28. März 2024

Energiekrise: Licht am Ende des Tunnels

Die kritische Lage der Stromversorgung auf Kuba könnte sich in den kommenden Monaten langsam entspannen. Wie Energieminister Liván Arronte Cruz am Mittwoch in einer Sondersendung zur Lage des Sektors ankündigte, sollen bis Dezember durch Wartungsarbeiten und Investitionen rund 1000 Megawatt hinzugewonnen werden. Damit wäre der Strombedarf auch zur Spitzenlast wieder gedeckt. Eine wichtige Rolle spielen dabei sogenannte schwimmende Kraftwerksschiffe, welche das Land bereits seit 2019 zur Verstärkung der Grundlast nutzt.

Havarieserie mit Folgen

Ausgebrannter Kraftwerksblock der „Felton“ in Holguín (Quelle: Cubadebate)

Seit Mai hat Kuba mit mehrstündigen Stromabschaltungen („apagones“) und Benzinknappheit zu kämpfen. Diese dauern in einigen Provinzen bis zu 12 Stunden pro Tag an, was immer wieder zu nächtlichen Protesten in den betroffenen Gemeinden führt. Hauptursache sind eine Reihe von Havarien in Folge des schlechten Zustand der im Schnitt über 35 Jahre alten Schwerölkraftwerke. Deren Wartungszyklen mussten aufgrund des Devisenmangels der letzten Jahre massiv gestreckt werden. Zeitweise erreichte das tägliche Erzeugungsdefizit Werte von bis zu 1100 Megawatt, was rund 40 Prozent des nationalen Bedarfs entspricht. Zuletzt hatten sich die Ausstände bei rund 700 Megawatt eingependelt. Die mit Hochdruck laufenden Wartungsarbeiten der havarierten Kraftwerke scheinen indes gut voranzukommen. „Bis zum Ende des Jahres werden 489 Megawatt an Kraftwerksleistung wiederhergestellt werden, während 531 weitere Megawatt durch Investitionen hinzukommen“, kündigte Arronte Cruz an. Damit soll am Jahresende die Nachfrage wieder vollständig bedient werden können.

Eines der Hauptprobleme für die Energieversorgung stellt augenblicklich die Havarie der „Felton“ in Holguín dar. Am 8. Juli ereignete sich in dem Kraftwerk kurz nach dem Ende von Wartungsarbeiten ein Brand, womit seitdem ein zusätzliches Defizit von 230 Megawatt entstanden ist. Dabei wurde eine nagelneue Turbine beschädigt, die inzwischen „dank des Technologietransfers einiger befreundeter Länder“ in Havanna repariert wird. Zuvor hatte am 7. März eine Havarie in der „Térmoelectrica Mariel“ im Westen des Landes zum Verlust von 170 Megawatt geführt. Beide Ereignisse hätten die Pläne für eine sichere Stromversorgung in den verbrauchsintensiven Sommermonate zunichte gemacht, so der Minister.

„Die Wiederherstellung von Kraftwerksblöcken geht nicht von heute auf Morgen, sie benötigt Zeit“, sagt Arronte Cruz. Die Einfuhr von Ersatzteilen könne zwischen sechs und zehn Monate dauern, weshalb die Reparaturen nur mit entsprechender Verzögerung beginnen können. Inzwischen sei jedoch die Finanzierung wichtiger Vorhaben gewährleistet und es liefen Gespräche, um die Lieferung von Ersatzteilen zu beschleunigen. Trotz der angespannten Situation werde es in den kommenden Monaten Lösungen für die Stromversorgung geben, versicherte der Minister.

Schwimmende Kraftwerke, Generatoren und Solarzellen

Ab Dezember wird Kuba weitere 240 Megawatt über schwimmende Kraftwerke beziehen (Quelle: Twitter)

Insgesamt sind auf Kuba 6558 Megawatt an Kraftwerksleistung installiert, von denen aktuell allerdings nur 38 Prozent genutzt werden können. Um die ausgegebenen Ziele zu erreichen, macht die Insel jetzt Teile dieser Reserven wieder flott. So können durch den Abschluss der Wartungsarbeiten in Nuevitas und Mariel seit kurzem wieder weitere 125 Megwatt ins Netz eingespeist werden. Bis Dezember sollen drei weitere Kraftwerksblöcke in Cienfuegos und Santiago de Cuba aus der Wartung kommen. Auch die 1988 errichtete „Antonio Guiteras“ in Matanzas, Kubas modernstes und leistungsfähigstes Kraftwerk, wird einer Revision unterzogen. Damit soll ihre Leistung von aktuell 210 auf 270 Megawatt ansteigen. Ein weiterer Schritt ist die Überholung der kleineren Diesel- und Ölkraftwerke, die zwischen 2005 und 2009 im Rahmen der „Energierevolution“ errichtet worden sind. Die von der MTU Friedrichshafen produzierten Generatorengruppen sind mangels Ersatzteilen augenblicklich nur zu zwei Dritteln einsatzbereit. Durch eine Instandsetzung der 339 defekten Einheiten sollen bis Jahresende 200 Megawatt an Kapazität geschaffen werden. Darüber hinaus wird derzeit mit ausländischen Partnern an der Überholung zweier Ölkraftwerke gearbeitet. Eines davon ist Teil der Nickelmine in Moa, das andere befindet sich in Mariel. Beide zusammen sollen noch dieses Jahr mit 276 Megawatt ans Netz gehen. „Wir werden konstant über den Fortschritt der Arbeiten informieren, damit die Bevölkerung jederzeit über die Umsetzung im Bilde ist“, kündigte der stellvertretende Direktor des Stromversorgers Unión Eléctrica, Omar Ramírez Mendoza, an. Für zusätzliche Wartungsvorhaben bestehender Anlagen in Höhe von 110 Millionen US-Dollar werden noch ausländische Partner gesucht.

Ein weiterer großer Effekt soll mit der Buchung neuer Kraftwerksschiffe des türkischen Anbieters Karpowership erzielt werden. Aktuell bezieht die Insel 330 Megawatt oder rund 15 Prozent ihres Strombedarfs über fünf schwimmende Erzeuger in den Buchten von Havanna, Mariel und Santiago de Cuba. Ende Dezember sollen weitere 240 Megawatt hinzukommen.

Auch der Ausbau erneuerbarer Energien soll an Fahrt gewinnen. Seit 2021 können Solarpaneele zollfrei eingeführt werden, Direktinvestitionen in dem Bereich genießen verschiedene Steuervorteile. Betriebe haben inzwischen die Möglichkeit, Solarzellen direkt einzuführen, anstatt wie bisher auf Genehmigung warten zu müssen. Drei Investitionsvorhanden mit ausländischem Kapital auf dem Gebiet der Erneuerbaren sollen bis zum ersten Quartal 2023 ans Netz gehen, wobei noch keine Details über den Umfang bekannt sind. Der Verkauf von Solaranlagen an Privatpersonen ist zwar umgesetzt, die Verfügbarkeit in der Praxis allerdings schlecht. Dies soll sich in Zukunft durch die Ansiedelung ausländischer Handelsunternehmen in diesem Bereich ändern.

Wieder mehr Treibstoff im Land

Bei dem Brand des Treibstofflagers in Matanzas wurden vier von acht Tanks völlig zerstört (Quelle: Cubadebate)

Gute Neuigkeiten gab es zuletzt auch bei der Brennstoffversorgung: Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, haben Kuba in den vergangenen zwei Wochen mehr als drei Millionen Barrel Rohöl und Kraftstoff aus Russland, Venezuela und anderen Ländern erreicht, womit die Lieferungen auf üppige 230.000 Barrel pro Tag aufgestockt worden sind. Der kubanische Tanker „Petion“ soll bis Ende des Monats weitere 200.000 Barrel aus Venezuela einschiffen. Die unmittelbaren Verluste durch den Brand im Treibstofflager von Matanzas Mitte des Monats konnten damit ausgeglichen werden. Derzeit wird die Treibstoffbasis von Spezialisten überprüft. Bis die zerstörten Anlagen wieder aufgebaut sind, dürfte noch einige Zeit ins Land gehen. In der Zwischenzeit setzt Kuba notgedrungen auf teure schwimmende Lagerung und Schiff-zu-Schiff-Transfers in der Bucht.

„Wir gehen davon aus, dass wir mit dieser Strategie bis Ende 2022 eine Erzeugungskapazität über der prognostizierten Nachfrage verfügen werden, auch wenn die Reserven dann noch immer nicht ausreichen werden um unvorhergesehene Ausfälle zu kompensieren“, so der Minister. Die Bevölkerung ist aufgerufen, weiterhin so viel Energie wie möglich einzusparen.

Teilen:

4 Gedanken zu “Energiekrise: Licht am Ende des Tunnels

  1. An anderer Stelle durfte ich lesen, „es könnte auch der entgegenkommende Zug sein“.
    Manchmal hofft man fast, dass es so wäre, denn für Optimismus unter diesem Regime gibt es keinerlei Gründe, so geht es einfach nicht weiter und alles erscheint besser als das, was in Kuba gerade passiert oder nicht passiert. Die nächsten Fails und Unterlassungen werden nur weitere Defizite und Schulden anhäufen und die Schieflage verstärken. Steigende Tourismuszahlen könne das vielleicht dämpfen, mehr aber nicht.

    Der Verschleiß der Kraftwerkseinheiten ist dramatisch und Experten nennen die Versprechungen „illusorisch“. Was soll der Staat auch sonst anderes verlautbaren lassen, die Unruhe über eine ehrliche Bestandsaufnahme könnte die nationale Sicherheit gefährden. Also hangelt man sich lieber von einer verharmlosenden Perspektive zur nächsten.

    1. „Trotz der angespannten Situation werde es in den kommenden Monaten Lösungen für die Stromversorgung geben, versicherte der Minister.“

      Diesen Stuss glaubt sowieso kein Mensch mehr dem Herrn Minister. Täglich 10 Stunden Stromausfall ist eine Bankrotterklärung der Diktatur. Abgesehen von den vielen anderen Miseren bekommen die nicht mal eine ordentliche Stromversorgung hin aufgrund ihrer Schluderwirtschaft.

  2. Sicher ist die Lage sehr angespannt, wie in vielen anderen Ländern des Globalen Südens auch. Und das wird sicher auch nicht so schnell einfacher und besser angesichts der weltweiten Krisen, unter denen diese Länder am meisten zu leiden haben.
    In diesem Beitrag und in den kubanischen Medien wird m. E. eine recht kritische Bestandsaufnahme gemacht. Es wird auch darauf hingewiesen, dass, selbst wenn alles wie geplant umgesetzt werden kann, immer noch große Risiken für die Versorgungssicherheit bestehen bleiben werden. Sicher ist hier auch eine große Portion „Zweckoptimismus“ dabei.
    Es ist aber schon erstaunlich, mit welcher Arroganz und Selbstgerechtigkeit hier immer wieder, meist von den gleichen „Kommentatoren“, die das alles wahrscheinlich aus ihrer Wohlfühlzone heraus betrachten, Häme und Hass über dieses Land ausgekübelt werden.

    1. Ich erkenne nur Relativismus in der Aussage und vor allem die Arroganz der Revolutionsanhänger, die unter „Kuba-Liebe“ (natürlich in Anführungsstrichen) eigentlich die Unterstützung eines totalitären Regimes und ihrer Anhänger verstehen.
      Ich kenne deine Kriterien von „Hass“ nicht. Ich bin jedenfalls MIT den Menschen, die einfach nur ein Leben haben wollten und weiterhin danach suchen, um es zu gestalten und die nie bereit waren, dieses Leben für eine ideologisch spinnerte und x-fach gescheiterte Ideologie zu opfern, die mangels wirtschaftlicher Kompetenz den Karren immer nur noch weiter in den Dreck zieht. Und das ist mit anderen Ländern überhaupt nicht zu vergleichen.
      Ich jedenfalls empfinde eine tiefe Ablehnung gegen eine Diktatur, die Situationen wie diese überhaupt erst bedingt und Menschen daran hindert, sich an konstruktiven Lösungen zu beteiligen.
      Ich muss im übertragenen Sinn kein Käfighuhn sein, um erkennen zu können, dass Käfighaltung scheiße ist. Und es macht mich auch nicht arrogant, wenn ich das aus meiner Komfortzone heraus festzustelle.
      Ein Staat, der nicht wirtschaften kann, weil er den eigenen Dogmen nicht entrinnen kann, ist zum Scheitern verurteilt. Erst recht, wenn Widerspruch und Veränderung von innen unmöglich gemacht wird.
      Ich habe Freunde in Kuba und ALLE wollen sie einfach nur weg. Besser heute noch, als morgen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert