14. November 2024

Steuergesetz und Genossenschaften auf dem Vormarsch

UBPC-Genossenschaft in Havanna, Stadtteil Alamar
UBPC-Genossenschaft in Havanna, Stadtteil Alamar

Am 23. Juli findet wie bereits berichtet eine Sitzung des kubanischen Parlaments statt, bei der neben Themen wie die Aktualisierung des kubanischen Wirtschaftsmodells, die Energiesituation, Gesundheit, Bildung sowie Außenpolitik besprochen werden. Parlamentspräsident Ricardo Alarcon machte vor einiger Zeit schon darauf aufmerksam, dass bald ein überarbeitetes Steuergesetz verabschiedet würde um neue Anreize für den Privatsektor zu schaffen. Inzwischen wurde nun Prensa Latina zumindestens etwas konkreter: Das Steuergesetz von 1994 soll komplett durch ein neues ersetzt werden, außerdem soll der Staatshaushalt von 2011 und der Plan für 2012 auf der Sitzung überprüft sowie die Fortschritte bei der Implementierung der Maßnahmen des 6. Parteitags kontrolliert werden.

Konkret dürfte das bedeuten, dass wahrscheinlich ein flexibleres Steuersystem mit jährlicher Anpassung Einzug halten wird. Bereits im April war von einem neuen Steuergesetz die Rede, wenn es sich hierbei um das selbe Gesetz handelt wie jenes, das jetzt erst beschlossen werden soll, so tritt dieses dann auch erst im Januar 2013 in Kraft. In Havanna werden die Dinge ohnehin nie so heiß gegessen wie sie gekocht werden.

Gut möglich allerdings, dass dieses Gesetzt auch schon in Richtung von Genossenschaften zielt. Erst am 9.07 wurde in Trabajadores ein Artikel veröffentlicht, in dem der Präsident des kubanischen Genossenschaftsverbandes, Claudio Alberta Rivera, private Genossenschaften als ein belebendes Element für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Landes charakterisierte. Er sagte:

„Wir möchten Genossenschaften in Sektoren wie dem Dienstleistungssektor, Nahrungsmittel, Transport und anderen einsetzen. Das Land arbeitet an der rechtlichen Grundlage hierfür und unsere Erfahrungen in der Landwirtschaft brachten uns in eine bessere Position um diese Form der nichtstaatlichen Verwaltung auf andere Gebiete auszudehnen.“

Interessante Worte, die vielversprechend klingen. Bisher gibt es in Kuba nämlich reichhaltige Erfahrungen mit Genossenschaften, allerdings nur im Bereich der Landwirtschaft. Im Jahr 2010 wurden nur etwa 55,4% der landwirtschaftlichen Nutzfläche vom Staat verwaltet. Nach der Landreform 1993 wurden Schritt für Schritt Teile des Landes unbefristet an sogenannte UBPCs (Unidades Básicas de Producción Cooperativa, Basisheinheiten der genossenschaftlichen Produktion) verpachtet. Diese bewirtschaften 2,8 Millionen Hektar und haben heute in Kuba einen Flächenanteil von etwa 25,5%. Etwa 6% des Landes werden von sogenannten CPAs bewirtschaftet (Cooperativa de Producción agraria, Landwirtschaftliche Produktionskooperative) die im Unterschied zu UBPCs im Besitz des Landes sind. 12,8% werden von CCS und Kleinbauern bewirtschaftet. Die CCS sind Kredit- und Dienstleistungskooperativen, die ebenfalls im Besitz des Landes sind. Eine gute Erklärung der einzelnen Typen bietet die Landwirtschaftsseite von Cuba Sí:

UBPC: Sind Basiseinheiten der Kooperativen Produktion (Unidades Básicas de Producción cooperativa), Land bleibt Staatsbesitz, wird aber unbefristet und kostenlos an die Kooperative verpachtet, Kooperativen schliessen Verträge über Produktionsquoten und Inputs mit dem Staat, Mitglieder besitzen und leiten den Betrieb, wählen ihr Management, verdienen individuellen Lohn je nach ihrer Beteiligung an der Arbeit , Vorteile: Dezentralisierte Strukturen, Kleinere, besser zu managende Betriebe mit grösserer Eigenverantwortung für Produzenten, Zentrale Planung und Verwaltung der Lebensmittelproduktion auch hinsichtlich des Boden- und Wassermanagements, der Plagenkontrolle und der Biodiversität bleibt erhalten, Heute:122.000 Menschen in Kuba arbeiten in UBPC, produzieren in der Regel neben ihrem Hauptprodukt auch Lebensmittel zum Verkauf, UBPC haben den grössten Anteil in der kubanischen Landwirtschaft

CPA: Sind Landwirtschaftliche Produktionskooperativen (Cooperativa de Producción agraria), Land ist im Besitz der Kooperative und wird kollektiv bearbeitet, die Mitglieder täglich entlohnt, Mitgliedern werden Dienstleitungen (Wohnung, Transport) gestellt und die Gewinne der Kooperative werden jährlich unter den Mitgliedern aufgeteilt, Die Kooperative führt Verhandlungen mit dem Staat, Heute: 1133 Kooperativen mit je 40 – 300 Mitgliedern bewirtschaften ca. 10 % des Landes

CCS: Kredit- und Dienstleistungskooperativen (Cooperativa de Crédito y Servicio), Bearbeitung des Landes durch Familienangehörige oder angeheuerte Arbeitskräfte, Mitglieder besitzen ihr Land, können es an Angehörige vererben oder an den Staat verkaufen, Kooperative führt Verhandlungen mit dem Staat über Inputs, Dienstleistungen und Kredite, Heute: 2556 Kooperativen mit je 10 – 40 Mitgliedern bewirtschaften ca. 12 % des Landes

Die Zahlen über die Flächenanteile stimmen nicht ganz mit den meinigen überein, ich habe die Flächenanteile aus dem aktuellen Statistischen Jahrbuch.
Diese Genossenschaften sind allerdings nur im Landwirtschaftssektor aktiv, Genossenschaften im Transport- oder Dienstleistungssektor wären für Kuba etwas völlig neues. Es bleibt spannend, in welchem Rahmen diese Kooperativen in Zukunft operieren werden und ob sich hier nicht ein interessanter neuer Weg auftut um klassisches Privateigentum an Produktionsmitteln zu vermeiden. Denn dem Artikel zufolge bleiben die großen sozialistischen Betriebe das Primat der Wirtschaft, gefolgt von den Genossenschaften. Die reinen Privatbetriebe werden drittrangig bleiben.

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