4. Dezember 2024

Henry Kissinger drängte 1976 auf einen US-Angriff gegen Kuba

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Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger (* 1923) (Quelle: The Telegraph)

Der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger (1973-1977) hat 1976 einen breit angelegten Angriff auf das sozialistisch regierte Kuba durchsetzen wollen. Das haben zwei US-Historiker nun in einem neuen Buch enthüllt. Den Recherchen von William M. LeoGrande und Peter Kornbluh zufolge reagierte Kissinger damit auf das militärische Engagement der kubanischen Regierung in Afrika.

Im Herbst 1975 hatte Havanna die Unterstützung der angolanischen Befreiungsfront Movimento Popular de Libertação de Angola (MPLA) beschlossen und zeitweise bis zu 40.000 Mann in das afrikanische Land entsandt. Dieser Einsatz Kubas hat in letzter Konsequenz auch zur Unabhängigkeit Namibias und zum Ende des rassistischen Apartheid-Regimes in Südafrika geführt.

Nach den Recherchen der US-Autoren, die Zugang zu bislang geheim eingestuften Regierungsunterlagen bekommen haben, sah Kissinger das Eingreifen Kubas in Afrika als persönliche Schmähung an. Denn in den Jahren zuvor hatte sich der damalige US-Außenminister aus pragmatischen Erwägungen heraus für eine Annäherung an Kuba eingesetzt. Das militärische Engagement Kubas empfand er offenbar als persönliche Brüskierung, zumal es seine Pläne für den afrikanischen Kontinent durchkreuzte.
LeoGrande und Kornbluh haben parallel zur Präsentation ihres Buches „Back Channel to Cuba: The Hidden History of Negotiations between Washington and Havana“ eine Reihe von Dokumenten veröffentlicht, die über Kissingers Pläne Auskunft geben. So belegt die Dokumentation eines Treffens mit hochrangigen Militärs am 24. März 1976 Erwägungen, Luftangriffe auf Kuba zu fliegen und Häfen zu verminen. „Ich denke, wir werden (den kubanischen Staats- und Regierungschef Fidel) Castro vernichten müssen“, sagte Kissinger demnach bei dem Treffen mit Militärs und mit dem damaligen US-Präsidenten Gerald Ford (1974-1977), bei dem auch der spätere Verteidigungsminister Donald Rumsfeld anwesend war.

Die angesichts des kubanisch-sowjetischen Bündnisses auch politisch heikle Initiative wurde erst durch die Wahl des gemäßigten Kandidaten der Demokratischen Partei, James Carter, Anfang November 1976 gestoppt. Carter setzte sich nach seinem Amtsantritt Anfang 1977 für eine Annäherung an Kuba ein und eröffnete eine Interessenvertretung in Havanna.

Gegenüber der New York Times (NYT) schildert der Kuba-Kenner Kornbluh einen regelrechten Rachefeldzug des damaligen US-Außenministers. Kissinger, der es gewohnt war, die Figuren auf der Weltkarte wie in einem Schachspiel zu verschieben, habe es als persönliche Beleidigung aufgefasst, dass ein kleines Land wie Kuba seine Pläne für Afrika durchkreuzt hat, so der Historiker. „Er war daher im Grunde bereit, mit der geballten Kraft der Führungsmacht USA gegen Fidel Castro zurückzuschlagen“, so Kornbluh, der Kissingers Einlassungen im Gespräch mit Präsident Ford als „extrem wütend“ und „aggressiv“ beschreibt.

Die Enthüllungen, zu denen gegenüber der NYT weder Kissinger noch Rumsfeld Stellung nehmen wollten, kommen für die US-Regierung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die Mehrheit der lateinamerikanischen und karibischen Staaten drängt ohnehin schon auf ein Ende der von den USA bislang aufrecht erhaltenen Isolation Kubas. Beim kommenden Amerika-Gipfel, der seit 1994 auf Initiative Washingtons stattfindet, wird Kuba wohl gegen den Widerstand der USA mit dabei sein. Die Veröffentlichungen der Angriffspläne schwächt nun die Position der USA, die eine Reintegration Kubas in die Gemeinschaft der amerikanischen Staaten weiterhin zu verhindern versuchen.

Aber auch in Deutschland dürfte die Aufdeckung der Pläne Kissingers für neue Debatten sorgen. An der Universität Bonn soll – maßgeblich finanziert vom Verteidigungsministerium und dem Auswärtigen Amt – eine Stiftungsprofessur zu Ehren des US-Politikers eingerichtet werden (Protestegegen Professur und Putsch. Gegen den Lehrstuhl „für Internationale Beziehungen und Völkerrecht“ laufen Studierende und Wissenschaftler Sturm. In einer Pressemitteilung hatte die Uni Bonn Mitte vergangenen Jahres den damaligen Außenminister Guido Westerwelle mit der Einschätzung zitiert, Henry Kissinger habe sich „in herausragender Weise um Friedenspolitik und Entspannung, um Sicherheit und Abrüstung in der Welt verdient gemacht“.

von Harald Neuber / Telepolis

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Ein Gedanke zu “Henry Kissinger drängte 1976 auf einen US-Angriff gegen Kuba

  1. Dieser Einsatz in Angola hat weder zur Unabhängigkeit Namibia´s noch zum Ende der Apartheid geführt. Das waren komplett andere Gründe. Es sei nur soviel gesagt, dass die Kubaner der SADF hoffnungslos unterlegen waren. Ihnen hat Material, Ausbildung, Kampfkraft und Motivation gefehlt. Sie wurden nach Angola befohlen, verheizt und vergessen. Als Dank für seinen Einsatz für die Truppe wurde General Ochoa hingerichtet weil er den Castro´s zu gefährlich wurde. Hier irrt sich der Autor Harald Neuber also gewaltig.

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