28. März 2024

Wenig Zulauf für Proteste am Montag

Die von kubanischen Systemgegnern für den 15. November weltweit ausgerufenen Proteste sind auf wenig Resonanz gestoßen. Unter dem Motto „SOS Cuba“ fanden im Ausland kleinere Kundgebungen in mehreren dutzend Städten statt. Vor Ort blieb die Lage ruhig. Wie ausländische Korrespondenten übereinstimmend berichten, ereigneten sich auf der sozialistischen Insel selbst keine Demonstrationen. Aufrufe an die Bevölkerung zum passiven Widerstand fanden kaum Widerhall.

Diskussion zwischen CDR-Vertretern und Yunior García vor dessen Wohnung am Sonntag (Quelle: Archipiélago)

Im Vorfeld der angekündigten Proteste hatte der Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, sein diplomatisches Personal vor Ort angewiesen, die Geschehnisse „zu beobachten und ihm zu berichten“. Juan Gonzáles, der für Lateinamerika zuständige Berater des US-Präsidenten Joe Biden, drohte nach dem Verbot der Demonstration mit neuerlichen Sanktionen gegen die Karibikinsel und sprach von der bedingungslosen Unterstützung für die kubanische Opposition.

Kubas Behörden hatten den mit 5.000 Teilnehmern angekündigten „Marsch für den friedlichen Wandel“ zuvor mit der Begründung verboten, dass dieser Teil einer Destabilisierungskampagne der USA und gegen die sozialistische Verfassung des Landes gerichtet sei. Der Dramaturg Yunior García Aguilera, der in Folge der Proteste vom 11. Juli die Facebook-Gruppe „Archipiélago“ gründete, plante dennoch an den Kundgebungen festzuhalten. Zum Auftakt wollte er am Sonntag mit einer weißen Rose in Havanna die 23. Straße vom Quijote-Park zur Uferstraße Malecón im Stadtteil Vedado hinuntergehen. Nach eigenen Angaben zählt die Gruppe 31.500 Mitglieder, von denen rund die Hälfte auf Kuba wohnen sollen.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, fanden sich am Sonntag Unterstützer der Regierung vor Garcías Haus ein, wobei Parolen wie „Yo soy Fidel“ („Ich bin Fidel“) in Anspielung an den 2016 verstorbenen Revolutionsführer Fidel Castro skandiert wurden. Die Straße zu Garcías Haus war mit einem Bus verstellt, während eines seiner Fenster eine kubanische Flagge verhüllte. Eine ältere Frau von den Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR) setzte ihm vor seiner Tür auseinander, dass seine Aktivitäten nicht erwünscht seien. Auch die Wohnorte anderer Dissidenten wurden von Nachbarn tanzend und Parolen skandierend „belagert“. Einzelne Festnahmen wurden gemeldet. Die Gruppe „Archipiélago“ sprach von einer „grausamen, illegalen und inhumanen Blockade“ gegen García.

Díaz-Canel unter den „Pañuelos Rojos“ beim Konzert von Tony Ávila (Quelle: Cubadebate)

Gleichzeitig fand am Sonntagnachmittag ein Konzert des bekannten Sängers und Liedermachers Tony Ávila im Parque Central von Havanna statt, wo Mitglieder der zivilgesellschaftlichen Gruppe „Los pañuelos rojos“ (die roten Halstücher) ein zweitägiges Sit-in veranstalteten, bei dem sich Präsident Miguel Díaz-Canel unter die Anwesenden mischte. Die „pañuelos rojos“ verstehen sich als losen Zusammenschluss Jugendlicher, „der sich gegen jeden Versuch stellt, die Insel erneut zu kolonisieren“ und stehen dem internationalistischen „Proyecto Nuestra America“ nahe. An mehreren Orten in Havanna versammelten sich Regierungsunterstützer, wobei zu lauter Musik ausgelassen getanzt wurde.

Bestimmendes Thema in der kubanischen Öffentlichkeit war die am Montag erfolgte Öffnung für den Tourismus sowie die Wiederaufnahme des laufenden Schuljahres in Präsenzform. Beide Schritte wurden aufgrund der zuletzt weiter fallenden Corona-Inzidenzen möglich und waren nach Monaten des Lockdowns von großen Teilen der Gesellschaft erwartet worden. Inzwischen sind 76,4 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, die 7-Tages-Inzidenz auf der Insel lag zuletzt bei 32,9. „Niemand wird uns diese Feier verderben!“, kündigte Díaz-Canel in einer Fernsehansprache vergangene Woche an. „Ich denke Archipielago hat den falschen Tag gewählt“, erklärte der kubanische Politanalyst Carlos Alzugaray gegenüber Reuters. „Was die Menschen umtreibt ist vor allem die erneute Öffnung der Wirtschaft und die Rückkehr zur Normalität“, so Alzugaray.

„Archipiélago“ rief die Bevölkerung im Vorfeld auf, García ab 16 Uhr mit Applaus und dem Aufhängen weißer Bettlaken von den Balkonen zu unterstützen. Für Montagabend war ein „massives Topfschlagen“ im ganzen Land geplant. Laut Berichten des Reuters-Korrespondenten Marc Frank, die von Amerika21 bestätigt werden konnten, war in Havanna und andernorts nur vereinzeltes Topfschlagen zu vernehmen und kein vermehrtes Auftreten weißer Bettlaken im Straßenbild festzustellen. Berichte über eine massive Präsenz der Sicherheitskräfte auf den Straßen konnten Journalisten vor Ort nicht bestätigen. Auch aus San Antonio de los Baños, dem Ausgangspunkt der Proteste vom 11. Juli, wurden an beiden Tagen keine besonderen Vorkommnisse berichtet. Einschränkungen beim Internetzugang gab es anders als bei den Protesten im Juli keine, allerdings bot der US-Anbieter „Secure VPN“ seine Dienste von Kuba aus am 15. November kostenlos an.

Kubas Außenminister Bruno Rodríguez erneuerte indes am Montag den Vorwurf einer US-Beteiligung an den Protestaufrufen. Außerhalb Kuba seien Erwartungen geschürt worden, die sich nicht erfüllt hätten, so Rodríguez. (Amerika21)

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10 Gedanken zu “Wenig Zulauf für Proteste am Montag

  1. Ich hoffe die Kubaner demonstrieren weiter vor den Häusern der Opposition. Singend, tanzend, Topf schlagend. Die sollen keine ruhige Sekunde mehr haben. Nieder mit den Faschisten!

    1. Es gibt ein verbrieftes Menschenrecht auf Privatsphäre. Kuba hat diese Menschenrechte unterzeichnet. Es ist nur eines von mehreren, die in Kuba nicht respektiert werden. Diese staatlich auf Ebene der CDRs organisierten mittelalterlichen „Actos de Repudio“ sind Schmähakte zumeist völlig unbekannter zusammengerufener regimetreuer Schlachtenbummler, die weder den Betroffenen kennen, noch in seiner Nachbarschaft wohnen, die unter den Augen von PNR und Stasi Menschen kollektiv diffamieren, bedrohen und beleidigen. Diese „Actos de Repudio“ sollen gruppendynamischen Druck auf Andersdenkende ausüben, sie sozial ächten und isolieren, sie zur Person non-grata erklâren.
      Die betroffene Person kann sich dagegen nicht wehren, die PNR schaut zu, die Stasi sowieso. Zur Not wird auch schon mal ein Bus zur Verfügung gestellt, un diese Leute heranzukarren. Und in Kuba selbst erzählt man, dass es schon auch mal Lebensmittelbeutel zur Belohnung gibt.
      Dir, Thomas, täten vor allem mal ein paar gute Bücher gut, damit du vielleicht doch noch mal in deinem Leben lernst, sinnvolle politische Unterscheidungen zu treffen. Im Augenblick ist es die kubanische Regierung, die sich totalitär und faschistoid geriert. Die jungen Leute fordern nur ihre Rechte, die von Kuba mit der Konvention für Menschenrechte unterzeichnet wurden.

  2. Ich liebe Kuba. Sobald ich in Rente bin werde ich mich hauptsächlich dort aufhalten. Und sollte der Schurkenstaat im Norden mal wieder einmarschieren wollen werde ich mich zur Fremdenlegion melden, sofern das möglich ist.
    Viva Fidel, Viva la Revolución, Viva Cuba!
    p.s.
    Die gekauften Volksverräter sollte Kuba nach Haiti ausfliegen.

      1. Hach, es ist so schön einfach, sich dieser unterkomplexen und entmenschlichenden Worthülsen zu bedienen. Während man sich mit „Kritikern“ noch irgendwie auseinandersetzen und auf ihre Argumente eingehen muss, kann man sich das bei „Kontras“ gleich von vornherein sparen, „da ist die Welt doch gleich für alle klar“, nicht wahr? Hach, die Welt ist so schön simpel. Man kaufe sich einen Stempel und kloppe ihn auf jeden, der „nicht mein Liedchen singt“!

        1. Du kannst auch nach Kuba auswandern. Ich bitte dich aber auf die von den USA besetzte Zone Guantanamo zu tun. Dort hast du deine „Freiheit und Demokratie“.

          1. Du hättest auch irgendwas Konstruktives schreiben können. Ich wüsste nicht, was ich dort sollte. Ich unterstütze lieber meine kubanischen Freunde auf der Insel, die in ihrem Land Entwicklung und echte Demokratie möglich machen wollen, anstatt ein verlogenes Siechtum zu konservieren.

          1. Die so genannte „Junge Welt“ hat mit Journalismus nicht sehr viel zu tun, schon gar nicht in Bezug auf Kuba. Ein guter Journalist macht sich abseits von Meinungsartikeln mit einer Sache idealerweise niemals gemein, sondern stellt dar, was ist. Die „Junge Welt“ hingegen erklärt sich bedingungslos bei der „Unterstützung des Landes“ und meint damit aber effektiv die Ideologie der kommunistischen Partei, die damit verwobene Regierungsdynastie und quasi auch die Diktatur und die, die sich ihr als konformistisch erklären. Und das sind immer weniger Kubaner.
            Die Junge Welt hat einen grundsätzlichen Interessenkonflikt und trägt ein fundamentales Glaubwürdigkeitsproblem in sich, wie das im Grunde alle Akteure im so genannten Netzwerk Cuba haben. Die „Junge Welt“ proklamiert sich als „Medium“, das „informieren will“, betreibt aber im Wesentlichen distanzlose Propganda, indem sie die Gebetsmühlen, Phrasen und Parolen der kubanischen Regierung streckenweise 1:1 übernimmt, ohne sich mit den Argumenten zu befassen, die ihr kritisch entgegen stehen und ohne die evidente Repressionslage zu reflektieren. Da klingt es schon fast folgerichtig, dass im gleichen Verlag die deutsche Ausgabe der Granma erscheint und, dass diese durch die Junge Welt selbst vermarktet und empfohlen wird. Dass Volker Hermsdorf in seinem Leben noch mal zur Besinnung kommt um vom längst überschrittenen Maß an tendenziöser Berichterstattung hin zum agitierenden Propagandismus die Finger lässt, glaubt wirklich niemand. Dass er in seinem Leben noch mal eine Recherchelinie in die Reihen der vom Staat systematisch marginalisierten, unter Repressionsdruck gesetzten und öffentlich diffamierten jungen Leute und Künstler aufbaut und sich tatsächlich mit ihren validen Argumenten auseinandersetzt, ist von ihm als Überzeugungstäter nicht zu erwarten. Einen Journalisten zeichnet nicht aus, dass er einen Stift halten oder eine Tastatur bedienen kann, sondern, dass er die Gemengelage näherungsweise richtig darstellt. Davon ist Hermsdorf mit der „Jungen Welt“ Universen entfernt, eine Sicht „out-of-the-box“ findet im Grunde nie statt, der Journalist macht sich erkennbar mit dem Regime gemein und vorverurteilt Menschen, mit denen er sich noch nie im Leben auseinandergesetzt hat, weil ihnen irgendwer irgendwann Kraft seiner usurpierten totalitären Macht ein Etikett aufgedrückt hat, gegen das sich die Betroffenen nicht einmal wehren können.
            Hermsdorf und die „Junge Welt“ sind eigentlich ein profunder Fall für den Deutschen Presserat.
            Wer glaubt, die Junge Welt würde Journalismus zum Thema Kuba betreiben, der lässt wahrscheinlich auch den Dackel die Wursttheke bewachen.
            Dein Urteil „vernünftig analysiert“ basiert im Grunde nur auf der gefühlten Nähe zu deiner Weltanschauung, weil du deine Meinung als „vernünftig“ empfindest. Das ist kurios, da ich hier von dir bisher nichts Vernünftiges finden konnte.

          2. auch @Urs:
            Sorry, aber während meines Aufenthaltes auf Kuba von 2017 bis 2019 habe ich (allerdings unvermittelt durch irgendwelche Institutionen, staatliche Stellen oder NGOs) praktisch nur Kubaner*innen getroffen, die über eine derartige blindwütige und sozialistischreligiöse Haltung von Ausländern, insbesondere Deutschen, nachsichtig und irgendwie mitleidig lächeln. Und ich habe viele getroffen, dabei nur im Privatbereich. Ich hatte den Eindruck, dass dieses von enthusiastischen Anhängern im Ausland zelebrierte Bejubeln des Systems, das die meisten Kubaner*innen zwar kritisch, aber auch bis zu einer bestimmten Grenze loyal sehen, ihnen eher peinlich ist.
            Kommt bitte in der Realität an. Fahrt nach Kuba, sprecht und lebt mit normalen Menschen. Fragt sie selbst, was sie denken und wollen.
            Und bezieht eure Meinung nicht aus drittklassigen Propagandamedien, die bestenfalls einseitige, tendenziöse und selektive Informationen bieten.

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