Ein Gastbeitrag von Andreas Hesse.
14. März 2025, es ist Freitagabend zur besten Sendezeit, als plötzlich die Bildschirme schwarz werden. Es ist der vierte landesweite Blackout innerhalb eines halben Jahres auf Cuba. Nicht nur die Privathaushalte leiden darunter, auch die Produktion steht phasenweise still. Doch bald soll alles anders werden, heißt es: Mit der Unterstützung von China sollen Solarparks entstehen.
Ein technischer Defekt in einem Umspannwerk bei Havanna führte an jenem 14. März zu Schwankungen im nationalen Stromnetz und schließlich zum landesweiten Kollaps. Die einen verfügen vielleicht über Speicherkapazitäten, andere sitzen da bei Kerzenschein. Doch der bringt weder den Ventilator noch den Kühlschrank zum Laufen. Fleisch und Fisch verderben schnell in karibischen Gefilden.
Schon an normalen Tagen wird in Cuba nicht so viel Strom produziert, wie gebraucht wird. Zu Spitzennachfragezeiten fehlen 1100 bis 1700 Megawatt, also ein Drittel bis knapp über die Hälfte des Bedarfs. In Havanna wird jeden Tag für vier bis acht Stunden der Strom abgestellt, auf dem Land deutlich länger. Gründe sind der schlechte Zustand von Kraftwerken und Netz, aber auch schlicht die fehlenden Importkapazitäten für das Öl der Kraftwerke. Cuba kann nur knapp vierzig Prozent des benötigten Brennstoffs aus eigenen Quellen decken.
Die Kommentare der Betroffenen im Blackout verwundern nicht: „Así no se puede vivir“ (So kann man nicht leben). Der tiefe Frust der Menschen ist mit Händen zu greifen und gewiss nicht weniger geworden seit dem Machtantritt von Donald Trump, der im Schlepptau den kubanischstämmigen Hardliner Marco Rubio als Außenminister mitgebracht hat. Rubio ist eine Hassfigur auf der Insel. Andererseits ist Präsident Miguel Díaz Canel mit Abstand der unpopulärste der drei Präsidenten, die das Land seit 1959 hatte. Ihm und der Regierung von Premierminister Marrero Cruz werden selbst aus der älteren Generation von Revolutionsanhängern wirtschaftliche Steuerungsfehler vorgeworfen (siehe ila 480). Die Rationen des Bezugsscheinsystems Libreta, einst als sozialpolitisches Instrument ein zentraler Bestandteil von Fidels Rundum-Sorglos-Paket, sind infolge der reduzierten Importkapazitäten auf einen Bruchteil zusammengeschmolzen. Nun regieren Marktpreise, die für berentete oder beim Staat arbeitende Menschen – diejenigen, für die die Revolution einst gemacht wurde –, nicht mehr bezahlbar sind.
Sonne im dunklen Kühlschrank
Das ist das stürmische Fahrwasser, in dem das Megasolarprojekt ein Rettungsanker sein soll. Es ist das einzige Vorhaben, das hie und da noch so etwas wie Hoffnung auslöst. Fidel Castro mag damals nicht erkannt haben, dass die dysfunktionale Landwirtschaft ein strukturelles Problem ist. Aber immerhin hatte er mit der Energiefrage die zweite Achillesferse des Landes im Blick. Seine „Energierevolution“ aus dem ersten Jahrzehnt des Jahrtausends, die auf den Austausch energieintensiver Elektrogeräte und Glühbirnen durch sparsamere Gegenstücke abzielte, führte zu einem Rückgang von Stromverbrauch und Blackouts. Aber als Castro ging, hatte niemand mehr die Energie so recht auf dem Radar, das venezolanische Erdöl schien ja endlos zu fließen. Doch aus dem Fluss wurde ein Rinnsal. 2014 wurde endlich beschlossen, den Energiebedarf bis 2030 zu 24 Prozent aus Erneuerbaren zu decken. Nur fehlte das Geld. Es wurden zwar viele kleine Solarparks errichtet, die aber mit einer Leistung von jeweils zwischen zwei und fünf MW einen eher symbolischen Beitrag lieferten. Laut kubanischem Energieministerium stieg bis Ende 2023 der Beitrag der Solarenergie auf gerade mal zwei und der Erneuerbaren insgesamt auf fünf Prozent der Stromerzeugung.
Doch nun geht es in die Vollen. Das Motto lautet in Anspielung auf die US-Blockade der Insel: „Die Sonne kann niemand blockieren.“ Bis 2028 sollen gemäß ambitioniertem Plan über 90 Photovoltaikparks quer durchs Land mit einer Leistung von jeweils 21,8 MW errichtet werden, davon allein 55 im laufenden Jahr. Pro Provinz sollen zwischen zwei und zehn Solarparks entstehen. Havanna ist mit sechs Projekten dabei. Als Sahnehäubchen oben drauf kommen als Geschenk der chinesischen Regierung weitere Parks mit einer Gesamtleistung von insgesamt 120 MW. Bis Mitte März waren die ersten drei Parks in Cotorro (Havanna), Cienfuegos und Bayamo ans Netz gegangen, weitere fünf sollten bis Ende März startklar sein. Pro Jahr und Solarpark sollen rund 8000 Tonnen Treibstoff eingespart werden. Von den ersten beiden neuen Parks heißt es im Energieministerium, sie hätten bisher mehr Energie geliefert als geplant.

Doch der Effekt ist zunächst ein kompensatorischer, da die Verträge für die Anmietung der teuren türkischen Kraftwerksschiffe ausgelaufen sind oder in Kürze auslaufen – Cuba hat beim Betreiber Karadeniz Holding Schulden angehäuft – so dass über 500 MW wegfallen. Bis spätestens zum Sommer soll der Wegfall per Photovoltaik ausgeglichen sein, danach ergäbe sich ein Nettogewinn an Strom. Dies gilt jedenfalls für tagsüber, an teuren Speicherkapazitäten für die Nacht wird es nur 200 MW geben (die auch zum Ausgleich von Schwankungen und somit zur Prävention von Totalblackouts dienen). Doch wenn tagsüber der Kühlschrank zufrieden vor sich hinschnurrt und vor allem die Betriebe wieder durcharbeiten können, könnte das ein Neustart für die geplagte Insel sein.
Hielt sich die Regierung zunächst mit Informationen bedeckt, ist das Engagement Chinas inzwischen bestätigt. Technik, Materialien und Knowhow stammen von dort. Ende des Jahres bestätigte Ministerpräsident Marrero Cruz das Gerücht, dass China im Gegenzug am kubanischen Nickelbergbau beteiligt wird. Nickel ist einer der kritischen Rohstoffe zur Speicherung von Elektrizität, und China ist weltweit führend bei der Verarbeitung dieser kritischen Rohstoffe. Somit handelt es sich um eine Win-Win-Situation. Details des Geschäfts werden jedoch nicht bekannt gegeben.
Ferner soll ein neues Dekret die Betriebe ab einer gewissen Größe zwingen, binnen drei Jahren die Hälfte des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken oder aber eine Ausgleichszahlung an den Energieversorger UNE zu leisten, was dann wiederum in den Energieausbau gesteckt werden soll.
Wie die großflächigen Stromausfälle der letzten Monate zeigen, wird das Projekt ohne eine flankierende Modernisierung der Infrastruktur von Netz und Kraftwerken nicht auskommen. Russland gewährte soeben einen Kredit zur Überholung von drei Kraftwerksblöcken mit einer Leistung von je 100 MW sowie zum Bau eines neuen Kraftwerks mit 200 MW.
Engagement aus Deutschland
Andere Energiequellen spielen eine untergeordnete Rolle, mit der Ausnahme von Biomasse, die immer schon eine gewisse Relevanz auf der Insel hatte. Manche der wenigen verbliebenen Zuckerfabriken sind energieautark, sie nutzen die Zuckerrohrbagasse als Energiequelle. Und 2023 entstand ein Biomassekraftwerk in Ciro Redondo (62 MW), das mit Zuckerrohrbagasse und dem Marabú-Strauch gefüttert wird. Die Planungen zu Wasserkraft sind hingegen in vernachlässigbarer Größenordnung. Auch Windparks existieren bisher nur zwei sehr kleine und aus dem vor Jahrzehnten in Santa Cruz del Norte geplanten größeren Projekt wurde nie etwas. Aber mit erheblicher Verzögerung soll nun zeitnah die erste Stufe (33 MW) des großen Windparks bei Puerto Padre nördlich von Las Tunas Realität werden. Mit Blick auf die touristische Irrelevanz dieser Provinz könnte vermutet werden, dass man Tourist*innen durch eine „Verspargelung“ der Landschaft per Windkraft nicht abschrecken will. Laut Volker Wirth von der auf Cuba engagierten Berliner NGO KareEn e.V. (Karibik Energie) sollte gerade an der Nordostküste mehr in Gang kommen, während sich Windkraft auf der Karibikseite weniger lohne. Grundsätzlich sollte die Solarenergie stärker durch Windkraft und Biomasse flankiert werden, meint Wirth. Die Organisation hat rund 50 Mitglieder und unterstützt auf Cuba insbesondere die Landwirtschaft durch den Einsatz von Solarpumpen zur Bewässerung sowie die Solarstromversorgung von Bauernhöfen in entlegenen Bergdörfern.
Hilmi Tozan von der Frankfurter NGO InterRed Cooperación sieht bei der Windkraft hemmende Faktoren: „Cuba verfügt zwar über einige windreiche Gebiete, insbesondere im Osten der Insel, aber die Windverhältnisse sind im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energiequellen wie Solarenergie weniger konstant. Windenergieprojekte sind kapitalintensiv und erfordern erhebliche Investitionen, die Installation und Wartung erfordert spezialisierte Technologie und Infrastruktur. Solarprojekte sind oft kostengünstiger und schneller umzusetzen.“ InterRed existiert seit den 90er-Jahren und hat seit 2021 drei Photovoltaikanlagen in Havanna aufgebaut – komplett aus Spenden finanziert. Gemeinsam mit einer Schweizer NGO, dem kubanischen Gesundheitsministerium und dem deutschen Unternehmen Aschoff unterstützt die Organisation die Lateinamerikanische Medizinische Hochschule in Havanna (ELAM) beim Ausbau ihrer Solarenergie. Gerade wird die vierte Anlage aufgebaut. „Ein zentraler Aspekt der Projektarbeit von InterRed ist die Weitergabe des erworbenen Knowhows. Andere Initiativen können durch Austausch von Fachwissen und praktischen Erfahrungen profitieren. Dies fördert nicht nur die nachhaltige Entwicklung in den jeweiligen Regionen, sondern stärkt auch die globale Gemeinschaft im Kampf gegen den Klimawandel.“ Das cubanische Großprojekt bewerten sie als sehr ambitioniert, aber positiv.
Die Herausforderung der Energiewende auf Cuba ist gigantisch und der Zeitdruck immens. Reicht die Zeit, um das Ruder noch herumzureißen? Das laufende Jahr ist entscheidend.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus ila 484 (April 2025), mit freundlicher Genehmigung des Autors. Einige Links wurden nachträglich eingefügt.
Andreas Hesse besucht die Insel seit 1992 und schreibt seit über zwei Jahrzehnten für verschiedene Medien über Kuba, zuletzt regelmäßig für ila.
Über die ila:
Die Informationsstelle Lateinamerika e. V. (ila) ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz im Oscar-Romero-Haus in Bonn. Das Ziel des Vereins ist die Veröffentlichung kritischer und unabhängiger Informationen aus Lateinamerika. Der Schwerpunkt liegt auf Nachrichten und Hintergrundinformationen aus basisdemokratischer Perspektive. Der Verein besteht seit 1975 und gibt die gleichnamige Zeitschrift ila heraus.