Ab dem 1. Januar 2021 wird im sozialistischen Kuba der Peso zur einzigen Landeswährung. Mit der Abschaffung des dualen Währungssystems hält der bisherige Wechselkurs von 24:1 zum US-Dollar auch im Staatssektor Einzug, womit sich das gesamte Lohn- und Preisgefüge auf der Insel neu ausrichten wird. Was wird auf Kuba unter der „Neuordnung“ verstanden und was ändert sich damit alles? Und was bedeutet der Prozess für die Kaufkraft der Bevölkerung? „Cuba heute“ versucht in dieser mehrteiligen Serie, Antworten auf zentrale Fragen der Währungsreform zu finden. (Direkt zum zweiten Teil geht es hier)
Wechselkurse und Preise: Die Mechanik hinter der Währungsreform
Im Jahr 2004 löste der 1:1 an den US-Dollar gekoppelte konvertible Peso (CUC) ersteren als Zahlungsmittel für Importwaren ab, womit neben dem kubanischen Peso (CUP) eine zweite Landeswährung geschaffen wurde. Die Einführung des Devisenäquivalents führte zu einer Stabilisierung der Kaufkraft und einer zentralisierten Devisenverwaltung. Im Laufe der Jahre wurden jedoch immer mehr CUC in Form von Lohn-Stimuli ausbezahlt und die doppelte Buchhaltung ausgeweitet, was den langsamen der Wertverlust der Währung einleitete, die längst nicht mehr ausreichend mit Dollar gedeckt war. 2014, ein Jahr nach der Ankündigung der Währungsreform, akzeptierten die ersten CUC-Läden Pesos als Zahlungsmittel. Zuletzt konnte in der Mehrzahl der Geschäfte auf Kuba mit beiden Währungen bezahlt werden. Ende 2019 begannen die ersten staatlichen Supermärkte, Wechselgeld ausschließlich in CUP auszugeben.
Mit der aktuellen Wirtschaftskrise in Folge von verschärften US-Sanktionen, Energiekrise und Corona-Pandemie wurde inzwischen ein Teil des Einzelhandels wieder dollarisiert. Damit will der Staat Devisen für Investitionen und den Erhalt der Grundversorgung abschöpfen, wozu vor allem die Kosten für Lebensmittel- und Treibstoffimporte für die Stromerzeugung zählen. Die ersten Verkäufe in Fremdwährung begannen im Oktober 2019 mit Autoteilen und Elektrogeräten und wurden im darauffolgenden Juli auf einige dutzend große Lebensmittelgeschäfte ausgedehnt. Kleinbauern und Privatbetriebe können seit Mitte des Jahres über Staatsunternehmen am Außenhandel teilnehmen und dürfen Exportgewinne in Devisen behalten. Anders als in den 1990er Jahren zirkuliert der Dollar heute jedoch nicht mehr als Bargeld sondern ausschließlich in Form von Kreditkarten, der einzigen akzeptierten Zahlungsform in den neuen Devisengeschäften. Der CUC hat in den vergangenen Monaten auf den informellen Märkten indes rund die Hälfte seines Wertes eingebüßt.
Die erstmals 2013 angekündigte und seither mehrfach verschobene Währungsreform verfolgt das Ziel, die CUC- und Peso-Sphären der Wirtschaft mitsamt ihren verschiedenen Wechselkurses wieder zu vereinheitlichen und so korrekte Preissignale zu über die gesamte Bandbreite der Ökonomie zu liefern.
Mit dem neuen Wechselkurs, der jetzt erstmals für alle Akteure gleich ist, behalten die Privathaushalte den bisherigen Kurs der Landeswährung bei. Im Staatssektor erfährt der Peso mit der Angleichung jedoch eine massive Abwertung. Dort wird seit 1959 ein CUP identisch mit einem US-Dollar gerechnet. Dieser Kurs hat sogar die Auflösung der Sowjetunion überlebt, in der Folge jedoch ein intransparentes Geflecht aus Quersubventionen und maßgeschneiderten Prämiensystemen hervorgebracht, welches die Messung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zur Schätzaufgabe werden ließ.
Zwar konnten durch zuletzt immer häufiger werdende händische Eingriffe das Lohn- und Preisgefüge stabil gehalten werden, allerdings zu einem hohen Preis: durch die Gleichsetzung des Pesos mit dem Dollar werden die Staatsunternehmen von den realen Kosten entkoppelt. Importe werden künstlich verbilligt und Exporte sind dadurch kaum rentabel. Beispiel: Setzt eine kubanische Firma Produkte für 500 US-Dollar auf dem Weltmarkt ab, erhält sie aufgrund des internen Wechselkurses von 1:1 lediglich 500 Pesos (also rund 21 US-Dollar). Will sie für 500 US-Dollar importieren, muss sie lediglich diesen Nominalwert in Pesos aufbringen, die vom Staat dann in „echte“ Dollar getauscht werden. Die Verluste, welche so unweigerlich entstehen, müssen vom Staatshaushalt über Subventionen ausgeglichen werden.
Das setzt negative Anreize für Produzenten: Für kubanische Unternehmen macht es in der Regel heute keinen Sinn, Lebensmittel oder Zwischengüter auf dem Binnenmarkt einzukaufen, da z.B. ein Sack kubanische Holzkohle für 50 Pesos (der nur 2 Dollar kostet) für die Firma teurer wäre als das selbe Produkt für 10 Dollar auf dem Weltmarkt einzukaufen. Unternehmen, die stark vom Export leben (welche noch in der absoluten Minderheit sind), werden dafür bisher „bestraft“, indem sie nur 1/24 der Gewinne erhalten. Für Privatbetriebe gilt dies nicht, weshalb mit der Währungsreform nicht zuletzt auch ein wesentlicher Aspekt der neuen Wirtschaftsstrategie umgesetzt wird: die Schaffung von gleichen Rahmenbedingungen für alle Produzenten.
Mehr Lohn, weniger Subvention: Die Rolle der Arbeit stärken
In Folge der Peso-Abwertung werden sich die Kosten für viele Unternehmen erhöhen, was Steigerungen der Groß- und Einzelhandelspreise mit sich bringt. Kerninhalt des „Ordnungsaufgabe“ oder „Aufgabe Neuordnung“ (span.: tarea ordenamiento) genannten Maßnahmenpakets, welches insgesamt 110 Gesetze und Normen umfasst, ist deshalb eine umfangreiche Lohn-, Preis- und Subventionsreform.
Der basale Teil der Lebenshaltungskosten auf Kuba wird bisher über das 1961 eingeführte monatliche Bezugsheft „Libreta“ sowie stark bezuschusste Preise für Elektrizität, Transport und andere Güter extrem niedrig gehalten. Die trotz zweier Teil-Lohnreformen anhaltend niedrigen Gehälter im Staatssektor (die, wie Raúl Castro selbst einräumte, nicht zum Leben reichen) und zunehmende Geldsendungen von Familienangehörigen aus dem Ausland („Remesas“) haben in den letzten Jahren zu einem problematischen Absinken der Erwerbsquote auf Kuba beigetragen. So gehen auf der Insel heute lediglich 64 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter einer offiziellen Beschäftigung nach (2011: 76 Prozent), gleichzeitig haben sich Schwarzmarkt und informeller Sektor ausgedehnt.
Um diesen Zustand umzukehren, soll mit der „Neuordnung“ des Modells die vorhandene Kaufkraft stärker in Richtung der Erwerbsarbeit verteilt werden. Stellen im Staatssektor sollen durch die neue Lohnskala, die von 2100 Pesos (ca. 72 €) bis 9510 Pesos (ca. 327 €) pro Monat reicht, deutlich attraktiver werden. Gleichzeitig werden „exzessive Subventionen und Gratisleistungen“ abgeschafft und die bisherige „gleichmacherische“ Sozialpolitik beendet, wie Präsident Miguel Díaz-Canel in der Ankündigung vom Donnerstag erklärte.
Von der bisherigen Politik flächenmäßiger Preissubventionen profitieren ärmere Einkommensgruppen gleichermaßen wie wohlhabende Haushalte. Kuba werde deshalb dazu übergehen, künftig „Personen und nicht Produkte“ zu subventionieren. Die meisten Güter der „Libreta“, die bisher gegen nur symbolische Beträge abgegeben wurden, werden ab dem 1. Januar zu kostendeckenden Preisen verkauft. Auch Subventionen für Energie, Transport und andere Bereiche gehen zurück.
Mittelfristig soll die „Libreta“ komplett abgeschafft und damit der Arbeitslohn wieder zur zentralen Quelle der Haushaltseinkommen auf Kuba werden. Dabei soll der Grundsatz verfolgt werden, dass „niemand schutzlos zurückgelassen werde“, so der Präsident. Vulnerable Gruppen können deshalb ab Ende des Monats staatliche Transferleistungen beantragen.
Die Reform sei „keine magische Lösung für sämtliche Probleme unserer Wirtschaft“, so Díaz-Canel. Sie bilde jedoch die Voraussetzung für die angestrebte Transformation des Wirtschaftsmodells und werde das Land in eine „bessere Ausgangslage“ versetzen, in der die Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung größer sind und Staatsbetriebe von ihrer erweiterten Autonomie sinnvoll gebrauch machen können. Damit könnten im kommenden Jahr viele der sozio-ökonomischen Kernaspekte des 2017 beschlossen neuen sozialistischen Entwicklungsmodells beginnen, langsam ineinanderzugreifen.
Lesen Sie Morgen in Teil 2:
„Was kostet wieviel? Die neuen Löhne und Preise im Detail“
Sind die Gehälter wirklich so niedrig? Letztens gab es hier einen Artikel mit Internetkosten. Wie soll das ein Kubaner bezahlen? Oder wird das Internet dann noch deutlich günstiger?
Die Erwerbsquote finde ich eigentlich sympathisch. Im Grunde ist das ja ein BGE, leider aber nicht vom Staat bezahlt sondern von Angehörige und Freunde im Ausland.