Das Portal Joven Cuba veröffentlicht dieser Tage unter dem Titel „Dringende Vorschläge für die kubanische Wirtschaft“ eine Debattenserie mit Gastbeiträgen namhafter kubanischer Ökonomen in- und außerhalb der Insel. Cubaheute veröffentlicht einige ausgewählte Beiträge in deutscher Übersetzung, die einer Creative Commons-Lizenz unterliegen. Der heutige Gastautor Dr. Julio Carranza ist Doktor der Wirtschaftswissenschaften der Universität Havanna, ehemaliger stellvertretender Direktor des Zentrums für Lateinamerika-Studien (CEA) in Havanna sowie ehemaliger Berater der UNESCO für Sozial- und Geisteswissenschaften in Lateinamerika und der Karibik. Derzeit ist er ordentlicher Professor am Zentrum für kubanische Wirtschaftsstudien (CEEC) der Universität Havanna. Der Beitrag erschien erstmals am 8. Januar 2025 auf Spanisch, Hervorhebungen durch den Autor.
Renommierte Ökonomen haben bereits verschiedene Vorschläge für Veränderungen in der kubanischen Wirtschaft gemacht. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass zwischen diesen Vorschlägen ein beträchtlicher Grad an Übereinstimmung besteht; was bedeutet, dass mit dem Fortschreiten der Zeit und der Verschärfung der Krise und der Komplexität der kubanischen Wirtschaft auch der Konsens unter den Ökonomen, insbesondere unter denen, die in den akademischen Institutionen des Landes tätig sind, über die Notwendigkeit und die Art der erforderlichen Veränderungen gewachsen ist.
Ich spreche hier von der akademischen Ebene, da der Dialog auf wirtschaftspolitischer Ebene mit den Behörden einerseits und konservativeren Sektoren andererseits nach wie vor schwierig ist, auch wenn es wichtige Übereinstimmungen hinsichtlich der historischen Grundprinzipien des nationalen und revolutionären Projekts Kubas gibt, nämlich: nationale Souveränität, soziale Gerechtigkeit sowie wirtschaftliche und demokratische Entwicklung. Dennoch gibt es bemerkenswerte Meinungsverschiedenheiten darüber, wie dieses Projekt unter den gegenwärtigen nationalen und internationalen Umständen vorangebracht werden soll.
Integrale Reformen
Ein entscheidender Punkt, auf den wir immer wieder hingewiesen haben, ist der umfassende und systemische Charakter der Reformen. Heute sagen wir noch nachdrücklicher: Ohne eine solche integrale Ausrichtung ist kein Fortschritt möglich; punktuelle, isolierte und sektorale Maßnahmen haben nur eine kurze Reichweite und begrenzte Lebensdauer, wenn sie nicht sogar negative oder fragwürdige Ergebnisse zeigen.
Wie bereits mehrfach erwähnt, sind die offensichtlichsten Beispiele hierfür die Währungsreform („Ordenamiento monetario“) im Januar 2021 und zuletzt die sogenannten „Bankarisierungsmaßnahmen“. Beide haben wir kritisch betrachtet, nicht wegen ihrer Ziele, die zweifellos notwendig waren, sondern wegen Fehlern in der Abfolge, der inneren Kohärenz, der Berücksichtigung der Kontexte und der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung sowie wegen einiger Schwächen in der Konzeption selbst. Zu diesen Beispielen ließen sich auch die Maßnahmen für den Agrarsektor zählen: Für sich genommen und einzeln betrachtet sind sie nicht negativ, viele erscheinen sogar logisch, aber sie behandeln das Problem nicht ganzheitlich und nicht in seiner Essenz; entsprechend sind die Ergebnisse.
Angesichts der schwierigen Situation wurde zu Recht festgestellt, dass es wichtige und dringende Themen gibt. Wir teilen diesen Ansatz, betonen aber, dass gehandelt werden muss, und zwar so weit wie möglich unter Wahrung der Integrität und Kohärenz der Maßnahmen, auch wenn kurzfristig drängende Probleme wie die derzeitige Inflation und die soziale Krise sofort angegangen werden müssen.
Wir wurden gebeten, in diesem Text kurz zusammenzufassen, was unserer Meinung nach getan werden sollte, um einen Beitrag zur Debatte zu leisten. Aber gerade dieser Gedanke der Integrität und Systematik macht es schwierig, einfach eine Liste von Einzelmaßnahmen aufzustellen, ohne wesentliche Aspekte wie die Reihenfolge und den systemischen Charakter der Reform zu vernachlässigen, die wir seit Jahren in unseren Schriften betonen.
Unter diesem Vorbehalt versuchen wir dennoch, die aus unserer Sicht unverzichtbaren Elemente in der gebotenen Kürze zu benennen.
Notwendige Maßnahmen
Es liegt auf der Hand, dass das makroökonomische Gleichgewicht, die Kontrolle der Inflation und die Reduzierung des Haushaltsdefizits von grundlegender Bedeutung sind; es ist äußerst schwierig, eine Reform unter den gegenwärtigen Turbulenzen erfolgreich durchzuführen. Ebenso wichtig ist es, den Devisenmarkt unter Kontrolle zu bringen.
Darüber hinaus muss das Problem der Auslandsverschuldung des Landes aktiver angegangen werden, die zunehmend Druck ausübt und sowohl Handel als auch Investitionen erschwert. Verschiedene Ökonomen haben vorgeschlagen – und wir stimmen ihnen zu –, bestimmte Varianten eines Schuldentauschs gegen ausgewählte Vermögenswerte zu prüfen. Diese Entscheidung muss sorgfältig analysiert werden, aber angesichts des Ausmaßes des Problems gibt es kaum andere Optionen. Kuba sieht sich aus diesem Grund mit verschiedenen Klagen konfrontiert.
All dies steht in direktem Zusammenhang mit den beiden Kernbereichen der Reform, die wir als ihr Herzstück betrachten: zum einen die tiefgreifende Transformation des Agrarsektors, zum anderen die Reform der staatlichen Unternehmen als zentrales Element des unternehmerischen Systems des Landes.
Die landwirtschaftliche Produktion unterliegt heute veralteten Produktions- und Vermarktungsformen, die dringend reformiert werden müssen: von der Größe der privaten Produktionseinheiten – die den Großteil der Nahrungsmittel im Land erzeugen – bis hin zur Funktionsweise des sogenannten „Acopio“-Systems und des Vermarktungsmechanismus.
In der Landwirtschaft gibt es strukturelle Probleme, falsche oder fehlende Anreize und extrem niedrige Investitionen, die die Schaffung selbst minimaler Voraussetzungen für eine höhere Produktion verhindern: Wasser, Maschinen, Treibstoff, Dünger, Herbizide etc. Trotz des dramatischen Devisenmangels, der unter anderem durch die US-Blockade verschärft wurde, sind die nationalen Investitionen nach wie vor stark auf andere Sektoren wie den Tourismus konzentriert, was angesichts der anhaltenden Krise in der Nahrungsmittelproduktion zweifellos unangemessen ist. Wir haben immer betont, dass die Nahrungsmittelproduktion auch eine Frage der nationalen Sicherheit ist, was angesichts der Aussicht auf eine neue US-Regierung, die aller Wahrscheinlichkeit nach die Feindseligkeit und Aggression gegen das Land verstärken wird, noch an Bedeutung gewinnt.
Das zweite Kernstück der Reform ist die Umgestaltung der staatlichen Unternehmen, die derzeit durch Ineffizienz und äußerst geringe Rentabilität belastet sind, was nicht nur ihre Produktionsfähigkeit einschränkt, sondern auch ihren Beitrag zu den Staatseinnahmen begrenzt und damit das Defizit vergrößert, was wiederum wirksame Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung behindert.
Wir haben viel über die Reform staatlicher Unternehmen geschrieben und immer betont, dass es darum geht, sie effizienter zu machen und nicht darum, ihren öffentlichen Charakter zu beseitigen.
Plan und Markt
Die Reform des Unternehmenssektors sollte zu einer komplexen Struktur führen, die alle Aktivitäten einer modernen Wirtschaft unter verschiedenen Eigentums- und Managementformen – öffentlich, genossenschaftlich und privat – abdeckt, wobei die öffentliche Wirtschaft dominierend bleibt, aber mit einem Effizienzniveau, das es ihr erlaubt, diese Führungsrolle auch wirklich auszufüllen.
Die Unternehmen müssen echte Unternehmen sein, die auf Märkten agieren, und keine Verwaltungseinheiten, die zentralen Entscheidungen und Weisungen von Ministerien und zwischengeschalteten Einheiten wie den OSDE unterliegen, deren Notwendigkeit – von Ausnahmen abgesehen – oft nicht gerechtfertigt ist. Darüber hinaus sollten sie nicht einer bürokratischen Planung unterworfen sein, sondern diese sollte zu einer stärker finanziell und strategisch ausgerichteten Planung reformiert werden – natürlich mit einigen eng definierten Ausnahmen aufgrund besonderer Funktionen.
Das Scheitern zentralistischer, bürokratischer Planung hat sich bereits im europäischen Sozialismus deutlich gezeigt und wurde durch die erfolgreichen Erfahrungen in Vietnam und China überwunden.
Dies setzt bewusst gestaltete, transparente, regulierte und informierte Märkte voraus – einschließlich der Märkte für Produktionsmittel und der Geldmärkte – mit starken finanziellen Restriktionen, einem Unternehmensgesetz und einem Insolvenzrecht als Teil eines integrierten Gesamtsystems. Der Zugang öffentlicher Unternehmen zum Geldmarkt ist unerlässlich; die derzeitige Segmentierung und das monetäre Chaos verhindern eine koordinierte wirtschaftliche Entwicklung, ohne die Wachstum illusorisch bleibt.
Alle Marktteilnehmer, öffentliche, genossenschaftliche und private, müssen einen gleichberechtigten Zugang erhalten. Der Privatsektor braucht klare Rahmenbedingungen und notwendige Regulierungen, um geordnet und initiativ arbeiten zu können.
Wesentlich ist der richtige Einsatz der grundlegenden Instrumente der Wirtschaftspolitik. Wir haben bereits den Wechselkurs erwähnt, und dasselbe gilt für die Steuerpolitik, die Zollpolitik, die Kreditpolitik, die Industriepolitik, die Investitionspolitik und natürlich – zunehmend wichtiger – die Sozialpolitik.
Die verschiedenen Sektoren erfordern ihrerseits spezifische Entscheidungen, wie z.B. der krisengeschüttelte Energiesektor, dessen Struktur durch eine Erhöhung des Anteils alternativer Energien verändert werden muss.
Andererseits muss die immer dringlichere Reform klar definierte Etappen und Ziele festlegen, um das Wirtschaftsmodell Kubas von dem Punkt, an dem es sich befindet – dessen Erschöpfung seit Jahren mehr als offensichtlich ist –, zu einem neuen Modell zu führen, das es ermöglicht, Dynamik, Effizienz, Wachstumskapazität und eine günstigere internationale Integration wiederherzustellen, auch wenn man weiterhin unter der Blockade- und Aggressionspolitik leiden, sie ertragen und verurteilen muss. Wie ich bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt habe, ist die Zeit knapp und eine kritische Variable; der kohärente Fortschritt der Reform muss jetzt erfolgen, ohne Pause, geordnet und mit Eile.