Im Jahr 2012, während meiner letzten Reise nach Kuba in Begleitung zweier Freunde, hatten wir die Gelegenheit zahlreiche persönliche Bekanntschaften zu schließen und alte Freunde wieder zu treffen, darunter auch Mario und Yoel, zwei gute Freunde aus Havanna. Beide haben damals schon deutsch gelernt und kamen vor einigen Wochen mit ihren Reiseplänen für Deutschland auf mich zu. Durch Nebenjobs in der privaten Gastronomie haben sie die nötigen Devisen erlangt, um eine solche Reise durchführen zu können. Deutschland ist dabei für die beiden nicht nur wegen der Sprache, sondern auch wegen seiner Kultur und Geschichte von Interesse, bereits Marios Eltern waren Gäste in der DDR. Aus diesem Grund stellten die beiden einen Visumsantrag bei der Deutschen Botschaft in Havanna, der einen knapp zweimonatigen Besuch ab dem 16. Dezember vorsieht.
Den dafür notwendigen Reisepass haben die beiden leicht bekommen, Kuba hat seit Anfang des Jahres die Reisebeschränkungen für seine Bürger aufgehoben. Der Antrag bei der Botschaft wurde jedoch, trotz vollständig eingereichter Unterlagen wie Krankenversicherung und Verpflichtungserklärung in erster Instanz abgelehnt. Man sei sich nicht sicher, dass wir uns persönlich kennen würden und das eine Motivation zur Rückreise für die beiden besteht. Fehlender Immobilienbesitz kann hier schon ein ausschlaggebender Grund sein, vor allem materielle Motive müssen hier deutlich gemacht werden – für zwei Kubaner dieses Alters ein naturgemäß ein Ding der Unmöglichkeit. Daraufhin haben die beiden einen offenen Brief an die Botschaft verfasst, der ihrer Motivation ausdruck verleiht, zunächst ohne Reaktion von der Botschaft. Nun habe ich mich an die Öffentlichkeit gewandt, um auf diesen Mißstand aufmerksam zu machen.
Doch genug der Information an dieser Stelle: Amerika21 hat dem Thema einen engagierten Beitrag von Harald Neuber gewidmet. In der jungen Welt vom 21. November bildet das Thema den Schwerpunkt auf Seite drei, samt gekürzter Übersetzung des Briefes. Auch die DKP Queer berichtete auf ihren Seiten über den Vorfall. In den kommenden Tagen soll nun das Remonstrationsverfahren in die Wege geleitet werden, das der Botschaft die erneute Prüfung des Antrags auferlegt und damit die Möglichkeit schafft, ihren Besuch hier doch noch zu ermöglichen, der von zahlreichen Freunden mitverfolgt wird, die mich in dieser Angelegenheit unterstützen und ihren Aufenthalt konstruktiv mitgestalten möchten. Unser Anliegen ist es, beide nach Deutschland zu bringen, um ihnen nicht nur die Teilnahme an geplanten Podiumsdiskussionen, sondern auch einen echten Austausch zwischen beiden Ländern auf persönlicher, kultureller und politischer Ebene zu ermöglichen. Die Freundschaftsgesellschaft BRD-Cuba hat in einem Schreiben an die Botschaft bereits ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Bei Ideen, Vorschlägen und möglicher Unterstützung, bitte ich ausdrücklich darum, mit mir in Kontakt zu treten. Im Nachfolgenden der übersetzte Brief der beiden, wie er auf Amerika 21 dokumentiert wurde:
Zwei kubanische Jugendliche schreiben nach der Ablehnung ihres Besuchervisums an die deutsche Botschaft in Havanna
Von Mario López Yoel, Félix González (Übersetzung: Klaus E. Lehmann) auf Amerika 21.
Wir dokumentieren einen Brief der beiden kubanischen Staatsangehörigen Mario José López Torres und Yoel Félix González Rodríguez an die deutsche Botschaft in Havanna. Die Autoren antworten mit dem Schreiben auf die Ablehnung eines Besuchervisums für Deutschland.
Havanna, 12. November 2013, 54. Jahr der Revolution
An die Konsulin der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kuba, Frau Katja Buzási.
Betrifft: Einspruch gegen die Ablehnung eines Visums
Mit dem vorliegenden Schreiben wenden wir uns in der Absicht an Sie, Ursachen und Umstände zu klären, die zur Ablehnung unseres Visumsantrags geführt haben. Laut dem uns am Nachmittag in den Büros der Botschaft in Kabine Nr. 2 ausgehändigten Dokument lauten die Gründe, aus denen unser Antrag abgelehnt worden ist, wie folgt:
– die zur Rechtfertigung des Vorhabens vorgelegte Information und die Umstände unseres vorgesehenen Aufenthaltes sind nicht glaubwürdig;
– Ihre Absicht, das Territorium der Mitgliedsstaaten (des Schengengebietes) vor Ablauf des Visums zu verlassen, konnte nicht festgestellt werden.
Die erste dieser Begründungen lässt mit einer gewissen Mehrdeutigkeit erkennen, dass den von uns im Zusammenhang mit den Gründen für die Reise vorgebrachten Informationen die Wahrhaftigkeit fehle. Wir würden gerne wissen, durch welche inhaltlichen Bestandteile oder in welchem Teil des Antragsprozesses für das Visum wir unsere Glaubwürdigkeit haben zweifelhaft erscheinen lassen. Wir sind zwei kubanische Bürger, die während des Antragsprozesses für das Visum eindeutig unsere Absicht bekundet haben, mit unseren Freunden in Deutschland genauso zusammen zu sein, wie sie ihre Zeit in unserem Geburtsland verbracht haben. Es fällt uns ziemlich schwer zu verstehen, dass die Umstände unseres vorgesehenen Aufenthaltes nicht vertrauenswürdig sein sollen, wo doch in einem von unserem Freund und Gastgeber Marcel Kunzmann übersandten Brief die verschiedenen Aktivitäten, die nach unserer Ankunft stattfinden sollen und die Umstände unseres Aufenthaltes erklärt worden sind. Wir möchten gerne, dass Sie verstehen, wie hart es für zwei junge Leute wie uns ist, die Nachricht zu erhalten, dass unser Visum abgelehnt worden ist, ganz besonders jedoch unter den erfolgten Umständen und mit den uns dargelegten Gründen, wodurch wir in diskriminierender Form beurteilt werden. Denn die in dem von der Botschaft ausgestellten und von Ihnen unterzeichneten Dokument zum Ausdruck gebrachten Beweggründe lassen uns, wie auch unsere Freunde in Deutschland, als Betrüger da stehen, indem die Aufrichtigkeit einer Freundschaft angezweifelt wird, die schon vor geraumer Zeit entstanden und aufgrund gemeinsam geteilter Interessen gewachsen ist. Außerdem waren sie (unsere Freunde) in der gemeinsam verbrachten Zeit sehr wohl in der Lage, das echte revolutionäre Engagement wahrzunehmen, das wir besitzen und das wir für unser Land und unsere Revolution empfinden, die uns all die ganzen Jahre erzogen und geformt hat und dem einer von uns seinen Universitätsabschluss verdankt und der andere die Möglichkeit, Medizin zu studieren.
Unsere Freundschaft hat sich trotz der Entfernung aufgrund des wachsenden Interesses des uns einladenden Freundes weiter gefestigt. Zwei andere Freunde haben wir gemeinsam mit ihm hier in Havanna kennen gelernt. Auch eine weitere Gruppe junger Leute, die wir auf unserer Reise nach Deutschland kennen zu lernen hofften, hat ihr Interesse am revolutionären Prozess Kubas und an den in unserem Land stattfindenden Veränderungen bekundet. Wir hatten – immer ausgehend vom Respekt gegenüber dem kubanischen System – unterschiedliche Standpunkte ausgetauscht. Dabei konnten sie unser Interesse an der Entwicklung unseres Landes feststellen, ein Interesse, das sich auf aktive Weise äußert. Wir sind junge Menschen, die sich im revolutionären Prozess als Angehörige der Massenorganisationen unseres Landes engagieren und Mitglieder der Union Junger Kommunisten sind. Dabei handelt es sich um eine Organisation, die unsere revolutionären Überzeugungen deutlich zum Ausdruck bringt. Sie ist Teil der politischen Organisationen, die die Jugend in sich vereinen und mittels derer die Jugendlichen auf die wesentlichen Entscheidungsfindungen unseres Landes Einfluss nehmen können. Wir sind zwar keine Gesetzesexperten, haben aber das Verständnis, dass es ein Recht darstellt, das nicht verweigert werden kann, in freier Weise mit dem, der uns einlädt und mit anderen Freunden, die wir in Deutschland haben, genauso zusammenzukommen, wie sie dies hier mit uns getan haben. Vorausgesetzt natürlich, dass wir keine Gefahr für die Länder des Schengen-Vertrages darstellen. Wir sind nicht mit den deutschen Gesetzen vertraut, es liegt aber nicht in unserer Absicht, irgendein Gesetz zu verletzen, das die Aufenthaltsdauer in Ihrem Land mit Genehmigung der zuständigen Behörden regelt. Wie wir schon zuvor erklärt haben, liegt der Zweck unseres Besuches darin, Ihr Land, seine Sitten, seine Geschichte, seine Menschen und seine Traditionen kennen lernen zu können.
Im zweiten Teil der Rechtfertigung der Ablehnung des Visums werden wir erneut in zweideutiger Weise kriminalisiert, indem die Bereitschaft angezweifelt wird, in unser Land zurückzukehren. Wir werden auf diese Weise zu potentiellen Einwanderern in das deutsche Staatsgebiet erklärt. Es ist heutzutage schwer, der Vorstellung entgegenzutreten, dass jeder Kubaner ein potentieller Einwanderer in jedes Land der Welt ist, in das er zu reisen beabsichtigt. Das Ganze ist umso gravierender, als dass uns gewisse Umstände in diese Kategorie einordnen. Wir würden gerne erfahren, ob es irgendeine Methode gibt, zu erkennen, ob jemand ein möglicher Immigrant ist oder nicht, oder auf welche Weise sich dies feststellen lässt. Es erscheint uns jedenfalls höchst demütigend, in diese Kategorie eingestuft worden zu sein. Es ist sicher richtig, dass wir, als wir den Prozess der Beantragung eines Visums begonnen haben, gewisse Dokumente nicht vorgelegt haben, nach denen uns ein sehr freundlicher Mitarbeiter, der am Eingang der Botschaft die vorzuweisenden Papiere kontrolliert, gefragt hat. Dazu zählten etwa Eigentumsurkunden, Bankkonten oder Angaben über Kinder; die Art von Dokumenten eben, die für eine Garantie einer Ortsbindung der Reisenden gehalten werden können. Ob genau diese Dokumente wohl in jedem Land der Welt von denjenigen verlangt werden, die beabsichtigen, nach Deutschland zu reisen? Ich würde zu behaupten wagen, dass dem nicht so ist. Aber wie kann so etwas auch eine Garantie oder ein Vorteil dabei sein, wenn es darum geht, ein Visum zu gewähren? Es ist doch recht klar, dass es für Leute mit Migrationsinteresse nichts gibt, was sie wirklich auf eine solch starke Weise bindet. Sie sind bereit, alles aufzugeben, um ihr Ziel zu erreichen. Wie kann auch nur eines der vorab genannten Elemente wichtiger sein als die Identifikation, die ein Mensch mit seinem Land und mit den Entwicklungsprozessen besitzt, für die seine Regierung steht?
Vielleicht können Sie versuchen, sich an unsere Stelle zu versetzen und für einen Augenblick nachzuempfinden, was es bedeutet, als potentieller Immigrant bezeichnet zu werden. Wenn man aus Gründen, für die man nichts kann, mit dieser Stigmatisierung leben muss, weil einige Menschen, die sich nicht als echte Kubaner gefühlt haben, Fehler begangen und falsche Entscheidungen getroffen haben. Warum und mit welchem Recht werden junge Leute wie wir, zu dieser Zeit, in der die kubanische Regierung sich auf ihr Volk und seine Identifikation mit der Revolution verlässt, dann als potentielle Immigranten eingestuft? Wir sind die wahren Vertreter der kubanischen Realität. Diejenigen, die mit den falschen Kriterien und den Klischees über die Kubaner aufräumen können. Auch unsere Frustration wird Ihnen leicht verständlich sein, denn die Kosten für die Formalitäten sind für Durchschnittskubaner, wie wir es sind, nicht so einfach aufzubringen. Es ist hart, wenn man lange Zeit gespart und auch noch Hilfe von den Eltern bekommen hat, um diese Reise machen zu können, um dann eine solch große Demütigung zu erfahren.
Sie sollten die Wahrhaftigkeit des obigen Schreibens anerkennen, das die Gefühle zweier junger Kubaner ausdrückt, die zutiefst frustriert über bürokratische Hemmnisse sind, die niemals dazu in der Lage sind, die menschliche Qualität und den Wert einer Person zu erkennen und ihre Gefühle zu ermessen. Wir bitten Sie in bescheidener Form, unseren Visumsantrag erneut zu prüfen, damit wir auf diese Weise, wie jedermann auf der Welt, eine Zeit lang mit unseren Freunden in deren Land verbringen können, um so dazu beizutragen, das Klischee des Kubaners als potentieller Immigrant auszuräumen.
In dankbarer Erwartung einer Antwort,
Mario José López Torres
Yoel Félix González Rodríguez
Ich gönne den 2 Jungs vor Herzen ihren Deutschland-Trip. Allerdings würde ich das Ganze etwas weniger „revolutionär“ angehen. Wenn die Jungs ihre revolutionären Ueberzeugungen derartig herausstreichen glaube ich kaum dass sie ein Visum bekommen werden. Sowas gilt in Deutschland schlichtweg als verfassungsfeindlich. Kuba würde vermutlich auch keine Revolutionsgegner einreisen lassen… Naja, Harald Neuber als Unterstützer ist auch nicht unbedingt ein Ass im Aermel und die Freundschaftsgesellschaft wird vom Verfassungsschutz beobachtet…. Ungeschickter gehts wohl kaum.
Einen offenen Brief an die Botschaft zu senden ist zudem das falscheste was sie machen konnten. Wenn man beim Remonstrationsverfahren alles schön dokumentieren und belegen kann sind die Chancen wirklich recht gut ein Visum zu bekommen. Für die die deutsche Botschaft ist die Rückkehrwilligkeit von grösster Bedeutung. Wenn die gegeben ist gibt es keine Probleme. Es darf nicht vergessen werden, dass die MA der Botschaft in vielen Fällen von den Antragstellern angelogen werden. Die kennen die Cubanos sehr genau. Meine Einladungen wurden bisher immer positiv von der Botschaft beschieden und das innerhalb 2 Tagen. Ich hätte mehr das kulturelle Interesse, Ausstausch mit Berufsgruppen usw. in die Waagschale geworfen. Alles muss ehrlich und nachvollziebar sein. Die deutsche Botschaft ist in der Regel immer hilfsbereit, keinesfalls bürokratisch und demütigt niemanden. Niemand wird bevorzugt oder benachteiligt. Das weiss ich aus eigener Erfahrung. Jedenfalls würde ich das ganze etwas cooler angehen und dann wird das sich auch klappen. Viel Glück.