-Canel die Aufgabe der Kulturschaffenden zusammen. Herrn Diaz-Canel ist wohl entgangen in welchem Land er lebt. Mit $ 20 Lohneinkommen ist wohl kaum ein Konsumismus möglich. Den meisten reicht das nicht mal für die Lebensmittel.

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