Kubas Regierung will den Großhandel des Landes einer „Neuordnung“ unterziehen. Am Donnerstag erschien hierzu ein entsprechendes Gesetzesdekret, mit dem Einschränkungen für den Privatsektor einhergehen. So müssen sich Privatunternehmen künftig mit staatlichen Akteuren zusammentun, um weiterhin im Großhandel aktiv zu sein.
Großhandel nur noch über den Staat
Die „Resolution 56“ ist Teil des laufenden Programms zur „Korrektur von Verzerrungen“ und „Aktualisierung“ der Rahmenbedingungen des Privatsektors, dessen bislang größte Neuerungen Ende September in Kraft getreten sind (Cubaheute berichtete).
Im Rahmen des neuen Gesetzes wird die Großhandelstätigkeit für private Akteure eingeschränkt. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Produktions- und Dienstleistungskooperativen können diese jetzt nicht mehr als primäres Geschäftsziel verfolgen, Selbstständige überhaupt nicht mehr. Eine Ausnahme ist der Verkauf von Produkten aus eigener Herstellung – diese können weiterhin eigenständig im Großhandel vermarktet werden. Auch der private Einzelhandel bleibt möglich.
Nur lizenzierte Großhändler dürfen in Kuba Warenverkäufe „von Firma zu Firma“ (B2B) mit ordentlicher Rechnung durchführen.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes – was direkt am Tag der Veröffentlichung, also am 5. Dezember erfolgt ist – haben betroffene KMU und Kooperativen 90 Tage Zeit, um beim Handelsregister zu bestätigen, dass sie ihre Großhandelstätigkeit gemeinsam mit einem staatlichen Akteur fortsetzen werden. Unternehmen, die dies nicht tun, müssen ihre Lagerbestände innerhalb von 120 Tagen abverkaufen und können hiernach weiterhin im Einzelhandel tätig sein.
Rekapitalisierung der Staatsunternehmen
Wie das staatliche Nachrichtenportal Cubadebate berichtet, soll das Gesetz die „Kooperation zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren“ fördern. Letztere könnten dabei von der Infrastruktur und Logistik des Staatssektors profitieren.
Die Idee hinter dem Gesetz ist, den staatlichen Unternehmenssektor durch direkte Beteiligung am profitablen Großhandel zu kapitalisieren und gleichzeitig marktwirtschaftliche Mechanismen im Staatssektor zur Anwendung zu bringen. Der Schritt kann daher auch als eine mögliche Vorstufe zur angekündigten (und immer wieder verschobenen) Unternehmensreform gedeutet werden, mit dem der Staatssektor in eine bessere Ausgangslage gebracht wird.
Auch ausländische Investoren, von denen einige ankündigten, ihre Präsenz im Großhandel zu erweitern bzw. zu eröffnen, dürften von der Re-Zentralisierung profitieren.
Ökonomen sehen den Schritt kritisch
Bei Ökonomen stießen die Maßnahmen jedoch auf Kritik. Sie befürchten, dass die Möglichkeiten zur Entwicklung der Produktivkräfte angesichts der ohnehin schon angespannten Wirtschaftslage weiter eingeschränkt wird und mehr private Unternehmen Insolvenz anmelden bzw. das Land verlassen.
„Der Staat versucht, einen Teil der Devisen zurückzugewinnen, die früher in Form von Geldsendungen ins Land kamen und die heute fehlen“, erklärt der Ökonom Tony Romero von der Universität Havanna gegenüber Cubaheute. Dadurch werde jedoch zugleich „der Handlungsspielraum und die Rentabilität des Privatsektors“ eingeschränkt – mit Folgen für die gesamte Wirtschaft.
Der sonst eher für seine zurückhaltenden Urteile bekannte ehemalige kubanische Diplomat und Analyst Carlos Alzugaray kommentierte auf X: „Es scheint, als wolle jemand Kuba direkt in den wirtschaftlichen Selbstmord führen. Tatsächlich ist dies politischer Selbstmord.“
Auch der Volkswirtschaftler Pedro Monreal sieht den Schritt kritisch und wirft zwei Fragen auf: „Wie würde eine staatlich-private Liquiditätskette für Devisen und inländische Währungen effektiv funktionieren?“. Die zweite ungeklärte Frage sei, „worauf sich die offizielle Annahme stützt, dass die angeblichen Vorteile staatlicher Intermediation (Infrastruktur, Transport usw.) ausreichen würden, um die Inflation auf einem chronisch unterversorgten Markt einzudämmen“.
Beides wird man bald herausfinden. Fest steht: Das Umfeld der kubanischen KMU dürfte im kommenden Jahr nicht einfacher werden.