Havanna. Trotz vorheriger Absage durch die Veranstalter hat am Samstag in der kubanischen Hauptstadt Havanna die diesjährige Parade der LGBT-Bewegung stattgefunden. Rund 200 Aktivisten marschierten vom Parque Central der Altstadt bis zur Uferpromenade Malecón. Die Polizei reagierte zurückhaltend auf die nicht genehmigte Demonstration. Dennoch kam es gegen Ende zu Provokationen einiger Teilnehmenden in deren Folge drei Personen festgenommen wurden. Anders als in deutschsprachigen Medien berichtet, wurde der Zug jedoch nicht bereits nach 400 Metern gestoppt.
Am vergangenen Dienstag hat in Kuba die 12. Ausgabe der „Tage gegen Homo- und Transphobie“ unter dem Motto „Alle Rechte für alle Personen“ begonnen, die bis zum 18. Mai andauern. Zu den Zielen gehört nach Angaben der Veranstalter, alle Formen von Diskriminierung und Gewalt aufgrund des Geschlechts sichtbar zu machen, zu bekämpfen und zu überwinden, insbesondere solche, die mit der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität zusammenhängen. Mit Filmen, Diskussionsveranstaltungen und Workshops soll Aufklärung gegen homophobe Ressentiments betrieben werden.
Die traditionelle Parade wurde dieses Jahr jedoch aufgrund „internationaler und regionaler Spannungen“ vom Gesundheitsministerium abgesagt, wie das Nationale Zentrum für Sexualerziehung (Centro Nacional de Educación Sexual, Cenesex) als Veranstalter im Vorfeld bekannt gab. Die Leiterin des Instituts, Mariela Castro, warnte bereits im Vorfeld vor ausländischer Einflussnahme auf die Demonstration.
Dennoch versammelten sich am Samstag mehrere hundert Aktivisten im Parque Central der Altstadt, um von dort aus die Demonstration zu beginnen. Anders als in deutschsprachigen Medien berichtet, wurde der Zug nicht bereits nach 400 Metern gestoppt, sondern konnte die fast einen Kilometer lange Strecke bis zur Uferpromenade Malecón unter Duldung der Behörden zurücklegen. Wie Zeugen vor Ort berichten, begann sich die Demonstration an dieser Stelle langsam aufzulösen, Gruppenbilder wurden gemacht.
Einige Teilnehmer zogen anschließend jedoch weiter in Richtung Malecón. Die Polizei untersagte dies aus Gründen der Verkehrssicherheit und sprach eine Verwarnung aus. Die vierspurige Uferstraße wird normalerweise bei Demonstrationen weiträumig für den Verkehr gesperrt, was aufgrund der fehlenden Genehmigung am Samstag nicht der Fall war. In der Folge kam es zu Handgemengen, die in drei Festnahmen mündeten. Wie das oppositionelle Medium „14ymedio“ berichtet, waren alle Festgenommenen, unter denen sich auch die bekannte Dissidentin Iliana Hernández befand, noch am selben Tag wieder auf freiem Fuß.
Einige der Aktivisten kritisierten das Vorgehen der Polizei anschließend scharf. Auch der Liedermacher Silvio Rodríguez und der Parlamentsabgeordnete Luis Ángel Adán Roble schlossen sich der Kritik an. Adán Roble, der selbst LGBT-Aktivist ist, bezeichnete die Absage der offiziellen Demonstration als „Fehler“ und widersprach der Aussage, diese sei von außen instrumentalisiert worden. Andere hingegen verurteilten die Provokation durch Teile der Demonstrierenden.
Mariela Castro bezeichnete die Eskalation am Ende der Demonstration als „von Miami orchestrierte Show“. In einem Facebook-Post vom Sonntag kritisierte sie die Instrumentalisierung der Demonstration durch Funktionäre der US-Botschaft sowie ausländischer Medien, welche die LGBT-Bewegung gegen die Revolution in Stellung bringen wollten. „Unseren Regenbogen malen wir stolz in den Farben des Antiimperialismus“, so Castro.
Der chilenische LGBT-Aktivist Víctor Hugo Robles warnte in einem Artikel vor der Instrumentalisierung der Schwulen- und Transsexuellenbewegung auf Kuba durch die USA. Anders als in den letzten Jahren befanden sich am Samstag auch einige bekannte Dissidenten unter den Demonstrierenden, darunter die in den USA lebende Tania Bruguera, die offensichtlich extra angereist war. Laut Gerüchten vor Ort unterstützten auch ausländische Botschaften die Kundgebung.
Cenesex fördert bereits seit Jahren den Kampf gegen Homo- und Transphobie auf Kuba. Obwohl die Einführung der „Ehe für alle“ im Zuge der Volksaussprache im Vorfeld zu Kubas neuer Verfassung mehrheitlich abgelehnt wurde, hat sich die Stimmung in den letzten Jahren zugunsten der LGBT-Community gewandelt. Laut einer 2016 veröffentlichten Studie sind 77 Prozent der Kubaner der Ansicht, dass Schwule und Lesben die gleichen Rechte wie alle anderen genießen sollten. In der selben Umfrage im Jahr 1989 teilten lediglich 23,3 Prozent der Befragten diese Haltung. Zu den schärfsten Kritikern der Gleichstellung zählen in jüngster Zeit auf Kuba vor allem evangelikale Gruppen und andere christliche Fundamentalisten. (Amerika21)
Natürlich versuchen ausländische reaktionäre Kräfte immer, solche Anlässe zu instrumentalisieren. Das kann aber keine Rechtfertigung dafür sein, eine Demonstration von ein paar hundert Leuten nicht zuzulassen und am Ende gewaltsam aufzulösen. So leid es mir tut, aber man muss festhalten, dass die kubanische Bevölkerung und die Regierung noch immer überwiegend homophob ist. Sicher nicht mehr so wie vor 20 Jahren, aber dennoch. Die „Ehe für alle“ gehört dringend eingeführt um das zu verbessern.
Das sehe ich etwas anders: Tatsächlich hat vor allem die angekündigte Drohung der immer einflussreicher werdenden evangelikalen Kreise, eine homophobe Gegendemonstration zu veranstalten, zur geplanten Aussetzung der diesjährigen Parade geführt. Die sich androhende Auseinandersetzung auf der Straße sollte wohl unbedingt vermieden werden. Darin sehe ich die wesentliche Ursache für die fehlende offizieller Unterstützung der diesjährigen Demonstration. Diese Entscheidung kann man kritisieren, allerdings wurde sie wohl kaum aus Gründen der Homophobie getroffen. Dass es nicht gegen die Queer-Gemeinde ging zeigt auch die Tatsache, dass die Polizei extrem deeskalierend reagiert hat, lediglich gegen die wenigen Dissidenten, die die Demo als Bühne für medial gut inszenierte Verhaftungen genutzt haben, wurde vorgegangen. Der Teil der Demo zog jedoch dann weiter zur Cenesex-Feier in Echeverria, für die sogar ein kostenloser Bus bereitstand.
Welche Teile der kubanischen Regierung sind denn deiner Meinung nach homophob? Sicher, es gibt homophobe Funktionäre und PCC-Mitglieder, keine Frage. Das ist allerdings nicht die offizielle Politik des Staates, im Gegenteil. Dieser gibt nicht nur Geld für subventionierte Verhütungsmittel aus, sondern fördert auch die Aufklärung gegen homophobe Ressentiments in Medien und Plakatkampagnen, während die Diskriminierung aufgrund geschlechtlicher Identität mit der neuen Verfassung explizit verboten wurde. Dass diese kontinuierliche Politik inzwischen Früchte trägt, ist auch empirisch messbar: Während 1989 lediglich 23 Prozent der Kubaner gleich Rechte für Schwule und Lesben akzeptierten, sind es heute gut 77 Prozent. Wie Mariela Castro gestern in der „Mesa Redonda“ (der gut einstündigen Diskussionsrunde am Abend) unter Beisein von zwei LGBTI-Aktivisten ankündigte, wird es keinen Schritt zurück auf dem Weg der Gleichstellung geben, der sich in dem neuen Familiengesetz ausdrückt, welches gerade erarbeitet wird. Die Frage nach der „Ehe für alle“ auf Kuba lautet nicht _ob_, sondern _wann_.
Das war mir schon klar, dass du das anders siehst. Kritische Bemerkungen zu Kuba sind nicht wirklich dein Thema. Dass sich das kubanische Sicherheitssystem von ein paar evangelikalen Spinnern einschüchtern lässt, wer’s glaubt …. Na ja. Warum wurde dann nicht die Gegendemonstration z. B. an einen anderen Ort verlegt ?
Dann schreibst du dass die „Diskriminierung aufgrund geschlechtlicher Identität mit der neuen Verfassung explizit verboten wurde“. Und der Ausschluss der Ehe für alle ist deiner Meinung nach keine Form der Diskriminierung ?
Es sind eben jene Teile der Regierung als homophob zu bezeichnen, die genau das so zugelassen haben. Dass sich Mariela Castro für die Gleichstellung einsetzt, ist bekannt, aber genauso bekannt ist, dass sie deshalb immer wieder Gegenwind verspürt.
Dass die Polizei bei Demonstrationen extrem deeskalierend vorgeht, wäre auch ein Novum. Da unterscheidet sie sich nicht von der Polizei hier, die verprügelt auch und schuld sind am Ende die Demonstranten.
Weisst du, mit Verklärungen wird niemand den Sozialismus schützen. Wenn ich deine Ausführungen meinen kubanischen Freunden zeigen würde (und das sind keine Reaktionäre), würde das nur belächelt werden.
Naja, bei der Volksaussprache kam nunmal heraus, dass die Mehrzahl der Leute noch gegen die Einführung der Ehe für alle war. Allerdings wurde ja die Formulierung der Ehe in dem Text dennoch von „zwischen Mann und Frau“ auf „zwischen zwei Partnern“ verändert, was die Einführung im Rahmen des Familiengesetzes auch ohne Verfassungsreform möglich macht.
Eben, sag ich ja und du bestätigst es. Die Mehrheit der Leute ist gegen die Einführung der Ehe für alle. Also homophob.
Gegen die Einführung der Ehe für alle zu sein, ist denke ich nicht gleichzusetzen mit Homophobie. Trotzdem stimmt es, dass die Mehrzahl der Leute nicht bereit dafür war. Das ändert aber halt nichts daran, dass es erklärtes Ziel der Politik ist, dies zu ändern und einen Konsens Pro-Ehe für alle herbeizuführen.
Lieber Marcel: Wer Schwulen und Lesben und anderen Geschlechtern die gleichen Rechte abspricht, tut dies in der Regel aufgrund von Homophobie. Rechte dürfen nicht aufgrund der sexuellen Orientierung oder der sexuellen Identität vorbehalten werden. Das nennt man Diskriminierung. Das ist im Bereich der Sozialwissenschaften (wo ich tätig bin), aber auch für Rechtswissenschaftler völlig klar. Da findest du nur noch bei Ultrarechten eine andere Meinung. Und für die ach so witzige Gisela: Schwulen die Gleichberechtigung zur Ehe aufgrund der fehlenden Fortpflanzungsfähigkeit abzusprechen ist ein „Argument“, von dem gedacht habe, dass es schon 30 Jahre mindestens der Geschichte angehört. Offensichtlich gibt es aber auch in diesem Bereich noch ein paar Ewiggestrige. Die (bürgelrliche Klein-) Familie als Reproduktionsstätte zu feiern und hochzuhalten gehört zum ideologischen Überbau des Kapitalismus. Kann man schon bei Friedrich Engels nachlesen. Falls du dir diese Mühe machst, liebe Gisela.
Naja, ich finde deine Erklärung ein bisschen unterkomplex. Es gibt ja nicht nur „Homophobie an / aus“ sondern eine Reihe von Graden homophober Ressentiments. Auf Kuba herrscht heute weitgehend Konsens, dass Homosexuelle _grundsätzlich_ die selben Rechte haben sollten wie jeder andere auch – das war 1989 noch ganz anders. Wenn es um die konkreten Fragen geht … von der Einführung der „Ehe für alle“ (was ja nur ein Teilaspekt der rechtlichen Gleichsetzung ist) bis hin zum Adoptionsrecht nimmt die Zustimmung dann ab. Dein Ursprüngliches Argument, dass die Regierung eine homophobe Politik betreibe, ist halt trotzdem nicht haltbar, denn es wird mittels staatlicher Medien und Institute massiv darauf hingearbeitet, diesen fehlenden Konsens zu schaffen, um die Ehe für alle mit dem Familiengesetz dann doch noch einführen zu können
Mein ursprüngliches Argument war, dass es Teile in der Regierung gibt, die homophope Politik vertreten, eben jene, die es geschafft haben zu verhindern, dass die „Ehe für alle“ in die neue Verfassung kommt. Üblicherweise kümmert sich die Regierung in Havanna ja nicht so gross um die Meinungen in der Bevölkerung, hier scheint es einigen doch ganz gut in den eigenen Kram (oder Wahn) gepasst haben.
Woher weisst du eigentlich, dass heute in Kube weitgehend Konsens darüber herrscht, dass Homosexuelle gleiche Rechte haben sollen ? Meine subjektive Wahrnehmung zeigt da ein ganz anderes Bild. Ich habe selbst blutig geschlagene Homosexuelle vor Diskotheken in Havanna gesehen, das ist allerdings schon ein paar Jahre her. Aber auch heute noch siehst du in kubanischen Discos ausgesprochen selten homosexuelle Paare, die ihre Orientierung ohne Scheu zeigen. Vergleich das mal mit Ländern wie Dänemark, Holland oder Norwegen oder sogar Italien.
Wenn sich das alles jetzt ändern wird, umso besser, das ist historisch überfällig.
Gerade heute war in den Nachrichten, dass nun sogar Taiwan die Ehe für alle einführt. Will sich Kuba wirklich dahinter einreihen ? Auch im katholischen Mexico ist das zumindest teilweise schon möglich. Will sich die kubanische Gesellschaft wirklich von Taiwan und Mexico in Sachen „emanzipatorische Avantgarde“ überholen lassen ? Das wäre nicht nur peinlich, das ist gesellschaftspolitische Bankrotterklärung.
Die Haltung der Bevölkerung zu diesen Fragen wird auf Kuba regelmäßig in Form von empirischen Studien erfasst, siehe: https://cubaheute.de/2019/02/16/kuba-veroeffentlicht-studie-zu-geschlechterverhaeltnissen/
(Link zur Originalquelle im Text)
Klar gibt es noch jede Menge Ressentiments. Aber die Tatsache, dass sich die Mehrheit in den Diskussionen dagegen ausgesprochen hat, spricht halt dagegen, dass es „von oben“ aus dem Text rausgenommen wurde. Auch hat sich ja die ursprüngliche Formulierung der Ehe als „zwischen Mann und Frau“ bereits nach „zwischen zwei Partnern“ verändert.
Es ist allerdings das fest erklärte Ziel in dem neuen Familiengesetz, hier binnen 24 Monaten für eine Änderung zu sorgen. Kuba ist noch immer eines der LGBT-freundlichsten Länder in Lateinamerika würde ich sagen. Hassverbrechen wie sie in Jamaica an der Tagesordnung sind, sind auf Kuba äußerst selten. Homosexualität ist in vielen Ländern noch immer kriminalisiert, während es den Staat nicht interessiert. Auf Kuba gibt die Regierung jedoch Geld für Aufklärung auf diesem Gebiet aus. Auch das ist nicht selbstverständlich. Auch in anderen Dingen zeigt sich das ja, wenn du beispielsweise die Abtreibungsgesetze Kubas mit denen im Rest Lateinamerikas vergleichst…
Tragen wir einfach alles dazu bei, dass es vorwärts geht. Ich sehe schon auch die positiven Ansätze, mir geht’s halt zu langsam. Der Rest von Lateinamerika, da hast du leider recht ….
Hallo,Marcel, lass dich bitte nicht von den Verfechtern der Schwulenehe beeindrucken. Vor allem soll dieses Thema nicht im Zusammenhang mit dem Demokratieverständnis in Kuba diskutiert werden. Ich stelle allen die Frage, wer soll die Nachkommen zeugen. Wie bei Huxley im Reagenzglas??-.Wie sind denn die schwulen Mitbürger entstanden und in welchen Familien wurden sie betreut? Loriot hat Ihnen die originelle Antwort gegeben:“Männer und Frauen passen eben nicht zusammen.“Aber im wahren Leben hat er eine gute Ehe geführt und 2 Töchter gezeugt. LG von Gisela
Hey Gisela! Haha, ja der ist gut 😉 Aber ich denke das Thema mit den Nachkommen dürfte kein Problem werden: nach allem was wir wissen, ist der Anteil von Homosexuellen in jeder Gesellschaft ungefähr gleich – vom Mittelalter bis in die Moderne. Das einzige was sich unterscheidet ist, wie die Gesellschaft mit dieser Gruppe umgeht. Und hier sollte der Sozialismus als emanzipatorische Avantgarde unter den Gesellschaftsformationen doch Vorbild sein. Schon in Deutschland war das ja so: während gleichgeschlechtliche Partnerschaften in der BRD noch bis 1994 kriminalisiert waren (Stichwort §175), war man in der DDR da weiter, wo man den Paragraph schon mit dem neuen Familiengesetzbuch 1968 gestrichen hatte.