15. November 2025

Hurrikan Melissa verwüstet Ostkuba

Hurrikan Melissa hat nach seinem Durchzug durch Ostkuba eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Präsident Miguel Díaz-Canel besuchte am Freitag Santiago de Cuba, um sich vor Ort ein Bild der Schäden zu machen, nachdem er bereits am Donnerstag die Provinzen Holguín und Granma bereist hatte. Genaue Angaben über Tote und Verletzte stehen aus.

Der Sturm traf am frühen Morgen des 29. Oktober um 3:05 Uhr in Chivirico (Provinz Santiago de Cuba) auf Land. Zum Glück für Kuba hat sich der ehemalige Kategorie-5-Sturm nach seinem verheerenden Zug durch Jamaika abgeschwächt und traf als als Hurrikan der Kategorie 3 mit anhaltenden Winden von 195 (statt ehemals 280) Stundenkilometern auf die sozialistische Insel.

Massive Niederschläge und Überschwemmungen

Die verheerendsten Auswirkungen verursachten neben den Winden vor allem die extremen Regenfälle. Innerhalb von nur 48 Stunden fielen landesweit durchschnittlich 46 Millimeter Niederschlag, was 30 Prozent der üblichen Oktober-Niederschläge entspricht. In der Ostregion konzentrierten sich 134 Millimeter, wobei Santiago de Cuba mit 282 Millimetern am stärksten betroffen war – das entspricht 158 Prozent der historischen Oktober-Durchschnittswerte.

Argelio Fernández Richelme vom Nationalen Institut für Wasserressourcen berichtete von extremen Niederschlagsintensitäten: Mehr als 55 Wetterstationen verzeichneten über 200 Millimeter Regen in 48 Stunden, 28 Stationen meldeten mehr als 300 Millimeter und fünf Stationen über 500 Millimeter. Der Speichersee La Majagua registrierte an einem einzigen Tag 620 Millimeter Niederschlag.

Kritische Lage im Cauto-Becken

Überflutungen haben zu Folgeevakuierungen in der Provinz Granma geführt (Lázaro Manuel Alonso/FB)

Besonders dramatisch entwickelte sich die Situation im Cauto-Becken in der Provinz Granma. Zwei Tage nach dem Sturm mussten weiterhin Tausende Menschen evakuiert werden, da das Becken seinen kritischen Überschwemmungspunkt erreichte. Zwischen 5000 und 7000 Personen aus Gemeinden wie Cauto Embarcadero, Melones und Cayama wurden nach Las Tunas gebracht.

Die Behörden warnten vor einem „komplexen Phänomen“, bei dem intensive Regenfälle, Staudammablässe, Abflüsse aus der Sierra Maestra und gefährliche Meereseindringungen zusammentreffen, die die Flussmündung blockieren. Das maximale Risiko bestehe bis zu 72 Stunden nach Ende der Regenfälle, wenn die angesammelten Wassermassen die tiefer gelegenen Gemeinden erreichen.

Schadensausmaß noch unbekannt

Noch fehlen detaillierte Berichte über mögliche Todesopfer (laut letztem Stand gibt es keine) und das Ausmaß der Schäden. Die Behörden verglichen sie jedoch mit jenen, die Hurrikan Sandy im Oktober 2012 in der Region verursacht hat. Damals wurden rund 200.000 Gebäude beschädigt oder zerstört.

Die Streitkräfte sind im Einsatz, um abgeschnittene Gemeinden wieder erreichbar zu machen (Quelle: Granma)

Verkehrsminister Eduardo Rodríguez Dávila berichtete von erheblichen Schäden an der Straßeninfrastruktur, die mehrere Siedlungen und Gemeinden von der Außenwelt abschnitten. Das Ministerium arbeite gemeinsam mit dem Bauministerium und den Streitkräften an der Wiederherstellung der Verkehrsverbindungen.

Die nationalen Busverbindungen wurden ab Mitternacht des 30. Oktober schrittweise wiederaufgenommen, zunächst von Camagüey sowie von Las Tunas und Holguín in Richtung Westen. Die nationalen Zugverbindungen blieben weiterhin eingestellt, während Spezialisten die Schäden an den Bahnstrecken bewerten.

Der Flughafen Frank País in Holguín nahm bereits wieder den nationalen und internationalen Betrieb auf, während am internationalen Flughafen Antonio Maceo in Santiago de Cuba noch an der Wiederinbetriebnahme gearbeitet wird.

Ein schwerer Verlust war für viele Kubaner: Die berühmte Wallfahrtskirche von El Cobre in Santiago de Cuba wurde durch Melissa beschädigt. „Melissa hat das Heiligtum zerrissen“, sagte Pater Rogelio Dean, Rektor des katholischen Gotteshauses. Mehrere Kirchenfenster seien „bedauerlicherweise beschädigt“ worden, und Wasser sei in das Gebäude eingedrungen. Trotz Vorsichtsmaßnahmen wie dem Anbringen von Aluminiumrahmen und eingelassenen Schrauben zum Schutz der Glasfenster habe der Hurrikan „Mauerwerksstrukturen der Wand zum Einsturz gebracht“. Die Grundstruktur des Gebäudes ist jedoch intakt. Auch das gleichnamige Dorf, in dem sich die Kirche befindet, hat massive Schäden erlitten.

Lage in Tourismus und Industrie

Tourismusminister Juan Carlos García Granda berichtete, dass der Sektor trotz vorläufiger Schäden eine schnelle Erholung erwartet. Der Verkehr zum Urlaubsziel Guardalavaca sei wieder möglich, und Stromleitungsteams bewerteten die Schäden. Vize-Industrieministerin Yamilín González Milián berichtete von nur geringen Schäden an Industrieanlagen, hauptsächlich an leichten Dächern und Ziegeln, die jedoch die Produktion nicht beeinträchtigen. Die Sauerstoffanlage in Santiago de Cuba sei nicht beschädigt worden. Auch die Solarparks in den östlichen Provinzen haben offenbar nur wenig abbekommen.

Ein befürchteter landesweiter Kollaps des Stromnetzes ereignete sich nicht. Um diesen zu verhindern, wurden im Vorfeld des Sturms mehrere Kraftwerke und Hauptleitungen im Ostteil des Landes heruntergefahren. Die Wiederherstellung der Stromversorgung über Notkreisläufe hinaus wird noch einige Zeit andauern, da zahlreiche Masten beschädigt wurden.

Paradoxerweise brachte der Hurrikan auch positive Effekte: Die Wasserspeicher des Landes füllten sich innerhalb von 48 Stunden um 1.005 Millionen Kubikmeter – einer der größten Zuwächse in der Geschichte. Der nationale Füllstand stieg von 55 auf 66 Prozent der Gesamtkapazität. 76 Stauseen haben nun einen Füllstand von über 95 Prozent, 61 sind vollständig gefüllt und 50 laufen über.

Internationale Hilfe

Als erstes Land schickte das befreundete Venezuela Hilfe: Ein Flugzeug der Fluggesellschaft Conviasa brachte 26 Tonnen humanitäre Hilfe nach Santiago de Cuba, darunter medizinische Güter, haltbare Lebensmittel und Baumaterialien. Außenminister Yván Gil kündigte weitere 3.000 Tonnen Hilfe per Schiff an.

China und die Vereinten Nationen in Kuba haben ebenfalls Unterstützung zugesagt, wie Vizeaußenministerin Déborah Rivas Saavedra mitteilte. Dutzende Länder und Organisationen hätten ihre Hilfsbereitschaft erklärt.

US-Außenminister Marco Rubio schloss Kuba hingegen von US-amerikanischer Katastrophenhilfe aus, obwohl er Unterstützung für andere betroffene Karibikstaaten wie Jamaica, Haiti, die Dominikanische Republik und die Bahamas ankündigte. Später kündigte das Außenministerium doch noch Hilfe an und verwies auf die Embargogesetzgebung.

Wie üblich bei Katastrophenfällen dieser Tragweite, hat Kubas Regierung ein Hilfspaket mit 50-prozentigen Rabatten auf Baumaterialien für Personen mit teilweise oder vollständig beschädigten Häusern genehmigt. Zudem übernimmt der Staat Zinsen und Gebühren für Bankkredite zur Wiederherstellung, wie die Vizeministerin für Finanzen, Maritza Cruz García, erklärte.

Insgesamt wurden in den sechs betroffenen Provinzen Granma, Santiago de Cuba, Guantánamo, Holguín, Las Tunas und Camagüey rund 735.000 Menschen evakuiert.

Teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert