19. März 2024

Medikament aus Kuba zur Behandlung des Coronavirus bald auch in Deutschland?

Krisenmanagement in Zeiten von Corona: Kubas Premierminister Manuel Marrero (links) und Präsident Miguel Díaz-Canel (Mitte) treten genauso wie viele ihrer Landsleute nur noch mit Atemschutzmaske in der Öffentlichkeit auf (Quelle: Granma)

Der in Kuba entwickelte antivirale Wirkstoff Interferon Alpha-2B könnte bald auch in Deutschland zur Behandlung von Covid-19 Patienten eingesetzt werden. Laut einer Meldung der deutschen Auslandshandelskammer in Havanna (AHK) laufen derzeit Verhandlungen zwischen der staatlichen Unternehmensgruppe BioCubaFarma und dem sächsischen Unternehmen Profümed über die Einfuhr der ersten Chargen.

Wie das Parteiorgan Granma berichtet, befindet sich Kuba derzeit mit 45 Ländern in Gesprächen über den Export des Medikaments. In der Volksrepublik China ist der unter dem Namen „Heberon® Alfa R“ vermarktete Wirkstoff bereits seit 2007 zugelassen und wird dort zur Behandlung von Corona-Patienten eingesetzt. Die Zahl der Infizierten auf Kuba ist inzwischen auf 139 gestiegen, drei Personen starben auf der Insel bisher an den Folgen des Virus.

Interferone sind Signalproteine die eine Rolle bei der körpereigenen Immunabwehr spielen. Sie helfen dem Immunsystem, vom Virus befallene Zellen besser zu erkennen und die Vermehrung des Virus zu stören. Der kubanische Wirkstoff wurde in den 1980er Jahren vom Zentrum für Genetik und Biotechnologie (CIGB) entwickelt und seither bei der Behandlung verschiedener Arten von Karzinomen, Hepatitis B und C, HIV und Dengue verwendet. Während der SARS-Epidemie 2002 und der MERS-CoV-Epidemie 2012 auf der arabischen Halbinsel bewährte sich das Medikament auch auf anderem Gebiet. Im Fall des neuartigen Corona-Virus hat sich das rekombinante natürliche Interferon Alpha-2B ebenfalls als wirksam herausgestellt. Es wird in der von der pharmazeutischen Vereinigung Chinas herausgegebenen „Leitlinie zum Umgang mit der COVID-19- Epidemie“ als erster antiviraler Wirkstoff bei der Behandlung von Covid-19 Patienten empfohlen. Seit Ende Januar wird das Mittel in der Stadt Jilin im Rahmen des Joint-Ventures „Changchun Heber Biological Technology“ auch in der Volksrepublik selbst hergestellt.

Nun könnte das Medikament bald in weiteren Ländern zum Einsatz kommen. Neben Spanien und Mexiko gibt es auch in Deutschland Interesse. Derzeit geht es um die Einfuhr erster Chargen für 1.000 Patienten, über die das sächsische Unternehmen Profümed mit dem Hersteller BioCubaFarma verhandelt. Bisher fehle vor allem die Zulassung sowie die notwendige Einfuhrgenehmigung von deutscher Seite, heißt es in der AHK-Meldung.

Seit dem 11. März ist auch Kuba von der Corona-Pandemie betroffen. Das Gesundheitsministerium (MINSAP) gab an diesem Tag bekannt, dass drei Touristen aus der italienischen Lombardei positiv auf das Virus getestet wurden. Kurze Zeit darauf hat die Insel ein Team aus 53 Ärzten und Pflegekräften der internationalistischen Hilfsbrigade „Henry Reeve“ in die Lombardei entsandt. Zuvor hatte die Region formell um internationale Hilfe gebeten. 130 kubanische Spezialisten sind in Venezuela im Einsatz, ein weiteres Kontingent macht sich dieser Tage nach Angola auf. Insgesamt werden derzeit 13 Länder bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie von kubanischen Fachkräften unterstützt, 35 weitere Anfragen sind bereits eingegangen. Mit dem Export von Interferon könnte die Insel einen weiteren Beitrag zur Bewältigung der globalen Corona-Krise leisten. Dessen Produktion ist, genauso wie die von 22 anderen auf Kuba als „Corona-relevant“ gelisteten Medikamenten, laut Angaben des Herstellers BioCubaFarma abgesichert.

Ein Vertreter des Gesundheitsministeriums informiert jeden Vormittag in einer Online-Pressekonferenz, die live in Fernsehen und Internet übertragen wird, über den Verlauf der Pandemie. Inzwischen haben mit Ausnahme von Guantánamo, Mayabeque und die Insel der Jugend alle Provinzen des Landes Fälle gemeldet.

Die Zahl der Infizierten stieg auf Kuba bis Samstag um 20 Personen auf 139 an. Am stärksten betroffen ist weiterhin die Hauptstadt Havanna mit 39 Fällen. Seit dem 24. März hat Kuba den Fremdenverkehr geschlossen, Einreisen dürfen nur noch kubanische Staatsangehörige, die sich danach für zwei Wochen in eine Quarantäneeinrichtung begeben müssen. Noch im Land befindliche Touristen werden derzeit in Hotels umquartiert und sollen in den kommenden Tagen ausgeflogen werden. Vergangene Woche haben nach Bars, Kinos, Theatern und Nachtklubs am Dienstag auch Schulen und Universitäten geschlossen. Am selben Tag stellten Fernbusse und überregionale Züge den Betrieb ebenfalls ein. Die Bevölkerung ist aufgerufen, die Wohnung nur noch zu verlassen, wenn es unbedingt notwendig ist. Öffentliche Verkehrsmittel verkehren weiter, dürfen aber seit Ende der Woche nur noch mit Schutzmasken betreten werden. Im kommenden Monat sollen mehr Produkte über das staatliche Zuteilungssystem abgegeben werden, was eine gerechtere Verteilung als „durch den Markt oder nach der größten Rentabilität“ ermögliche, so Wirtschaftsminister Alejandro Gil, der einräumte, dass die Produktion und Importkapazität nicht ausreichend sei um die Nachfrage in den Geschäften zu decken.

Am Samstag wurde auf der Insel die erste inländische Übertragungskette aufgedeckt. Das Virus verbreite sich „mit exponentieller Geschwindigkeit“, warnte Präsident Miguel Díaz-Canel, der wie alle Regierungsvertreter und viele Personen auf der Straße inzwischen nur noch mit Atemschutzmaske auftritt.

Kuba kann bei der Eindämmung der Pandemie auf sein bewährtes Gesundheitssystem setzen, das bereits mit Krankheiten wie Dengue, Zika und dem Cholera-Bakterium Erfahrungen gesammelt hat. Derzeit sind Familienärzte und Vertreter von Massenorganisationen dazu angehalten, von Tür zu Tür zu gehen, aufzuklären und eventuelle Verdachtsfälle sofort zu isolieren. Rund 2.317 Personen stehen mittlerweile unter Quarantäne, davon sind 684 Verdachtsfälle. Bisher starben auf Kuba drei Personen an den Folgen des Virus.

Hilfe bekommt die Insel aus der Volksrepublik China. Durch Sachspenden aus dem befreundeten Land konnte Kuba seine Testkapazitäten inzwischen auf 1000 pro Tag erhöhen. In den vergangenen Tagen wurden durchschnittlich rund 300 Personen pro Tag in den drei dafür ausgerüsteten Laboren getestet. Francisco Durán, Leiter der Epidemiologie beim MINSAP, bedankte sich am Samstag in der Pressekonferenz für die Materialsendungen, von denen im Laufe der Woche weitere eintreffen sollen. Die Spenden aus der Volksrepublik würden „sehr hilfreich für das Land werden, wenn sich die Krankheit hier weiter verkompliziert“, so Durán. Kuba verfüge aktuell über 330 Intensivbetten, könnte deren Anzahl aber bald auf 700 aufstocken, wie Gesundheitsminister José Angel Portal Miranda erklärte.

Präsident Díaz-Canel hatte bereits Anfang vergangener Woche gewarnt, dass die Dunkelziffer „sechs- bis zehnmal höher“ liegen dürfte als die bisher identifizierten Fälle. Es obliege jetzt „der Verantwortung aller“, die neuen Maßnahmen umzusetzen und zu Hause zu bleiben, appellierte das Staatsoberhaupt an die Bevölkerung. In den sozialen Netzwerken riefen auf Kuba zahlreiche Nutzer dazu auf, nach dem täglichen Abfeuern der Kanonen in der Hafenfestung von Havanna, um 21 Uhr, von den Terrassen und Balkonen aus für das Gesundheitspersonal zu applaudieren. Am Sonntag wurde in den Abendachrichten die Bevölkerung aufgefordert, sich der „schönen Geste“ anzuschließen.

In Deutschland ruft das Netzwerk Kuba zu Spenden für den Inselstaat auf, dem mit dem Ausbleiben des Tourismus nun die Einnahmen aus den Devisen fehlen. Der Tourismus ist einer der stärksten Wirtschaftszweige Kubas (A21).

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6 Gedanken zu “Medikament aus Kuba zur Behandlung des Coronavirus bald auch in Deutschland?

  1. Einerseits sollen die Cubaner Distanz voneinander halten, andererseits bilden sich vor Lebensmittelgeschäften aufgrund der katastrophalen Versorgungslage lange Schlangen und Menschenansammlungen. Viele schreiben: „No nos va matar el virus, nos va matar el hambre“( nicht das Virus wird uns umbringen, sondern der Hunger).
    Und Spenden? An wen gehen die dann? An das Militär und an die komm. Partei oder ans Volk??

    1. Unterstütze am besten die Menschen, die du kennst, z.B. indem du deren Mobiltelefon auflädst und ihnen damit ermöglichst, sich zu informieren oder miteinander zu kommunizieren. Obendrein müssen sie nicht selbst die absurd hohen Telefonkosten tragen. Geldüberweisungen funktionieren auch. Hilfspakete können allerdings derzeit nicht versandt werden, weil Pakete und Post aus dem oder in das Ausland derzeit nicht transportiert werden. Ob man nun Spenden über systemnahe und -freundliche Organisationen mit bedienen will, muss jeder selbst wissen. Die Regierung geht mit Geld nicht optimal um, zumindest hätte ich damit meine Probleme, Geld in einen Topf zu spenden, dessen Verwendung unklar bleibt.

    2. Wenn das so ist, dann frage ich mich, warum die Lebenserwartung der Kubaner bei ca. 80 Jahren liegt, und damit höher als in den USA und die meisten anderen Länder! Dabei handelt es sich um offizielle Angaben der Weltgesundheitsorganisation und der UNO! Wenn sie hungern würden und unterernährt wären, dann wäre diese Lebenserwartung unlogisch!! Bitte logisch denken!!!

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