13. Oktober 2024

Wie Kuba der Energiekrise entkommen will

Der Mangel an Strom hält Bevölkerung und Wirtschaft auf Kuba seit mittlerweile vier Jahren im konstanten Würgegriff. Ausgerechnet während gerade in Havanna eine Messe zu erneuerbaren Energien stattfindet, ist die Situation wieder besonders kritisch: Für den gestrigen Mittwoch bezifferte der nationale Energieversorger Unión Eléctrica das Erzeugungsdefizit auf 1390 Megawatt. Wie will Kuba der Krise begegnen?

Weite Teile des Landes im Dunkeln

Zunächst einmal zur aktuellen Lage: Ab hohen dreistelligen Defiziten ist die Energiesituation bereits kritisch. Der jüngste Wert heißt übersetzt, dass nur 60 Prozent des Spitzenbedarfs von 3250 Megawatt gedeckt werden können. Bei solchen vierstelligen Defiziten sind entsprechend weite Teile des Landes im Dunkeln bzw. haben mit lang anhaltenden täglichen Stromabschaltungen zu kämpfen, während die Industrie größtenteils stillsteht.

Ursache für die angespannte Situation ist die Kombination aus dem schlechten technischen Zustand der Kraftwerke (die ihre vorgesehene Betriebsdauer seit Jahren überschritten haben, weswegen einige havariert sind) sowie dem Mangel an Treibstoff aufgrund der angespannten Haushaltslage. Die wiederum ist sowohl Folge der anhaltenden US-Sanktionen, als auch der langsamen Erholung des Tourismus, ungenügenden Reformen, Missmanagement und der daraus resultierenden multidimensionalen Krise, in der sich Kuba seit etwa 2020 befindet.

„Erhebliche Probleme“

Zuletzt gab Energieminister Vicente de la O Levy Anfang des Monats im Rahmen einer Sondersendung einen detaillierten Überblick über die aktuelle Lage. Demnach konnten die wichtigsten geplanten Wartungsarbeiten im ersten Halbjahr trotz begrenzter Ressourcen durchgeführt werden – allerdings gab es „erhebliche Probleme“ bei der Verfügbarkeit von Brennstoffen, so O Levy. Anders als noch vor einigen Jahren verfüge das Land heute nicht mehr über die Kapazität, günstiges Rohöl einzukaufen und vor Ort zu raffinieren. Der Betrieb der dezentralen Generatoreinheiten, mit denen die Rohöl-Großkraftwerke aus sowjetischer Zeit unterstützt werden, ist daher im benötigten Umfang schlichtweg nicht leistbar.

Und auch die Wartungsmaßnahmen könnten O Levy zu Folge die Probleme nicht grundsätzlich lösen: „Ein 100 MW-Block erzeugt heute nur noch zwischen 70 und 80 MW. Die Summe all dieser Defizite liegt in der Größenordnung von 400 MW, bedingt durch die Betriebsjahre und den Mangel an Ersatzteilen. Die Wartung, die wir durchführen, dient dazu, sie [die Kraftwerke] ‚am Leben zu erhalten‘, aber wir bringen sie nicht wieder auf null Kilometer, wie der Volksmund sagt“, erklärte der Minister. Zuletzt gab es Ausfälle in den Kraftwerken Felton und Céspedes in den Provinzen Holguín und Cienfuegos. Hinzu kam der Ausfall der Hydraulikpumpe im 1988 errichteten Kraftwerk Guiteras in Matanzas, dem jüngsten und leistungsfähigsten des Landes.

400 solare Megawatt bis Jahresende?

Eine kurzfristige Lösung besteht O Levy zu Folge im Ausbau der dezentralen Generatoren. Hier erhielt Kuba zuletzt Unterstützung aus dem befreundeten China, das 10 Generatoren mit einer Leistung von 18 Megawatt spendete. Weiterhin sei der limitierende Faktor jedoch die Verfügbarkeit von Brennstoffen wie Diesel. Laut dem Minister verbraucht Kuba heute acht Millionen Tonnen Treibstoff, drei Millionen Tonnen könnten dabei im Land selbst produziert werden. „Den Rest des Treibstoffs hatten wir uns auf verschiedene Weise gesichert (Allianzen, Vereinbarungen, langfristige Lieferungen, Finanzierung), aber heute haben wir diese Möglichkeit nicht mehr, weshalb wir die fehlenden fünf Millionen Tonnen auf dem Weltmarkt zukaufen müssen“, sagte O Levy.

Die einzig nachhaltige Lösung für Kuba bestehe daher im massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, allen voran die verhältnismäßig günstige und schnell installierbare Photovoltaik. Kuba plant im Rahmen dieser Strategie bis zum Jahr 2028 insgesamt 92 neue Parks mit 2000 Megawatt an Solarleistung zu errichten – derzeit liegt der Anteil der Erneuerbaren bei weniger als fünf Prozent. Wie die Parteizeitung Granma berichtet, seien in den vergangenen Tagen die Komponenten für die ersten beiden Großparks mit je 21 Megawatt auf der Insel eingetroffen. Ab sofort sollen „jede Woche wichtige neue Lieferungen“ die Insel erreichen, so dass bis Jahresende die ersten 400 Megawatt fertig installiert sind. Ob dies gelingt, bleibt abzuwarten. Über Finanzierung und Partner des Projekts hüllt sich das Energieministerium bislang in Schweigen.

Auch für Privatpersonen und Unternehmen haben sich die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren im Bereich der Erneuerbaren verbessert – wenn auch reichlich spät, wie manche Beobachter meinen. 2021 wurden die Zölle für die private Einfuhr von Solarpaneelen abgeschafft, der Verkauf an die Bevölkerung gestartet und eine rudimentäre Einspeisevergütung eingeführt. Investoren genießen im Bereich der erneuerbaren Energien steuerliche Vergünstigungen. Und auch bei der jüngsten Reform der Privatsektorgesetze haben in einigen Bereichen zwar Beschränkungen angezogen, bei den erneuerbaren Energien gab es jedoch Lockerungen: Privatbetriebe dürfen jetzt nicht nur Strom aus Erneuerbaren erzeugen, sondern auch an den Staat und andere Gewerbe verkaufen sowie Ladestationen für Elektrofahrzeuge anbieten.

O Levy zeigte sich jedenfalls zuversichtlich, dass Kuba aufgrund des Solarprogramms bis 2025 erstmals für eine Minute keinen importierten Brennstoff mehr verbrauchen muss, was eine spürbare Verbesserung in Bezug auf das Erzeugungsdefizit mit sich brächte. Daraus sollen in den Folgejahren Stunden, Tage und Wochen energetischer Souveränität werden – ein erster Schritt auf einem langen und steinigen Weg, der von Kuba jedoch als einzig sicherer Weg aus der Energiekrise gesehen wird.

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