Mit einer weitreichenden Reform will Kubas Regierung künftig die Autonomie der rund 5.000 Agrarkooperativen des Landes steigern und damit die Produktion von Lebensmitteln ankurbeln. Ziel ist es, „gleiche Bedingungen für alle Produzenten herzustellen“, wie das Nachrichtenportal „Cubadebate“ berichtet. So dürfen die Genossenschaften künftig nach Erfüllung der Verträge mit dem Staat ihre Überschüsse frei vermarkten und erhalten größere Freiheiten im Management, Kleinbauern hingegen werden erstmals permanent neue Arbeitskräfte einstellen können.
Die neuen Rahmenbedingungen für Kubas Landwirtschaft sind bereits seit längerer Zeit in der Mache. Nach einer ersten gescheiterten Freigabe der Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse in den Jahren 2015/16, versucht Kubas Regierung nun einen zweiten Anlauf. Erklärtes Ziel der Agrarreform ist es, die Lebensmittelproduktion auf der Insel deutlich zu steigern, um teure Importe einzusparen und günstige Preise für die Verbraucher zu ermöglichen. In den vorangegangenen Jahren wurden bereits mehrere kleine Reformschritte auf Seiten der Produzenten unternommen, welche nun unter dem neuen „Gesetzesdekret 365 [Download]“ vereinheitlicht werden. Auch die Festpreise, die der Staat den Bauern für bestimmte Produkte bezahlt, wurden seitdem mehrfach angehoben. Begleitend dazu werden ab diesem Sommer in drei Provinzen die Preise für viele Agrarprodukte freigegeben.
So dürfen Landwirtschaftskooperativen künftig Arbeitskräfte unter Vertrag nehmen, auch wenn diese nicht Teil der Genossenschaft sind. Ebenso sollen auch private Kleinbauern, welche heute vor allem vom Staat gepachtete Flächen bewirtschaften, ihre Produktion mittels Vertragsarbeitern erweitern können. Alle Produzenten, egal ob Kooperative oder Kleinbauernhof, werden ihre Überschüsse dann an staatliche oder private Firmen sowie natürliche Personen direkt verkaufen können, ohne den bisherigen Umweg über die staatliche Abnahmefirma „Acopio“ oder andere Zwischenhändler. Traktoren und Maschinen sollen zudem unbürokratisch durch alle Akteure untereinander verliehen werden können.
Die Verträge mit dem Staat werden weiterhin die Grundlage für das gros der landwirtschaftlichen Produktion bilden. Diese sollen nun allerdings „auf Augenhöhe“ mit den staatlichen Agrarunternehmen ausgehandelt werden. Über die Höhe der Gewinnfonds sowie andere wirtschaftliche Entscheidungen soll in allen Kooperativen künftig ausschließlich durch die Genossenschaftsversammlung und „ohne jedwene externe Einflussnahme“ befunden werden, wie der Leiter für die Entwicklung des Genossenschaftswesens beim kubanischen Agrarministerium, Ricardo Monzón Novoa, am Dienstag im kubanischen Fernsehen erklärte. Bisher galten in den drei verschiedenen Genossenschaftstypen UBPC, CPA und CCS in dieser Hinsicht verschiedene Regeln. Besonders im Fokus stehen die ab 1960 entstandenen Kooperativen vom Typ CCS („Genossenschaften für Kredit und Dienstleistung“, span. „Cooperativas de Créditos y Servicios„), welche zu den produktivsten landwirtschaftlichen Erzeugern Kubas gehören. Sie sollen künftig „von allen Funktionen entbunden werden, die nicht ihrer Hauptaufgabe“, also der Produktion von Lebensmitteln, dienen.
Darüber hinaus wird für die Kooperativen ein staatlicher Entwicklungsfond aufgelegt werden, der diese schrittweise rekapitalisieren soll. Ziel ist es, die Kooperativen künftig auch finanziell auf solide Füße zu stellen. Über die zu bildenden Rücklagen soll die Vollversammlung der Mitglieder entscheiden. Mit der steigenden Autonomie soll zugleich die kooperative Kultur in den Genossenschaften verstärkt werden, hierzu sollen entsprechende Schulungen Werte wie „Freiwilligkeit, gegenseitige Hilfe, ökonomische Selbstständigkeit, und Genossenschaftsgeist“ vermitteln. Im Rahmen der Digitalisierung von Verwaltung und Steuerprüfung werden die Genossenschaften dazu angehalten, ihre Verkäufe künftig über Bankkonten abzuwickeln.
Wie die „Granma“ betont, werden mit dem neuen Gesetz 365 wichtige Regeln der „International Co-operative Alliance (ICA)“ auf Kuba implementiert. Es soll 180 Tage nach der Veröffentlichung, also diesen November in Kraft treten. Viele Einzelmaßnahmen der letzten Jahre wurden darin zusammengefasst. Die schon seit längerem geplante Erweiterung der Autonomie für Kooperativen könnte noch in diesem Jahr umgesetzt werden. Dass das auch positive Auswirkungen auf die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte haben könnte, zeigt das Beispiel der CCS-Genossenschaften, welche als Zusammenschluss von Kleinbauern traditionell über die größte Autonomie verfügen und heute zu den wichtigsten Produzenten gehören. Noch muss Kuba rund 80 Prozent seines Lebensmittelbedarfs importieren. Schrittweise allen natürlichen und juristischen Personen des Agrarsektors gleiche Bedingungen und gleichen Zugang zu Inputgütern zu garantieren, könnte sich als genau der richtige Schritt erweisen, um an diesem Zustand mittelfristig etwas zu ändern.
Ein Gedanke zu “Kuba beschreitet neue Wege in der Landwirtschaft”