Unter Anwesenheit von Revolutionskommandant Ramiro Valdés und Energieminister Vicente de La O’Levy ist am Freitag in der ostkubanischen Provinz Granma, nahe der Stadt Bayamo, ein weiterer Solarpark ans Netz gegangen. „La Sabana“ ist der landesweit dritte Park mit einer Leistung von 21,8 Megawatt, der im Rahmen des laufenden Großprojekts zum Ausbau der Solarenergie eingeweiht wurde. Die ersten beiden Parks wurden am 21. Februar in Havanna und am 28. Februar in Cienfuegos eröffnet.
Solarausbau mit Top-Priorität
Abgenommen wurde der Park nach Abschluss einer rund einwöchigen Testphase gemeinsam mit chinesischen Fachkräften, die bereits am Aufbau der 25 Hektar großen Anlage mitgewirkt hatten. Wie die Lokalzeitung La Demajagua berichtet, waren insgesamt 600 Arbeiter im Einsatz, um mehr als 42.000 Panels auf 16.380 Pfählen zu montieren und 250 Kilometer Kabel zu verlegen. Zwei Kilometer Zaun wurden errichtet, um die rund um die Uhr besetzte Anlage vor Diebstahl und Vandalismus zu schützen. Eingespeist wird der Strom über sieben Wechselrichter mit einer Leistung von je 3,25 Megawatt. Die Kosten des Projekts wurden auf 1,14 Mrd. Pesos (ca. 3,26 Mio. Euro gemäß dem informellen Wechselkurs) und 16 Millionen US-Dollar beziffert.

Angesichts der schweren Energiekrise, die vor einer Woche zum vierten landesweiten Blackout innerhalb von sechs Monaten geführt hat, erklärte Kubas Regierung den Aufbau der Solarparks zur Top-Priorität. Laut einem Bericht des Nachrichtenportals Cubadebate, wurden für die Parks Arbeiter und Soldaten vom Bau des Staudammprojekts Presa Levisa abgezogen. Die Teams sind sieben Tage die Woche von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Dunkelheit im Einsatz.
Kuba plant, bis zum Ende des Jahres 55 Parks mit einer installierten Gesamtleistung von 1200 Megawatt zu errichten. Bis 2028 sollen es insgesamt 92 Parks mit einer Leistung von 2012 Megawatt und 200 Megawatt Batteriespeicher werden. Hinzu kommen weitere 120 Megawatt, die durch eine Spende aus China ins Land kommen und mit der zusätzlich zum Großprojekt 22 kleinere Parks mit jeweils rund fünf Megawatt Leistung entstehen sollen.
Fehlende Schiffe
Mit den für dieses Jahr geplanten Ausbauzielen wäre jedoch schon viel erreicht. Kubas Stromnetz muss derzeit zusätzlich zum Brennstoffmangel und häufigen Kraftwersksausfällen auch den Wegfall von fünf der acht schwimmenden Kraftwerksschiffe verkraften, die zwischen 2019 und 2022 vom türkischen Anbieter Karpowership kontraktiert wurden.
Die teuren Verträge waren auf 51 Monate angelegt und laufen langsam aus. Von kubanischer Seite wurde entschieden, dass das Geld besser im Aufbau heimischer Solarparks angelegt ist, die kaum laufende Kosten verursachen und deren Paneele mehr als zwei Jahrzehnte halten sollen. Um die rund 500 zusätzlichen fehlenden Megawatt zu ersetzen, müssen jedoch mindestens 23 Parks entstehen. Danach beginnt erst der Netto-Zugewinn an Leistungsreserven.
170 Megawatt bis Ende März
Die ehrgeizigen Ziele der Regierung sehen vor, dies noch im ersten Halbjahr zu erreichen. Bis Ende März sollen noch fünf Solarparks ans Netz gehen, womit sich die Gesamtzahl in den kommenden Tagen auf acht Parks mit einer Leistung von 170 Megawatt aufaddieren würde. Ob der Zeitplan noch zu halten ist, muss sich zeigen. Die Eröffnung von „La Sabana“ war ursprünglich für den 14. März geplant, hat sich also um eine Woche verschoben – eine für kubanische Verhältnisse geringe Verzögerung. Grundsätzlich komme der Ausbau zügig voran, meint auch der mit Kuba vertraute Energieexperte Jorge Piñon von der Universität Texas. Laut Angaben des Energieministeriums stehen mindestens zwei weitere Parks kurz vor der Eröffnung.

Insgesamt plant Kuba, den Anteil erneuerbarer Energien von derzeit rund vier Prozent bis 2030 auf mindestens 30 Prozent zu steigern. Dieses Jahr soll sich der Anteil auf acht Prozent verdoppeln. Ganz ohne Superlative geht es dabei nicht: Was die Geschwindigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien angeht, will Kuba in den kommenden zwei Jahren „unter den drei ersten Ländern der Welt“ sein, kündigte der Direktor für erneuerbare Energien beim Energieministerium, Rosell Guerra Campaña, in einer Sondersendung zum Thema an.
Neuer Kraftwerksblock aus Russland
Allein über den Ausbau der Solarenergie wird die Energiekrise allerdings nicht zu lösen sein. Selbst mit den neuen Speicherkapazitäten benötigt es weiterhin Kraftwerke, die rund um die Uhr für die Grundlast arbeiten. Um die älteren Ölkraftwerke am Laufen zu halten, setzt Kuba auf Hilfe aus Russland. Am Mittwoch besuchte der russische Botschafter Víktor Koronelli die Anlagen des russischen Ölkonzerns Zarubezhneft in Boca de Jaruco. Dort konnte die Förderung zuletzt gesteigert werden. Die sieben aktiven Ölfelder lieferten bereits über 1600 Tonnen Öl pro Monat, berichteten Staatsmedien.
Laut Koronelli trägt Russland zur Modernisierung dreier Kraftwerksblöcke mit je 100 Megawatt bei und wird die Errichtung eines neuen 200-Megawatt-Blocks finanzieren. Zudem hat Moskau kürzlich einen Überbrückungskredit über 60 Millionen Dollar für Treibstoffkäufe sowie zwei Millionen Dollar für Ersatzteile bereitgestellt.
Die Regierung in Havanna zeigt sich derweil überzeugt, mit dem Mix aus Gas, Öl und erneuerbaren Energien mittelfristig die Energieunabhängigkeit des Landes erreichen zu können. Für Dezember ist zudem ein Gesetz zur Energiewende angekündigt, das neue Anreize für Investitionen und mehr Effizienz beim Verbrauch sicherstellen soll.
Trotzdem dürfte es eine Weile dauern, bis die Energiewende für die leidgeprüfte Bevölkerung spürbare Verbesserungen bringt. Ob die hochgesteckten Ausbauziele zu halten sind, hängt nicht zuletzt von Kubas Fähigkeit ab, die komplexen Projekte in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld wie geplant umzusetzen.
TV-Bericht des kubanischen Fernsehens über den neuen Solarpark: