Nachdem Hurrikan Ian am Dienstag über den Westen der Insel zog und dort massive Schäden anrichtete, sind zur Stunde noch immer große Teile des Landes ohne Strom. Mehrere beschädigte Hauptleitungen machten eine Notabschaltung der Kraftwerke erforderlich. Dessen ungeachtet haben die Aufräumarbeiten begonnen.
Vorweg die gute Nachricht: Der kubanische Zivilschutz hat bereits Tage vor der Ankunft des Sturms umfangreiche Vorbereitungen getroffen. Drei Menschen verloren in Pinar del Río in Folge einstürzender Gebäudeteile ihr Leben, durch die rechtzeitige Evakuierung von rund 50.000 Personen konnte schlimmeres verhindert werden. Das für seine Effektivität weltweit anerkannte Präventionssystem hat auch in Zeiten der Wirtschaftskrise seine Reaktionsfähigkeit unter Beweis gestellt.
„Cero Generación“
Während am Dienstag bereits die ersten Aufräumarbeiten begannen, ereignete sich kurz vor 18 Uhr der „Super-GAU“ für die Stromversorgung: In Folge zweier gebrochener Hauptübertragungsleitugen in Matanzas, wo die wichtigsten Erzeuger für den Westteil der Insel stehen, musste auf eine Ersatzleitung ausgewichen werden. Als diese aufgrund der Überlastung auch noch barst, destabilisierten sich Spannung und Netzfrequenz im gesamten Land. Um Schäden zu vermeiden wurden deshalb sämtliche Großkraftwerke heruntergefahren. Mit den Worten „Null Erzeugung“, Cero Generación, verkündete der Stromversorger UNE schließlich den Zusammenbruch des Stromnetzes.
Auf Satellitenbildern ist zu erkennen, dass das Land am Dienstag Abend bis auf kleinere Lichtflecken praktisch vollständig im dunkeln lag. Havannas Flughafen konnte dennoch wie geplant am Mittwoch seinen Betrieb aufnehmen, auch Hotelgäste und Krankenhäuser hatten Licht, da diese Gebäudetypen über eigene Generatoren verfügen.
Eine ähnliche Situation trat bereits in Folge des schweren Hurrikans „Irma“ im Jahr 2017 auf. Damals dauerte es vier bis fünf Tage, die Stromversorgung wiederherzustellen. Diesmal sind zwar die Sturmschäden geringer, dafür hatte Kuba bereits vor dem Hurrikan mit täglichen Stromabschaltungen aufgrund verschlissener Kraftwerke zu kämpfen. Der Großbrand in Matanzas Anfang August, bei dem mehrere Öltanks den Flammen zum Opfer fielen, hat die Lage zuletzt weiter verschärft.
Genau wie nach Irma wird auch diesmal versucht, einzelne Stromkreise und Nachbarschaften mittels Dieselgeneratoren zu versorgen. Diese werden schrittweise zu größeren Verbünden zusammengeschlossen um kleine „Mikro-Stromnetze“ zu bilden. Damit soll wieder eine Grundspannung im Netz geschaffen werden, welche das Hochfahren der Großkraftwerke begünstigt. Bislang kommen auf diese Weise mehrere hundert Megawatt zusammen. Erste Kraftwerke sind im Osten des Landes bereits wieder am Netz. Gleichzeitig gilt es die vielen gebrochenen Strommasten und Kabel vor Ort zu reparieren, wofür Reparaturbrigaden im ganzen Land mobilisiert worden sind. Bis gestern war das kubanische Stromnetz in Folge des Sturms noch in ein West- und ein Ostnetz geteilt, am frühen Abend konnten diese schließlich wiedervereinigt werden.
Tage ohne Strom
Die Leistung im Netz ist aktuell extrem unstet und schwach, da die meisten Kraftwerke noch immer vom Netz sind. Nach letzten Informationen des Stromversorgers hatten am Donnerstag Abend in Havanna lediglich 37 Prozent der Haushalte Strom. In Pinar del Río und Artemisa sind es noch weniger und auch im Osten des Landes ist das Gros der Häuser dunkel. Lediglich auf der Insel der Jugend können bereits über 70 Prozent der Kunden wieder versorgt werden.
In Folge des mehrtätigen Stromausfalls solidarisierten sich viele Anwohner. Haushalte mit Strom richteten spontan Handyladestationen für die Nachbarschaft ein. Zugleich kochte die ohnehin schon gereizte Stimmung über. In Havannas Stadtteilen Arroyo Naranjo und Cerro ereigneten sich Proteste, bei denen Slogans wie „Stellt den Strom an, verdammt!“ und „Wir wollen Licht!“ skandiert wurden. Unbestätigten Gerüchten zu Folge soll es offenbar auch zu Plünderungen von Geschäften und Konflikten mit der Staatsgewalt gekommen sein, die massiv Präsenz zeigte. Auch in Holguín und anderen Teilen des Landes machte sich nach Tagen der Dunkelheit Unmut breit. Auf Videos ist zu sehen, wie Anwohner lautstark auf Töpfe schlagen, eine geläufige Form des Protests in Lateinamerika. Zeitweise wurde das Internet abgeschaltet.
Für die Menschen bedeutet der anhaltende Stromausfall eine enorme Belastung: Lebensmittelvorräte werden schlecht, da die Kühlschränke auftauen, die Wasserversorgung auf Basis elektrischer Pumpen funktioniert nicht und Diabetiker müssen um die Haltbarkeit ihres Insulins fürchten.
Die Arbeiten zur Wiederherstellung der Stromversorgung gehen indes mit Hochdruck weiter. Präsident Miguel Díaz-Canel besuchte zuletzt das Kraftwerk „Ernsteo Guevara“ in der Provinz Mayabeque. Das Hochfahren der Anlage soll in den kommenden Stunden dazu beitragen, die Versorgung zu stabilisieren. Bis zur vollständigen Wiederherstellung des Stromnetzes könnten allerdings noch Tage vergehen.