Die kubanische Nationalversammlung hat vergangene Woche den Entwurf eines neuen Migrations- und Ausländerrechts („Ley de Migración“ und „Ley de Extranjería“) veröffentlicht. Am Montag folgte der vorläufige Text eines neuen Staatsbürgerschaftsgesetzes („Ley de Ciudadanía“). Die Gesetzesvorhaben sollen am 17. Juli, auf der kommenden Sommersitzung des kubanischen Parlaments, im Rahmen der Umsetzung der 2019 verabschiedeten neuen Verfassung beschlossen werden. Doch vorher gibt es Diskussionen, denn nicht alle der geplanten Neuerungen stoßen auf Begeisterung.
Die Gesetzesinitiative zielt nach Angaben des kubanischen Parlaments darauf ab, „die geltenden Verfassungsbestimmungen in diesem Bereich weiterzuentwickeln“ und „die Beziehungen zwischen dem kubanischen Staat und seinen Bürgern in der Rechtsordnung zu stärken“. Nicht zuletzt soll damit auf die anhaltende Auswanderung reagiert werden. Die bisherigen Gesetze stammen (mit einigen Änderungen) noch aus den 1970er Jahren. Für die Novellierung seien sowohl gängige internationale Normen, als auch Erfahrungen anderer Länder herangezogen worden, berichten kubanische Medien.
Wesentliche Änderungen gibt es in Bezug auf den Erwerb und Verlust der kubanischen Staatsangehörigkeit. In den insgesamt acht Titeln, 17 Kapiteln, 11 Abschnitten und 114 Artikeln legt der Entwurf des neuen Staatsbürgerschaftsgesetzes fest, wie diese entweder durch Geburt oder durch Einbürgerung erworben wird. Die zweite Variante öffnet Ausländern, die sich als Kubaner einbürgern lassen wollen, erstmals die Tür, sofern sie die im Gesetz festgelegten Anforderungen und Formalitäten erfüllen. So können Ausländer künftig grundsätzlich volle Staatsbürger (ciudadano) werden, wenn sie seit mindestens fünf Jahren mit permanentem Aufenthaltsrecht (residencia permanente) in Kuba wohnhaft sind. Der Erwerb der residencia permanente wiederum soll einem deutlich breiteren Personenkreis als derzeit möglich sein. Bislang steht die residencia permanente jenen offen, die mit einem kubanischen Bürger verheiratet oder als Wissenschaftler, Sportler oder Künstler „mit internationalem Ansehen“ für den Staat tätig sind. Künftig können auch „Ausländer oder junge ausländische Familien, die über eine berufliche Qualifikation und wirtschaftliche Solvenz verfügen, die es ihnen ermöglicht, sich im Land niederzulassen“ sowie Personen, die mit „eigenem Kapital an Projekten mit ausländischer Beteiligung sowohl im Staats- als auch im Privatsektor tätig sind“, das permanente Aufenthaltsrecht und später die Staatsbürgerschaft erlangen. Auch Personen mit „nachgewiesener anerkannter Berufsqualifikation“ oder nicht näher definiertem „bedeutendem Vermögen“ kämen in Zukunft dafür in Frage.
Mit der Vollbürgerschaft ist im Unterschied zum permanenten Aufenthaltsrecht das aktive und passive Wahlrecht verbunden. Eingebürgerte Ausländer könnten mit Ausnahme des Präsidentenamts (das gebürtigen Kubanern vorbehalten ist) für sämtliche politischen Ämter kandidieren und Mitglieder der Kommunistischen Partei und anderer Organisationen werden. Auch in allen anderen Belangen wären sie in Kuba geborenen Bürgern gleichgestellt. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung sind hoch, mit ihr Verbunden ist jedoch ein gewisser Schutzstatus im Aufenthaltsrecht und des Eigentums. Ausländer (auch jene mit permanenter Aufenthaltserlaubnis) können hingegen wie bisher auch beim Verstoß gegen die Gesetze vergleichsweise einfach durch das Innenministerium zeitweise oder permanent des Landes verwiesen werden. Als explizite Gründe werden im Gesetz beispielsweise der Konsum illegaler Drogen, politische Delikte, rassistische Ausfälle, häusliche Gewalt oder wiederholtes aggressives Verhalten genannt – eingebürgerte Ausländer dürften andererseits in diesen Fällen auch dann die volle Härte der kubanischen Gerichte zu spüren bekommen, wenn sie eine Ausbürgerung vorziehen würden. Entsprechende Konflikte mit Doppelstaatlern könnten, wie in anderen Ländern auch, Fälle für die diplomatischen Vertretungen werden.
Wie in der Verfassung von 2019 geregelt, bedeutet „der Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit“ weiterhin „nicht den Verlust der kubanischen Staatsangehörigkeit“. Unverändert bleibt auch, dass Kubaner – auf Grundlage des Prinzips der effektiven Staatsbürgerschaft – während sie sich im Land aufhalten, ihrem Status als Bürger der Insel unterliegen und „keine ausländische Staatsangehörigkeit in Anspruch nehmen können.“ Wer seine Staatsbürgerschaft jedoch aufgegeben hat (siehe unten), wird künftig „als Ausländer betrachtet werden und folglich den Bestimmungen dieses Gesetzes, des Ausländergesetzes und der entsprechenden Vorschriften unterliegen.“
Auch können sich Kubaner künftig länger als 24 Monate am Stück im Ausland aufhalten, ohne den Verlust ihres Aufenthaltstitels fürchten zu müssen. Neu eingeführt wurde die Kategorie des tatsächlichen Migrationsaufenthalts (residencia efectiva migratoria), mit der sämtliche Rechte und Pflichten einhergehen. Wer sich dafür qualifizieren will, muss grundsätzlich „den größten Teil“ eines Kalenderjahres in Kuba verbringen. Der Status kann jedoch auch „durch eine Kombination aus einer Aufenthaltsdauer und anderen materiellen Nachweisen der Verwurzelung im Land“ erreicht werden. Wie dies in der Praxis aussehen könnte, ist derzeit allerdings noch unklar. Das Thema Eigentum ist explizit nicht Gegenstand der Gesetze. Genauere Bestimmungen würden nach Verabschiedung der Migrationsreform geliefert werden, erklärten Vertreter des kubanischen Innnenministeriums. „Niemand verliert sein Haus, niemand verliert sein Auto, sein Eigentum, weil er im Ausland wohnt“, versicherte ein Sprecher des Ministeriums. Dies gelte auch für jene, die keine residencia efectiva migratoria anstreben. Der Status „ausgewandert“ (emigrado) soll abgeschafft werden, stattdessen greift dann der neue Status „im Ausland wohnhaft“ (residente en el exterior). Der Gesetzentwurf sieht zudem für Auslandskubaner eine neue Kategorie als „Investoren und Geschäftsleute“ (lnversores y de Negocios) vor.
Der Entwurf des Staatsbürgerschaftsgesetzes führt erstmals die Möglichkeit ein, die kubanische Staatsbürgerschaft aufzugeben, was bereits im Entwurf des neuen Migrationsgesetzes erwähnt wurde. Personen, die dies wünschen, müssen mindestens 18 Jahre alt sein, dürfen keine Schulden gegenüber dem kubanischen Staat haben und zum Zeitpunkt des Antrags keine Haftstrafe verbüßen. Die Staatsbürgerschaft kann darüber hinaus auch „aus gesetzlich festgelegten Gründen“ entzogen werden. Die Hürden dafür sind allerdings hoch. Als mögliche Gründe nennt der Gesetzentwurf „die Beteiligung an einer bewaffneten Organisation mit dem Ziel, die territoriale Integrität des kubanischen Staates, seiner Bürger und anderer im Land ansässiger Personen anzugreifen“. Außerdem genannt werden „Handlungen, die den übergeordneten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Republik Kuba zuwiderlaufen, wenn die zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde dies so bewertet“. Dass der Präsident in einigen Fällen per Dekret nicht nur Ausländer einbürgern, sondern auch Kubanern die Staatsangehörigkeit entziehen kann, wurde in ersten Reaktionen von Kommentatoren stark kritisiert.
Der Entwurf führt darüber hinaus auch eine „einmalige“ Möglichkeit zur Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft ein. Dazu müssen die im Gesetz festgelegten Anforderungen und Formalitäten eingehalten werden. Desweiteren sollen nicht nur Kinder von im Ausland lebenden Kubanern die kubanische Staatsbürgerschaft erlangen können, sondern auch deren Enkel.
Zuletzt hatte Kuba 2013 eine größere Reform der Migrationsgesetze durchgeführt. Damals wurde zur Freude vieler Kubaner die Genehmigung eines Ausreiseantrags als Bedingung für Auslandsreisen abgeschafft, seitdem reicht wie international üblich der Reisepass samt Visum des Ziellandes. Viele Länder haben daraufhin ihre Visaanforderungen für Kubaner verschärft. Im Mai 2023 wurde schließlich auch die Gültigkeitsdauer des kubanischen Passes von sechs auf zehn Jahre angehoben und die bis dato alle zwei Jahre obligatorische kostenpflichtige Verlängerung abgeschafft.
Nach seiner Verabschiedung soll das Staatsbürgerschaftsgesetz innerhalb von 180 Tagen in Kraft treten. Neben der Änderung der Migrations- und Staatsbürgerschaftspolitik stehen auf der kommenden Parlamentssitzung auch neue Gesetze über Transparenz und Zugang zu öffentlichen Informationen, zum Verwaltungsverfahren und zum System der Ehrentitel und Orden der Republik Kuba auf der Agenda, deren Entwürfe ebenfalls vor kurzem veröffentlicht worden sind.
Kubas Nationalversammlung hat die Bevölkerung dazu aufgerufen, Meinungen und Vorschläge zu den Gesetzesprojekten per eMail oder telefonisch an die entsprechende Arbeitsgruppe des Parlaments weiterzugeben.
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