Am Dienstagnachmittag wurde die Einkaufs-App „EnZona“ auf Kuba offiziell freigeschalten. Mehr als 11.000 Transaktionen sind allein in den ersten Stunden über den neuen Dienst abgewickelt worden. Mit dem weiteren Ausbau des Handynetzes könnte das bargeldlose Einkaufen schon bald zum Alltag in dem sozialistischen Land gehören. Auch staatliche und private Onlineshops, deren im Produkte im ganzen Land gelistet werden, sind damit möglich.
Noch immer werden auf Kuba rund 91 Prozent aller Transaktionen über Bargeld abgewickelt, wie die Zentralbank des Landes jüngst bekannt gab. Das ist jedoch wenig Fälschungssicher, geht häufig mit dem Besuch langer Schlangen vor der Bank einher und verursacht auch für diese Mehrkosten in der Bereitstellung. Die Förderung des Onlinehandels und bargeldloser Bezahlmethoden sollen hingegen völlig neue Möglichkeiten schaffen, die Transaktionen auf Kuba zu beschleunigen und die geringe Dichte an Geldautomaten ausgleichen helfen. Präsident Miguel Díaz-Canel präsentierte sich dabei zuletzt immer wieder als Schirmherr der Digitalisierungsstrategie seiner Regierung.
LTE kommt bis zum Ende des Jahres
Eine wichtige Hürde für die Umsetzung der Technologie wurde im vergangenen Dezember genommen. Mit der Einführung des 3G-Mobilfunkstandards werden heute rund 85 Prozent der Landesfläche mit mobilem Internet versorgt. Über zwei Millionen Kubaner nutzen das Angebot regelmäßig, Tendenz stark steigend. Bis zum Ende des Jahres plant der Telefonversorger ETECSA die Einführung von LTE in den Ballungsgebieten sowie weitere Preisnachlässe.
Doch warum das Bezahlen per Smartphone? Die Digitalisierung soll der Vermarktung von Waren und Dienstleistungen auf der Insel neue Impulse geben. So können in „EnZona“ private Geschäfte, Restaurants und Transportdienstleister ebenso wie der staatliche Einzelhandel, Apotheken, Tankstellen und andere Dienstleister ihre Produkte einstellen. Diese können dann mittels QR-Code eingescannt bequem über die App bezahlt werden. Verkäufer können in der App eigene Onlineshops erstellen und ihre Produkte so mit zusätzlichen Informationen und Bildern näher an den Kunden bringen. Auch Überweisungen zwischen Privatpersonen sollen so schneller fließen. Der mühsame Gang zum Geldautomat bzw. zum nächsten Bankschalter entfällt. Man stelle sich das Beispiel vor: ein privater Fischer kann seinen Fang so künftig direkt bebildert an unterschiedliche Kunden aus der Umgebung feilbieten, die automatisch benachrichtigt werden und sonst nie von dem Fang erfahren hätten. Innerhalb weniger Sekunden hat die frische Ware den Besitzer gewechselt, ohne die Geldbörse zucken zu müssen.
Darüber hinaus hat die Einführung auch makroökonomische Gründe. Nicht wenige Devisen, welche über Geldsendungen aus dem Ausland nach Kuba gelangen, landen auf dem Handysaldo. So können sie jedoch nicht in Zirkulation gebracht werden. Bisher lassen sich mit dem Handyguthaben nur Internet, Telefonie, Strom, Wasser und einige andere basale Dienstleistungen bezahlen. Künftig soll jedoch auch der Milchshake vom Straßenhändler, die Pizza um die Ecke oder der Gemüseeinkauf auf dem Bauernmarkt mit dem Smartphone abgewickelt werden können. Dabei lässt sich die eigene Girokarte, über welche bereits 80 Prozent der 5 Millionen erwerbstätigen Kubaner verfügen, mit der App verknüpfen. Mit stabilem Handynetz, welches derzeit in den meisten größeren Städten gewährleistet ist, lassen sich Transaktionen so viel schneller abwickeln als per Girokarte.
Vorbild China
Entwickelt wurde der Dienst von der staatlichen Softwareschmiede Xedit in Zusammenarbeit mit der 2006 gegründeten Informatikuniversität UCI, die auch für andere Neuentwicklungen verantwortlich sind. Wie die Zeitung „Juventud Rebelde“ berichtet, orientiert sich die Funktionalität an den aus der Volksrepublik China bekannten Anwendungen wie „WeChat“ oder „Alipay„, welche sich im Reich der Mitte schon vor Jahren zur Standardoption für viele Einkäufe entwickelt haben. Der Download von „EnZona“ erfolgt indes über den kubanischen Appstore Apklis, welcher außerhalb Kubas nicht abrufbar ist. Auf Kuba selbst ist die Anwendung jedoch in jedem Handyladen beziehbar. Zu ihrer Nutzung benötigt man lediglich eine kubanische SIM-Karte, welche auch für Touristen verfügbar ist.
Nach einem kurzen Betatest Anfang des Monats wurde am Dienstag der landesweite Start des staatlich entwickelten Bezahldienstes eingeläutet. Mehr als 2.000 Nutzer haben sich zur Stunde bereits registriert und über 11.000 Transaktionen abgewickelt. Das ist jedoch erst der Anfang. Konkurrenten wie „Transfermóvil“ und „toDus“ stehen mit ähnlichem Funktionsumfang schon in den Startlöchern. Bei letztgenannter Anwendung handelt es sich um die kubanische Antwort auf „WhatsApp“. Mit seinen rund 800.000 Nutzern zählt „toDus“ inzwischen zu den meistgenutzten Messenger-Clienten auf der Insel und wird bald ebenfalls Finanztransaktionen ermöglichen. Noch gibt technische Kinderkrankheiten und noch ist die Nutzerzahl relativ gering. Doch sogar die Einführung einer eigenen Kryptowährung, welche gänzlich neue Möglichkeiten zur Umschiffung der US-Wirtschaftsblockade eröffnen würde, ist bereits in Planung.
Fazit: Überholen, ohne einzuholen
Mit der Einführung der bargeldlosen Bezahlung per App überspringt Kuba die Phase der Kartenterminals in jedem Geschäft und geht direkt in die Ära der mobilen Bezahlsysteme über. Das birgt Vorteile für alle Beteiligten: die Verkäufer sparen sich die Standleitung und das teure Kartenlesegerät und können so ihre Produkte landesweit vermarkten, während der Kunde künftig keine Bargeldbündel mehr durch die Gegend tragen oder in der sengenden Hitze vor der Bank warten muss. Gleichzeitig verbessert sich der Informationsfluss auf dem Markt und die Zirkulationsgeschwindigkeit von Waren und Dienstleistungen erhöht sich. Die Digitalisierung, soviel steht fest, kennt auf Kuba seit Jahren nur eine Richtung: nach vorne.
5 Gedanken zu “Ära des bargeldlosen Bezahlens auf Kuba eingeläutet”