28. März 2024

Corona-Update für Kuba (4): Kurs auf Null Neuinfektionen

Kubas Pandemie-Maßnahmen greifen: laut dem britischen „EndCorona“-Ranking erzielt die Insel zusammen mit Vietnam, Südkorea, China und 28 weiteren Ländern den weltweit größten Erfolg bei der Bekämpfung des Virus, während Deutschland in der mittleren Gruppe landet. Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel mahnte abermals, gerade jetzt nicht locker zu lassen. Bis mindestens Ende Mai bleiben die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung voll in Kraft, Grenzen und Schulen geschlossen. Zur Isolierung lokaler Infektionshotspots wurden in den vergangenen Wochen weitere Quarantänezonen eingerichtet, deren Anzahl jedoch insgesamt von 44 auf 24 zurückging. Offenbar verfolgt die Insel eine Strategie der vollständigen Ausmerzung des Virus. Laut aktuellen Prognosen des Gesundheitsministeriums wird die Zahl der Neuinfektionen bis Ende Mai gegen Null gehen. 

Covid-19 Fälle auf Kuba vom 11. März bis einschließlich 12. Mai: Akkumuliert (beige), aktive Fälle (rot) und tägliche Neuinfektionen (blau), (Quelle: Covid19-Dashboard Cuba)
  • Bis zum 12. Mai wurden auf Kuba insgesamt 1810 Personen positiv auf das neuartige Coronavirus getestet (+6 zum Vortag), 79 Personen sind an den Folgen des Virus gestorben. 1053 Personen befinden sich zur Gesundheitsüberwachung in medizinischen Einrichtungen, 1326 gelten als genesen. Die Anzahl der gleichzeitig aktiven Fälle hat sich damit von ihrem Gipfel (847 am 24. April) auf 403 mehr als halbiert (siehe Grafik oben). Am stärksten betroffen ist weiterhin die Hauptstadt Havanna mit 48 Prozent aller diagnostizierten Erkrankungen (883 Fälle), gefolgt von Villa Clara (211 Fälle) und Matanzas (144 Fälle). Innerhalb Havannas ist der Stadtteil Centro Habana mit 105 Fällen am stärksten betroffen. Die Eindämmung des Virus entwickelt sich auf Kuba weiterhin entlang des „Best-case“-Szenarios. Die vom Institut für Tropenmedizin in Havanna (IPK) berechnete Reproduktionszahl (R) liegt seit dem 26. April im Mittel deutlich unter 1, das heißt ein Infizierter steckt durchschnittlich weniger als eine weitere Person an. Zwei Monate nach Ausbruch von SARS-CoV-2 auf Kuba konnte das Infektionsgeschehen damit weitgehend unter Kontrolle gebracht werden. Nach den Prognosen des IPK (siehe Grafik bis 4. Mai) könnte die Anzahl der Neuinfektionen bis Ende des Monats gegen Null gehen. Gesundheitsminister José Angel Portal Miranda warnte jedoch davor, die erst kürzlich verlängerten Maßnahmen vorzeitig zu lockern. Länder die dies taten, hätten mit Rückfällen zu kämpfen gehabt.
    → Weitere Zahlen und Daten im offiziellen „Covid-19 Dashboard“ für Kuba.

Medizinische Entwicklungen

  • Kuba produziert eigene Antikörper-Schnelltests: der staatliche Pharmakonzern „BioCubaFarma“ hat einen Antikörpertest für das neuartige Corona-Virus entwickelt, der jetzt in größerer Zahl hergestellt werden soll. Bis zum Ergebnis soll es etwa zwei Stunden dauern, zur Spezifität des Tests machte der Hersteller keine Angaben. Etwa 50% aller gemeldeten Erkrankungen verlaufen auf Kuba zum Testzeitpunkt asymptomatisch. „Bis in die entlegensten Gebiete des Landes“ sollen diese Fälle jetzt gezielt mit dem neuen Schnelltest ermittelt werden, wie das Parteiorgan „Granma“ berichtet.
  • Weitere antivirale Medikamente in der Erprobung: neben den Eigenentwicklungen „Interferon Alpha-2B“ und der experimentellen Immuntherapie „CIGB-2020“ testet Kuba derzeit das HIV-Medikament Kaletra, das eine Kombination der Präparate Lopinavir und Ritonavir darstellt. Darüber hinaus prüft Kubas Gesundheitsministerium auch den Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir (zusammen mit Azithromycin), der normalerweise zur Behandlung der gewöhnlichen Grippe eingesetzt wird und hierzulande unter dem Handelsnamen „Tamiflu“ bekannt ist. Sowohl Kaletra als auch Oseltamivir könnten in größerer Stückzahl auf Kuba selbst hergestellt werden. Am Mittwoch veröffentlichte das Gesundheitsministerium erstmals den kubanischen Therapieplan zur Behandlung von Covid-19 (siehe Grafik), der sieben Phasen von der Prävention bis zur Nachsorge umfasst. In dem Schema sind die bei der jeweiligen Stufe eingesetzten Medikamente sowie die Anzahl der damit therapierten Patienten dargestellt. Insgesamt nutzt Kuba 21 Medikamente bei der Behandlung von Covid-19 Patienten, von denen 17 im Land selbst hergestellt werden können. Bei schweren und kritischen Verläufen kam nach Kaletra und Chloroquin (verabreicht an 124 Patienten) am häufigsten der auf Kuba entwickelte monoklonale Antikörper Itolizumab (74 Patienten) sowie das Blutbildungs-Hormon Erythropoetin (54 Patienten) zum Einsatz. Es wurden 13 Blutplasmatransfusionen durchgeführt. Interferon wurde bei 2.418 Verdachtsfällen und Personen im frühen Erkrankungsstadium verabreicht. Am häufigsten eingesetzt wurde präventiv für Risikogruppen das homöopathische Präparat „Prevengo Vir“ (183.682 Personen) sowie der ImmunmodulatorBiomodulina T“ (5.108 Personen, vor allem in Altersheimen). Bildquelle und weitere Details: siehe Mesa Redonda vom 13.05.2020.

Weitere Entwicklungen:

Corona-Einkaufsausweis für ältere Personen in Habana Vieja und Centro Habana (Quelle: Tribuna)
  • Lokale Eindämmung von Infektionsketten in Havanna: von landesweit 44 lokalen Übertragungsereignissen konnten mittlerweile 24 als geschlossen gemeldet werden, wie in der gestrigen „Mesa Redonda“ (span.: „Runder Tisch“) kurz vor den Abendnachrichten bekannt gegeben wurde. Mit lediglich sechs Neuinfektionen am Montag wurden erstmals wieder die Zahlen von Ende März erreicht. 60% der Infektionen entfallen auf nur 16 Gemeinden des Landes. Deshalb dürfe gerade jetzt bei der Bekämpfung des Virus nicht locker gelassen werden, forderte Präsident Miguel Díaz-Canel: „Bei sinkenden Infektionszahlen müssen wir die Risikowahrnehmung steigern, so das Staatsoberhaupt. Zuletzt wurden in der Altstadt Havannas (Habana Vieja) und dem angrenzenden Centro Habana die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung weiter angezogen. Für ältere Personen gibt es dort demnächst einen Sonderausweis zum Einkaufen, wie die Lokalzeitung „Tribuna“ berichtet. Damit soll verhindert werden, dass Bewohner aus anderen Stadtteilen die Läden der Quarantänezonen aufsuchen. Mehr als 700 Studenten und Sozialarbeiter suchen derzeit vor allem unter den Risikogruppen (Personen über 60 Jahren und allein lebende Rentner) gezielt nach Covid-19-Infektionen. Dabei wird der Fokus verstärkt auf das frühzeitige Erkennen von asymptomatischen Infizierten (die auch Überträger sein können) gelegt. Sowohl Habana Vieja als auch Centro wurden vom ohnehin weitgehend reduzierten Personentransport abgekoppelt. Um die Einhaltung der sozialen Distanzierung  zu wahren wurde die Polizeipräsenz in den Stadtteilen verstärkt, wie „Cubadebate“ berichtet. Personen dürfen in den Gebieten die Wohnung nur noch in absolut dringenden Fällen wie den Gang zur Arbeit oder zum Arzt verlassen, erklärte der Parteichef Luis Antonio Torres Iríbar. Damit sollen die vorhandenen lokalen Übertragungsketten schnellstmöglich ausgemerzt werden.
  • Corona und die Wirtschaft: Die UN-Wirtschaftskomission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) rechnet für 2020 mit einer Rezession von 5,3 Prozent in der Region, für Kuba wird von einem BIP-Einbruch von 3,7 Prozent ausgegangen. „Eine Wirtschaft mit Null Tourismus und unter der verschärften US-Blockade kann nicht weiter funktionieren als wäre nichts passiert“, erklärte Wirtschaftsminister Alejandro Gil auf der Tagung des Ministerrats am Wochenende. Für den weiteren Verlauf des Jahres wird mit Einschränkungen bei der Versorgung und einem Rückgang der Investitionen gerechnet. Präsident Díaz-Canel forderte auf der Sitzung, die bereits vor Jahren beschlossenen und seitdem mehrfach verschobenen Wirtschaftsreformen „schneller, entschiedener und organisierter“ umzusetzen. Neben dem Ausbleiben der Tourismus-Einnahmen und den Verschärfungen der US-Blockade unter Donald Trump dürften auch die Wirtschaftseinbrüche bei zwei der wichtigsten Handelspartner, Venezuela und Spanien, sowie der Rückgang von Geldsendungen durch die gestiegene Arbeitslosigkeit in den USA zu drastischen Einnahmeeinbußen für die Insel führen.
  • Tourismus trotz Corona? Wann und wie auf Kuba wieder Tourismus möglich ist, steht derzeit noch in den Sternen. Die Grenzschließungen gelten noch mindestens bis Ende des Monats. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Insel bei einer möglichen Öffnung des Tourismus ab dem zweiten Halbjahr einen äußerst vorsichtigen Ansatz verfolgen wird, um keine zweite Einschleppungswelle zu riskieren. Laut Einschätzung des Fachmagazins „Cuba Standard“ könnte es „zwei Jahre oder länger“ dauern, bis auf Kuba wieder die Vor-Corona Besucherzahlen erreicht werden.
  • Lebensmittelspenden aus Vietnam: Bereits Mitte April spendete Vietnams Regierung 5.000 Tonnen Reis an Kuba. Die vietnamesische Firma „Viglacera“, die im Rahmen eines Joint-Ventures in der Sonderwirtschaftszone Mariel (ZEDM) einen Industriepark aufbaut, will jetzt zusätzlich 100 Tonnen Reis speziell für das Gesundheitspersonal nach Kuba schicken. Darüber hinaus sind weitere vietnamesische Spenden von Privatpersonen und Unternehmen eingetroffen. Die vietnamesisch-kubanische Freundschaftsgesellschaft, unter deren Mitgliedern sich viele ehemalige Absolventen von Kubas Medizinhochschulen befinden, sammelte in dem asiatischen Land mehr als 66.000 US-Dollar für Sachspenden. Kubas Botschafterin in Hanoi, Lianys Torres, bedankte sich für die „ausgestreckte brüderliche Hand aus Vietnam in diesen schweren Stunden“.
  • Plasmaspenden von Genesenen: die Blutbank von Santiago de Cuba ruft genesene Covid-19 Patienten zur Blutspende auf. Die im Blutplasma enthaltenen Leukozyten und Transferfaktoren werden zur Herstellung von Interferon und anderen Medikamenten der „ersten Reihe“ im Kampf gegen das Virus benötigt. Auch für die Transfusion von Blutplasma bei der Behandlung von schweren Verläufen sind Spenden von genesenen Patienten erforderlich.
Kubanisches Ärzteteam in Italien zur Bekämpfung der Pandemie (Quelle: Cubadebate)
  • Mehr als 14.000 Corona-Patienten in 23 Ländern behandelt: nach jüngsten Angaben des Gesundheitsministeriums befinden sich derzeit 29.465 kubanische Ärzte und Pflegekräfte auf Auslandsmission, die meisten davon in Venezuela. Der export medizinischer Dienstleistungen ist die wichtigste Einnahmequelle Kubas. Seit Beginn der Pandemie hat Kuba 2.041 medizinische Fachkräfte in 23 Länder entsandt, die dort 14.123 Corona-Patienten behandelten. Damit haben kubanische Ärzte bisher rund achtmal mehr Corona-Patienten in anderen Ländern als auf Kuba selbst behandelt. Neben Italien und Andorra sind Kubas Medizinbrigaden vor allem in Ländern des Globalen Südens im Einsatz, u.a. in Katar, Angola, Haiti und anderen karibischen Nachbarländern. Während ein Teil der Einsätze (v.a. die Hilfsbrigade Henry Reeve) von Kuba als humanitäre Hilfe  unentgeltlich geleistet wird, dürften Länder wie Italien und Katar für die Dienste bezahlen. Wie der „Cuba Standard“ berichtet, gibt es auch Querfinanzierungen: so kommt beispielsweise Luxemburg für den Einsatz des kubanischen Corona-Teams im afrikanischen Kap Verde auf.
  • Online-Handel auf dem Vormarsch: im Zuge der Corona-Pandemie setzt Kubas Regierung auf den massiven Ausbau von Onlinehandel und Lieferdiensten. Mehr als 400.000 Rentner wurden bisher über ein staatliches Programm mit Lebensmittelpaketen versorgt. Der kommerzielle Onlinehandel über die Plattform „TuEnvio“ wuchs von rund 6.000 Bestellungen im März auf 73.300 im April an. Dort werden vor allem Lebensmittel aus dem Sortiment der CUC-Supermärkte verkauft. Bis zu 8.000 Personen greifen jeden Tag auf die Seite zu, weshalb die Bandbreite des Rechenzentrums aufgestockt werden musste. Probleme gibt es mancherorts auch bei der Zustellung, die mit jüngst gesenkten Tarifen von durchschnittlich 0,08 CUC (ca. 8 Eurocent) pro Kilometer bewusst moderat bepreist wird: so kostet beispielsweise eine Lieferung von den Einkaufszentren „Cuatro Caminos“ und „Carlos Tercero“ nach Habana Vieja nur noch 6 Pesos (ca. 23 Eurocent), statt vorher 9-11 Pesos. In den kommenden Tagen soll die Plattform rundum verbessert und auf automatisierte Rechnungsausstellung umgestellt werden. Bisher sind landesweit 18 Supermärkte bei TuEnvio aktiv, darunter die größten Einkaufszentren Havannas und Santiago de Cubas. Langfristig soll E-Commerce sogar den Umsatz des konventionellen Handels übertreffen, forderte Kubas Präsident.
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