29. März 2024

Warum gibt es die „Granma“ auf deutsch?

Editorial der deutschen Erstausgabe der „Granma“ vom Mai 1994 (Quelle: Granma-Archiv)

Vor einem Vierteljahrhundert lief die Deutschland-Ausgabe der „Granma Internacional“ in Havanna erstmals durch die Druckerpresse: im Mai 1994 erschien die Nullnummer des kubanischen Parteiorgans in deutscher Sprache. Seitdem durchlief das Blatt eine wechselvolle Geschichte. Doch wie kommt es eigentlich, dass eine karibische Inselzeitung bei uns gelesen werden kann?

Sendungsbewusstsein über das eigene Ufer hinaus

Beilage vom Dezember 1995 (Quelle: Granma-Archiv)

Alles begann am 20. Februar 1966. Anlässlich der ersten Konferenz der Solidarität der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas („Tricontinental“), bei dem sich auch namhafte politische Führer wie der spätere chilenische Präsident Salvador Allende in Havanna versammelten, erschien die erste Ausgabe der „Resumen Semanal de Granma“, der „wöchentlichen Zusammenfassung der Granma“. Angesichts der hohen internationalen Wirkmächtigkeit, hatten Kubas Kommunisten beschlossen, eine eigene Ausgabe ihres Parteiorgans auf Englisch, Französisch und Spanisch für den internationalen Vertrieb zu entwickeln. Später kam noch eine portugiesische Variante hinzu. Ab 1990 nannte sich das Blatt dann offiziell „Granma Internacional“ und erschien monatlich im 16-Seitigen Format.

Nun ist das große internationalistische Sendungsbewusstsein der Insel kein Geheimnis. Nicht nur bei den militärischen Missionen in Angola und anderen afrikanischen Ländern im Kampf gegen das Apartheitsregime, auch bei den heutigen Ärzteeinsätzen in Krisengebieten zeigt sich, dass die Kubaner ihre Revolution immer auch in globalen Maßstäben und weit über das eigene Ufer hinaus denken. Doch eine „internationalistische Zeitung“ herauszugeben, die mit einer Auflage von über 100.000 Exemplaren in über 120 Ländern bereitgestellt wird, stellte die Insel immer wieder vor große logistische wie personelle Herausforderungen.

Mit Robotron-Schreibmaschinen und klapprigem Dienstwagen

In Deutschland begann die Geschichte der „Granma“ im Mai 1994, inmitten der schweren Wirtschaftskrise der „Periódo Especial“, welche die Insel in Folge des Wegfalls des sozialistischen Lagers heimsuchte. Eine Gruppe von sechs Enthusiasten, darunter eine diplomierte Dolmetscherin, begann inmitten der schwierigen Situation das Projekt, um „Interessierten im deutschsprachigen Raum endlich Originalinformationen aus Kuba zukommen zu lassen“, wie es in einem Artikel heißt, der anlässlich des fünften Erscheinungsjubiläums veröffentlicht wurde. Die Gruppe in Havanna, bestehend aus nicht wenigen deutschen Muttersprachlern aus der Solidaritätsbewegung, hatte damals inmitten der Krise mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen: alte Technik und ein klappriger Dienstwagen erschwerte das Erscheinen der Zeitung über viele Jahre hinweg. „Sechs Schreibmaschinen vom Typ Robotron und sieben Wörterbücher“, zählten damals zum Inventar der Redaktion, die nur dank jeder Menge Enthusiasmus ihre Arbeit verrichten konnte.

Dennoch gelang es, die deutsche Ausgabe der „Granma“ bis zu ihrem 25. Jubiläum zu erhalten und weiter auszubauen. Inzwischen wurde auch das komplette Archiv der Zeitung digitalisiert und ist kostenlos im Netz abrufbar. Bei der Lektüre fällt auf, dass manchmal die größte Veränderung der Geschichte in ihrer Kontinuität liegt: „USA verschärfen Blockade mit Helms-Burton“, hieß es vor 23 Jahren. Heute könnte man mit der selben Schlagzeile titeln. Und auch manchen Artikeln über die Probleme mit der Korruption, neue Ideen zur Belebung der Landwirtschaft oder Energieeinsparungen aufgrund der schwierigen Wirtschaftssituation merkt man ihr Alter nicht an.

Heute verfügt die Zeitung neben einer runderneuerten Homepage dank der Kooperation mit dem Verlag 8. Mai auch über einen eigenen Druckstandort in Deutschland, was den aufwändigen Versand der Monatszeitung über den Atlantik erspart. Noch immer liefert sie zuverlässig die schnellste Übersetzung offizieller Reden kubanischer Politiker, was gerade für die wissenschaftliche und journalistische Arbeit zu Kuba eine wichtige Primärquelle darstellt. Und auch der verklausulierte Satzbau und die sehr wortwörtlichen Übersetzungen, welche so manches Stirnrunzeln beim geneigten Leser erzeugen, gehört noch immer zum eigenen Charme der „Granma Internacional“, die wohl noch viele weitere Jahre Kubas wichtigste Stimme im Ausland sein dürfte.

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