Havanna. Nach sieben Tagen intensiver Debatten hat die kubanische Nationalversammlung am Samstag den neuen Entwurf der Verfassung des Landes einstimmig verabschiedet. Rund 60 Prozent des ursprünglichen Textes wurde in Folge der dreimonatigen Volksaussprache verändert. Der im ersten Entwurf gestrichene Bezug zum Kommunismus kehrte dabei wieder in die Verfassung zurück. Die Diskussion habe „die politische Kultur bereichert und uns näher an die Bedürfnisse der Menschen gebracht“, urteilte Präsident Miguel Díaz-Canel in seiner Rede auf der Schlusstagung.
Fast neun Millionen Kubaner beteiligten sich an der Aussprache, die zwischen dem 13. August und 15. November stattfand. Am meisten diskutiert worden sein soll der Artikel über das Konzept der Ehe, das in der bisherigen Verfassung „zwischen Mann und Frau“ mit dem Ziel der Fortpflanzung definiert wird. Mehr als 192.400 der rund 783.000 Vorschläge entfielen allein auf diesen Artikel. Die Mehrzahl der Beteiligten sprach sich dabei für die Beibehaltung der bisherigen Formulierung aus.
„Es tut mir sehr weh, dass mein Volk nicht in der Lage war, sich bis zu diesem Punkt zu entwickeln“, äußerte sich die Abgeordnete und Beraterin der 33-köpfigen Redaktionskommission, Majela Ferrari. Es wurde daher entschieden, diese Frage von der Verfassungsdiskussion zu entkoppeln. Dabei wird der Begriff „Partner“ im Entwurf eingeführt, was die Möglichkeit der „Ehe für alle“ offen hält und erstmals auch die rechtliche Gleichstellung von Lebenspartnerschaften zur Diskussion stellt. Die genaue Regelung des Eherechts soll innerhalb von zwei Jahren im Rahmen eines neuen Familiengesetzbuchs festgelegt werden, das in einer gesonderten Volksaussprache beraten werden soll. „Wir machen keinen Schritt zurück“, versicherte die langjährige Vorkämpferin von LGBT-Rechten und Leiterin des Sexualaufklärungsinstituts Cenesex, Mariela Castro.
Der Begriff des Kommunismus, der im Entwurf anders als in der aktuellen Verfassung nicht vorkam, wurde im Ergebnis der Volksaussprache wieder aufgenommen. „Nur im Sozialismus und Kommunismus kann der Mensch seine volle Würde erlangen“, heißt es nun in der Präambel. In Artikel 5 ist ebenfalls wieder vom Voranschreiten hin zur kommunistischen Gesellschaft die Rede, während der Bindestrich in der Definition der Kommunistischen Partei als „martíanisch, fidelistisch und marxistisch-leninistisch“ herausgenommen wurde. Sie lautet nun „martíanisch, fidelistisch, marxistisch und leninistisch“, da es sich in den Augen mancher Hochschuldozenten zuvor um eine „Formulierung mit stalinistischem Beigeschmack“ gehandelt habe, wie Acosta erklärte. Ein anderer Vorschlag, der den Staat explizit als laizistisch definiert, wurde ebenfalls aufgegriffen.
Veränderungen gab es auch beim neuen Verwaltungsaufbau: Die Gouverneure sollen nicht mehr ernannt, sondern auf Vorschlag des Staatspräsidenten von den Gemeindeversammlungen der jeweiligen Provinzen gewählt werden. Die vorherrschende Rolle der sozialistischen Staatsunternehmen und der staatlichen Planung wurde im Rahmen der Debatten bekräftigt. Hinzu kam ein neuer Artikel, der die Mitgestaltung der Arbeiter bei der Planung garantiert. Der Privatsektor und ausländische Investitionen werden in der neuen Verfassung ebenfalls anerkannt, wobei sich der Staat um die Umverteilung des Reichtums zu kümmern hat.
Auch wenn sich die Mehrzahl der Diskutanten in der Volksaussprache gegen die Einführung von Amtszeitbeschränkungen ausgesprochen hat, wurden die entsprechenden Artikel von den Abgeordneten gebilligt. Demnach darf kein kubanischer Präsident bei Amtsantritt älter als sechzig Jahre alt sein sowie maximal zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten regieren. Insgesamt wurden im Ergebnis der Volksaussprache 134 der ursprünglich 224 Artikel verändert, drei wurden gestrichen, 87 erfuhren keinerlei Änderungen.
Am 24. Februar soll die Bevölkerung über den jetzt beschlossenen Text im Rahmen eines Referendums abstimmen.
Neben der Verfassungsreform war auch die diesjährige wirtschaftliche Lage sowie Plan und Staatshaushalt für 2019 Thema der Sitzung. Kubas Bruttoinlandsprodukt konnte in diesem Jahr um 1,2 Prozent zulegen, wie Wirtschaftsminister Alejandro Gil Fernández in seinem Rechenschaftsbericht erläuterte. Für kommendes Jahr wird ein Wachstum von 1,5 Prozent erwartet. Zu den schwierigsten Problemen auf außenwirtschaftlichem Gebiet zählte der Minister die Aufrechterhaltung und Verschärfung der US-Blockade, die Kuba jeden Tag rund zwölf Millionen US-Dollar koste. Neben Wirtschaftsfragen berieten die Abgeordneten auch über die Wohnungssituation, das Transportwesen sowie die Digitalisierungs- und Kommunikationspolitik des Staates.
Bei seiner Ansprache forderte Díaz-Canel seine Regierunsmitarbeiter und die Mitglieder der PCC zu mehr Eigeninitiative auf, damit die anstehenden Projekte „beschleunigt und nicht gebremst“ würden. Es sei an der Zeit, „frei von Dogmen und Formalismus“ zu handeln und „alle in den Kampf um die Wirtschaft zu integrieren“, so der Präsident. (A21)
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