19. März 2024

Was ändert sich alles auf Kuba? – Details der kommenden Reformen

Kubas Parlament brachte vergangenes Wochenende eine Reihe neuer Reformen auf den Weg (Quelle: Cubadebate)

Gut ein Jahr nach dem Amtsantritt des neuen Präsidenten werden auf Kuba „die großen Räder“ gedreht, um alte Probleme anzugehen und neue Strukturen zu schaffen. Mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung im April müssen zahlreiche Gesetze verändert werden, darunter auch das Wahlrecht. Gleichzeitig will Kubas Regierung mit einer Reihe von Reformen dem wirtschaftlichen Abwärtstrend entgegensteuern.. „Heute schließen wir einen intensiven und produktiven Arbeitszyklus ab“, kommentierte Miguel Díaz-Canel nach einer langen Sitzungswoche der Nationalversammlung in seiner Rede auf dem Abschlussplenum vergangenen Samstag.

Am 8. Juli trafen sich 568 anwesende Abgeordneten des kubanischen Parlaments zu ihrer Sommersitzung in Havanna. Die ganze Woche über tagten die Arbeitsgruppen zum Stand der Wirtschaft und zahlreichen bevorstehenden Reformen. Verabschiedet wurden dabei drei sehr grundlegende Gesetze. Die Umsetzung der 2011 verabschiedeten „Leitlinien zur Wirtschafts- und Sozialpolitik“, mit dem das sozialistische Modell Kubas ein Update erfahren soll, nimmt an Fahrt auf. Ein Blick auf die Details ist dringend geboten, um die Tragweite der Veränderungen überblicken zu können. „Cuba heute“ stellt deshalb die wichtigsten Ergebnisse der Parlamentssitzung sowie die Eckpunkte des neuen Wirtschaftsmodells vor, welches im Zuge der Unternehmens- und Planreform ab 2020 implementiert werden soll.

Rede von Díaz-Canel vor dem Parlament am Samstag (13.06)

  • In seinem Vortrag auf der Schlußtagung ging Kubas Präsident auf die Folgen der Verschärfung der US-Blockade gegen das Land ein, welche im ersten Halbjahr 2019 bereits zu Engpässen bei der Versorgung geführt haben. Unkommentiert ließ er in diesem Kontext die Auswirkungen der Situation in Venezuela auf die Wirtschaft: Wie wir wissen und am eigenen Leib erfahren haben, hat sich die kubanische Wirtschaft im ersten Halbjahr, hauptsächlich bei Devisen und Treibstoff, in einem Kontext von Beschränkungen entwickelt, die sich aus der Verschärfung der Blockade, der finanziellen Verfolgung, der Anwendung des Titels III des Helms-Burton Gesetzes, des Verbots der Reisen von Kreuzfahrtschiffen und anderer Maßnahmen ergaben die insbesondere das Ziel verfolgen, den Tourismus und die ausländische Investition zu beeinträchtigen, um uns wirtschaftlich zu ersticken […]
  • Trotz der bevorstehenden Einbrüche im Tourismussektor konnte ein Gleichgewicht bei den Einnahmen und Ausgaben der Devisen hergestellt werden, zudem komme die Tilgung der Schulden voran. Kuba nehme heute nicht mehr Kredite auf, als es Mittel für den Schuldendienst aufwendet.
  • Unter der Maxime jeder Liter wird dort eingesetzt, wo er am meisten gebraucht wird laufen derzeit Einsparungen beim Treibstoffverbrauch. Die Stromversorgung der Bevölkerung soll davon jedoch nicht betroffen sein. Die in jüngster Zeit aufgetretenen Ausfälle seien auf eine Havarie zeitgleich bei der Wartung mehrerer Kraftwerke und nicht auf mangelnden Treibstoff zurückzuführen. Bis zum 20. Juli soll sich die Lage normalisieren, wie der Stromversorger UNE versprach.
  • Neue Zahlen gab Díaz-Canel über die Dienstleistungsexporte bekannt, welche neben dem Tourismus die wichtigste Einnahmequelle der kubanischen Wirtschaft darstellen. So arbeiten derzeit 33.000 kubanische Fachkräfte in 85 Ländern. Neben Mitarbeitern des Gesundheitswesens bieten kubanische Spezialisten auch in den Bereichen Bildung, Sport und Bauwesen weltweit ihre Dienste an. Darüber hinaus werden auf Kuba derzeit 12.699 junge Menschen aus 133 Nationen zu Fachleuten ausgebildet. Díaz-Canel verwies in diesem Kontext auf die Würdigung der kubanischen Dienstleistungsexporte durch die Vereinten Nationen als Beispiel erfolgreicher Süd-Süd-Kooperation.
  • Scharfe Kritik erntete die US-Außenpolitik unter Donald Trump, welche Díaz-Canel als „Rückkehr zur Monroe-Doktrin“ beschrieb. Die Vereinigten Staaten wollten die willkürlich definierte „Achse des Bösen“ bestehend aus Kuba, Venezuela und Nicaragua „von der Landkarte tilgen“. Washington würde mittels Sanktionen, Drohungen und Strafzöllen der Welt seinen Willen aufzwingen wollen, im Zweifelsfall seien auch Methoden des „regime change“ opportun. Die Vereinigten Staaten trieben die Zerstörung des Multilateralismus und des System der Vereinten Nationen voran, kritisierte Díaz-Canel in seiner Rede, und charakterisierte Trumps Außenpolitik als imperialistisch und neokolonial.
  • Der Großteil der Rede widmete sich vorrangig innenpolitischen Themen. Scharf kritisierte Kubas Präsident die schlechte Qualität der staatlichen Verwaltung sowie die Korruption und warnte zugleich vor Fatalismus bei den bevorstehenden Aufgaben: Ich weiß, dass angesichts der Hindernisse, die durch Bürokratie, fehlende Sensibilität, Nachlässigkeit und andere Übel verursacht werden, einige zu dem Glauben gelangt sind, dass wir nicht mehr aus den Problemen herauskommen werden – und mit einer gewissen Dosis von Fatalismus, der den Enthusiasmus bremst, bekräftigen: ‚Es gibt niemanden, der das in Ordnung bringt“.
  • In Bezug auf die kommenden Reformen, gelte es jetzt eine „ganzheitliche und kritische Analyse über das was schlecht läuft oder gar nicht läuft voranzutreiben“ und von den Kadern eine „proaktive, intelligente, engagierte und kollektive Haltung einzufordern“.
  • Er mahnte dazu, dass sich alle Mitglieder der Verwaltung als „Diener des Volkes, mit Verantwortungsgefühl und Sensibilität verhalten sollten. Als Beispiele für häufige Probleme nannte er Verzögerungen bei der Erteilung von Genehmigungen und Zugang zu staatlichen Subventionen (z.B. für Baumaterialien). „Hinter jedem Problem steht ein Kubaner, der Aufmerksamkeit benötigt“, so der Präsident. Es sei ein Mentalitätswandel erforderlich, mit dem der Glaube abgelegt werden soll, dass alle Lösungen von oben kommen werden“.
  • Wie Díaz-Canel betonte, sei es im Kontext dieses Mentalitätswandels wichtig „als Land zu denken“ und Hierarchien in der Entscheidungskette aufzubrechen: „Wer die schnellste und effizienteste Lösung für ein Problem zur Hand hat, sollte sie weder kleinreden noch unter hierarchischen oder sektoralen Gesichtspunkten weiterdelegieren. Wir sind alle öffentlich Bedienstete. Wer etwas lösen kann, hat auch die Pflicht, es nicht anderen zu überlassen.
  • Ursache für die aktuell bestehenden Engpässe sei nicht nur die schwierige Liquiditätssituation des Landes, sondern auch die verbreitete Importmentalität: „Importieren ist bequem und verwandelt sich in ein Laster, das die Initiative tötet“, so der Präsident. Als Beispiel für erfolgreiche Initiativen auf dem Gebiet der Importsubstituierung nannte er u.a. Projekte mit ausländischem Kapital in der Landwirtschaft, welche die Hühnerzucht voranbringen sollen.
  • Als große Probleme bei der Steuerung der Wirtschaft identifizierte Díaz-Canel unter anderem die schlechte Verwaltung der Exporte und der ausländischen Investitionen, die unzureichende Verkettung der heimischen Industrie mit Joint-Venture-Betrieben und den Unternehmen in der Sonderwirtschaftszone Mariel (ZEDM), die Geringschätzung der Bedeutung der Digitalisierung und die Geringschätzung der Rolle des Privatsektors bei der Bildung neuer Wertschöpfungsketten.
  • Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, die sich unserer Wirtschaft bieten. Seien sie im staatlichen Industriesektor, im haushaltsfinanzierten Sektor oder im Privatsektor – und wir müssen die Knoten durchschneiden, die sie hemmen.
  • In der Rede kritisierte der Präsident auch Widerstände in den eigenen Reihen, aus denen offenbar der Vorwurf kam, er würde seine Kompetenzen überschreiten und zu viel verlangen: „Ich frage mich, welche Aufgabe in einem Land wie Kuba, angesichts des Beispiels von Fidel und Raúl, nicht die eines Präsidenten sein könnte“, entgegnete Díaz-Canel unter Beifall der Abgeordneten.

Neues Wahlgesetz (→ Entwurf als PDF [Website des kubanischen Parlaments])

  • Mit dem neuen Wahlgesetz erhebt Kuba die Verfassung in eine übergeordnete Rolle im Rahmen des gesamten politischen Prozesses. Kubas neue „Carta Magna“ ist nach einem Referendum am 24. Februar schließlich am 10. April dieses Jahres in Kraft getreten und sieht umfangreiche Veränderungen im Staatsaufbau vor. So werden unter anderem wichtige Kompetenzen auf die Ebene der Gemeinden und Provinzen verlagert und das neue Amt des Gouverneurs geschaffen. Die Exekutivgewalt teilt sich künftig der Präsident mit einem Premierminister, welcher der Regierung vorsteht. Wichtige Prinzipien des bisherigen Wahlrechts werden beibehalten, hierzu zählen:
    • Die gleiche und geheime Wahl, aktives Wahlrecht ab 16 Jahren, passives ab 18 Jahren
    • Die öffentliche Auszählung der Stimmzettel, die legislative Initiative durch die Bürger, die Möglichkeit von Volksabstimmungen, die Rechenschaftspflicht und das imperative Mandat der Abgeordneten.
    • Weiterhin wird derjenige Kandidat gewählt, der mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen auf seinen Namen vereinen kann. Bei den Wahlen zum nationalen Parlament wird weiterhin die Hälfte der Kandidaten vor Ort aufgestellt, während die andere Hälfte auf Vorschlag der Massenorganisationen auf den Listen landet. Wahlkampf bleibt verboten. Kuba definiert sich im neuen Wahlgesetz als „sozialistischer Rechtsstaat mit dem Volk als herrschende Klasse“.
  • Gleichzeitig gibt es einige Neuerungen im Wahlrecht:
    • Der 21-köpfige nationale Wahlrat („Consejo Electoral Nacional“) wird als permanentes Organ gebildet und vom Parlament gewählt (bisher trat er nur anlässlich von Wahlen zusammen). Ihm obliegt die Durchführung und Überwachung von Wahlen, Volksaussprachen und Pebisziten. Er garantiert „die Glaubwürdigkeit, Wahrhaftigkeit und Transparenz aller demokratischen Prozesse“. Der Wahlvorschlag zu seiner Bildung wurde am 13. Juni von 567 der 568 anwesenden Abgeordneten fast einstimmig bestätigt. Er besteht aus Vertretern von Ministerien und anderer staatlicher Institutionen. 11 der 21 Mitglieder sind Juristen, drei Viertel der Plätze mit Frauen besetzt. Das Durchschnittsalter beträgt 53 Jahre.
      Siehe: → Zusammensetzung des nationalen Wahlrats.
    • Ein neuer Ethikkodex hält in die Wahlgesetzgebung Einzug, die Rolle der Wahlhelfer wird klarer ausgeführt als bisher und das Prozedere am Wahltag noch präziseren Vorgaben unterworfen.
    • Die Provinzparlamente („Asamblea Provincial“) werden aufgelöst, dafür wird die Kompetenz der Gemeinderäte („Asamblea Municipal“) gestärkt.
    • Gleichzeitig wurde die Repräsentation auf einen Abgeordneten pro 30.000 Wähler reduziert. Das nächste Parlament („Asamblea Nacional“) würde dann nur noch rund 470 (statt bisher 605) Abgeordnete zählen.
    • Das Parlament wählt den Präsidenten sowie die Mitglieder von Staats- und Ministerrat. Der Premierminister wird vom Präsidenten als Regierungschef vorgeschlagen und steht als solcher dem Ministerrat vor. Beide Ämter sind, ebenso wie alle anderen Führungspositionen im Staat, auf maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren begrenzt.
    • Die Mitgliederzahl des Staatsrats wurde von 31 auf 21 reduziert.
    • Die Provinzen werden von einem Gouverneur und einem Vizegouverneur geführt, welche auf Vorschlag des Staatspräsidenten von den Delegierten der Gemeinderäten einer Provinz gewählt werden.
    • Auf Anregung der Abgeordneten wurde die Wartezeit für den Erhalt des aktiven Wahlrechts nach der Einbürgerung von fünf auf zwei Jahre reduziert.
    • Das neue Wahlgesetz, welches unmittelbar in Kraft tritt, ermöglicht die Neuwahl des Parlaments sowie des Präsidenten im Oktober dieses Jahres. Die neue Regierung (Premierminister und Ministerrat) sollen auf Vorschlag des Präsidenten im Dezember vereidigt werden. Im Januar 2020 steht dann die Neuwahl der Gemeindeparlamente und der Provinzgouverneure an.
Kubas Wirtschaftsminister Alejandro Gil Fernández (Quelle: Cubadebate)

Allgemeine Wirtschaftsperformance

  • Wie Wirtschaftsminister Alejandro Gil in seinem Bericht vor den Abgeordneten darlegte, konnte Kubas BIP im letzten Jahr um 2,2 Prozent (statt den geschätzten 1,2 Prozent) zulegen. Bisher habe man mit den Zahlen vom September 2018 arbeiten und daraus Hochrechnungen auf das gesamte Jahr ableiten müssen. Inzwischen lägen jedoch die vollständigen Daten von 2018 vor, welche ein dynamischeres Bild als bisher angenommen zeigten.
  • Vor allem der Bausektor konnte 2018 um 9,3 Prozent zulegen (statt des erwarteten Rückgangs um 2,2 Prozent). Die Produktion in der Landwirtschaft wuchs um 2,6 Prozent.
  • Außenhandel: 2018 wurde 3 Prozent mehr exportiert, als ursprünglich geplant war. Die Importe lagen 10 Prozent über dem Plan, vor allem aufgrund zusätzlicher Lebensmitteleinfuhren.
  • Der Durchschnittslohn stieg im vergangenen Jahr um 1,1 Prozent, die Arbeitslosigkeit betrug 1,6 Prozent
  • Zur Sprache kam auf der Parlamentssitzung auch die jüngste Lohnerhöhung im Staatssektor. Mit dem Anstieg der Gehälter will Kuba nicht nur das Ausdünnen der Stellen im Bildungswesen stoppen, sondern auch neue Anreize für Weiterbildung in der gesamten Wirtschaft schaffen.
  • Der Plan für die heimische Ölproduktion wurde 2018 um 2,5 Prozent übererfüllt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien kommt noch schleppend voran. Deren Anteil liegt erst bei 6,36 statt der geplanten 7,49 Prozent bei der Stromerzeugung ( bis 2030 sind 24 Prozent geplant).
  • Die Zuckerrohrernte in der Saison 2018/19 fiel mit einer Produktion von 1,82 Millionen Tonnen rund 10 Prozent niedriger als geplant aus. Unerwartet gestiegene Zuckerpreise auf dem Weltmarkt konnten dieses Defizit jedoch bei den Einnahmen wieder ausgleichen.
  • Zu den wichtigsten Investitionsprojekten, welche 2018 durchgeführt wurden, zählte Gil unter anderem:
    • Das neue Hafenterminal in Santiago de Cuba, welches die Frachtkapazität im Oriente verbessern helfen soll und mit chinesischer Hilfe errichtet wurde
    • Das Programm zur Erneuerung von Öl- und Gaslagerstätten sowie Investitionen in die Wasserinfrastruktur
    • Die Installation von 6 neuen Solarparks mit einer Leistung von insgesamt 14,4 Megawattstunden
    • Der Import von 80 neuen Passagierwaggons für die Schiene, sowie 2.340 neuen Kraftfahrzeugen (v.a. aus Russland und China)
  • Ausländische Direktinvestitionen (FDI): 2018 wurden 12 neue Projekte mit einem Volumen von 1,48 Mrd. US-Dollar genehmigt.
  • Die Umsetzung der 2011 beschlossenen und 2016 aktualisiertenLeitlinien zur Wirtschafts- und Sozialpolitik“ („Lineamientos“) soll künftig schneller erfolgen. Bis zum nächsten Parteitag 2021 soll rund die Hälfte der neuen Policys (113 von 274) umgesetzt worden sein.

Industrie

  • Im kommenden Jahr sollen neue Finanzmittel zur Entwicklung der staatlichen Industrie bereitgestellt werden (siehe: → externer Artikel zur Zusammenfassung der Planreform, weiter unten zur Mesa Redonda) und gleichzeitig strikte Vorschriften in Bezug auf die Verschuldung durchgesetzt werden.
  • Wie Präsident Díaz-Canel betonte sollen in der kubanischen Industrie verstärkt Automatisierung und Digitalisierung Einzug halten. Zudem müsse die Importmentalität überwunden werden und künftig „zuerst auf die nationale Industrie geschaut werden, bevor wir über Importe nachdenken.
  • Die kubanische Leichtindustrie konnte letztes Jahr ihren Produktionsplan lediglich bei 11 von 25 Produkten erfüllen. Probleme gab es vor allem bei chirurgischen Kompressen, Bodenmatten, Strichhölzern, Seife und Textilien.
  • Auch andere Industriegruppen, wie die metallverarbeitende Industrie (32 von 40 Produkten) und die chemische Industrie (15 von 23) konnten nur einen Teil ihrer Waren in ausreichendem Maß herstellen.
  • Eines der wesentlichen Entwicklungsziele der kubanischen Industrie ist derzeit der Aufbau von Recyclingketten und der Verpackungsindustrie. Beides soll beim Einsparen von Importen helfen. Der Recyclinganteil beträgt auf Kuba heute lediglich 15 Prozent, wobei immerhin 58 Prozent der Glasflaschen wiederverwendet werden.
  • In der Sonderwirtschaftszone von Mariel wurde Oktober 2018 die Niederlassung einer italienischen Firma genehmigt, welche sich der Herstellung von Glasflaschen widmet. 2019 soll ein Joint-Venture für die Pappkartonherstellung folgen.

Tourismus

  • Kuba Tourismussektor kann insgesamt auf eine dynamische Entwicklung in den vergangenen 10 Jahren zurückblicken. So stieg die Zahl der Besucher von 2,34 Mio. im Jahr 2008 auf zuletzt 4,73 Mio. im Jahr 2018. Im selben Zeitraum hat sich die Zahl der Hotelbetten von 48.000 auf 70.000 erhöht, wobei der Anteil an Vier- und Fünf-Sterne Hotels stark zugenommen hat.
  • Die Gesamteinnahmen aus dem Tourismus gingen jedoch in letzter Zeit von 3,06 Mrd. US-Dollar 2016 auf 2,96 Mrd. US-Dollar (2018) um rund fünf Prozent zurück.
  • Die Einnahmen des Tourismusministeriums (MINTUR, welche für rund zwei Drittel der Einnahmen aus dem Sektor aufkommen) stiegen im Jahr 2016 auf ein Allzeit-Hoch von 1,97 Mrd. US und sind seitdem leicht rückläufig (1,84 Mrd. im letzten Jahr). Obwohl mehr Touristen nach Kuba gekommen sind, ließen diese in den vergangenen Jahren immer weniger Geld auf der Insel. Ein Grund dafür dürfte auch der gestiegene Anteil von Tagesgästen durch den Kreuzfahrttourismus sein.
  • Bis Ende Mai trafen 2,28 Mio. Touristen auf der Insel ein. Seit Anfang Juni sind jedoch neue Sanktionen der US-Regierung in Kraft, welche den in den letzten Jahren stark angewachsenen Kreuzfahrttourismus für US-Bürger verbieten. US-Amerikaner sind nach den Kanadiern heute die zweitgrößte Touristengruppe auf Kuba. Nach einigen Lockerungen unter der Obama-Administration haben sich vor allem Bildungsreisen („people-to-people“-Tours) sowie der Kreuzfahrttourismus als Nische etablieren können, mit denen US-Bürger legal nach Kuba reisen konnten. Diese wurden unter Donald Trump wieder rückgängig gemacht, weshalb Kuba in diesem Jahr mit einem Besucherrückgang auf 4,3 Millionen (rund 10 Prozent) rechnet. Von den neuen Sanktionen betroffen sind rund 560.000 Millionen US-Bürger, mit deren Ankunft in diesem Jahr gerechnet wurde. Neue Sanktionen gegen Online-Agenturen sowie die weiteren Blockadeverschärfungen machen es der „Lokomotive der kubanischen Wirtschaft“, wie der Sektor häufig genannt wird, zusätzlich schwer.
  • Um dem entgegenzuwirken will das Tourismus-Ministerium in die Werbeoffensive gehen und neue Märkte erschließen, z.B. China, wo jüngst eine Plakatkampagne gestartet wurde. Außerdem soll der lokale Tourismus für Kubaner ausgebaut und insgesamt ein besseres Preis-Leistungsverhältnis bei touristischen Dienstleistungen erzielt werden. Auch die Verfügbarkeit von Mietwagen soll sich künftig verbessern.
  • 2019 sollen 3.808 neue Hotelzimmer fertiggestellt werden, zudem sollen neue Hotels der Ketten Kempinski, Albatros und H-10 eröffnen. Kuba investiert derzeit verstärkt in hochpreisigen Tourismus, zu dem auch Golfplatzprojekte zählen.
  • Als „notwendigen Verbündeten“ bezeichnete Tourismus-Minister Manuel Marrero den Privatsektor, welcher derzeit 27.814 private Zimmervermieter („Casas particulares“) zählt. In vielen Touristenorten wie Viñales oder Trinidad übersteigt die Anzahl der privat bereitgestellten Zimmer deutlich die des staatlichen Hotelgewerbes. Im letzten Jahr übernachteten 858.702 Touristen in einer „Casa particular“, also rund jeder fünfte Kuba-Besucher. Die durchschnittliche Verweildauer betrug dort 1,97 Tage.
  • Künftig sollen sich der private und der staatliche Tourismussektor enger verzahnen, im letzten Jahr wurden hierzu 2.800 Verträge mit Tourismus-Dienstleistern im Privatsektor geschlossen. Die Reform der Staatsbetriebe und die laufende Dezentralisierung soll nicht zuletzt auch über einen Ausbau des Tourismussektors neue Einnahmen für die Gemeinden generieren.

Privatsektor

  • Die Regeln für die „Arbeit auf eigene Rechnung“ („Trabajo por cuenta propia“, TCP) auf Kuba sollen in Zukunft verfeinert werden, um „die weiterhin bestehenden Illegalitäten“ zu beseitigen, wie die Fachministerin erklärte. Nach der letzten Modifizierung, welche im Dezember 2018 in Kraft getreten ist, müssen die meisten der aktuell 606.000 Beschäftigten des Privatsektors inzwischen ihre Einnahmen auf einem Bankkonto aufführen. Dies soll Steuerhinterziehung vorbeugen und mehr Transparenz schaffen. Dennoch gebe es vor allem auf der lokalen Ebene weiterhin Probleme bei der Umsetzung der neuen Regeln.
  • Insgesamt wurden letztes Jahr 41.000 zu niedrig bemessene Steuererklärungen abgegeben. „Das Problem liegt heute bei den ungeahndeten Verstößen in den Provinzen, was Unzufriedenheit bei den gesetzestreuen Cuentapropistas hervorruft“, erklärte die Ministerin für Arbeit und soziale Sicherheit, Margarita González Fernández. Künftig soll die Verwaltung des Privatsektors stärker auf die Provinzen verlagert werden, denen größere Kompetenzen bei der Ausgestaltung eigener Regeln gewährt werden.

Kampf gegen Korruption

  • Der nationale Rechnungshof („Contraloría General de la República“), welcher mit der neuen Konstitution auf Kuba erstmals Verfassungsrang erhält, mahnte in seinem Rechenschaftsbericht vor allem Fälle von Korruption in Bezug auf die Verwendung von Treibstoffen, Düngemitteln, Autobatterien und Reifen an. In vielen staatlichen Einrichtungen würde regulär Benzin abgezwackt, was zu großen Verlusten führe. Entsprechende Gegenmaßnahmen wurden in diversen Komissionen diskutiert.
  • So soll in einem mehrstufigen Plan auf Kuba künftig Benzin / Diesel nur noch gegen Kartenzahlung abgegeben werden und staatlichen Einheiten, deren Verbrauch regelmäßig die Norm überschreitet, die Treibstoffzuteilung gekürzt werden.

Digitalisierung

  • Díaz-Canel mahnte zu einer integralen Herangehensweise an das Thema der Digitalisierung und der elektronischen Regierungsführung. Es gehe nicht darum nur mit einer Seite im Netz vertreten zu sein, sondern effektive Interaktionskanäle mit der Bevölkerung zu schaffen und neue Inhalte zu generieren.
  • Der Onlinehandel / E-Commerce und andere bargeldlose Bezahlmethoden sollen künftig eine größere Rolle in der Wirtschaft einnehmen. Erste Pilotprojekte mit den Apps „toDus“ und „Enzona“ laufen bereits. Noch immer werden auf Kuba lediglich 9,4 Prozent aller Zahlungen mittels Girokarten abgewickelt, von denen jedoch bereits über 4 Millionen in Umlauf sind.
  • Derzeit arbeiten verschiedene Kommissionen an der Digitalisierung der Verwaltung. Von den Apotheken, über den Apparat hinter der staatlichen Lebensmittelkarte („Libreta“) bis hin zum Geburtenregister werden derzeit zahlreiche Datenbanken digital erfasst, um den Informationsfluss zwischen den Institutionen zu verbessern und Behördengänge für die Bevölkerung zu vereinfachen. Alle wichtigen Anträge sollen künftig auch online gestellt werden können.

Wohnungsbauprogramm

  • 2018 wurden auf Kuba 30.437 neue Wohnungen fertig gestellt, rund 9.000 mehr als im Vorjahr. Das Wohnungsdefizit beträgt weiterhin rund 800.000 Einheiten, womit der Wohnungsbau zu einer der drängendsten sozialen Fragen gehört.
  • Darüber hinaus sind Schäden an 80.955 teilweise oder vollständig durch Wetterphänomene (v.a. die letzten beiden Hurrikane sowie den Tornado in Havanna) zerstörte Gebäude zu beseitigen sowie 64.998 Dächer zu ersetzen.
  • Bei der Vergabe von neuen Wohnungen werden als Teil der neuen Politik zur Bekämpfung des demographischen Wandels künftig Mütter mit drei oder mehr Kindern bevorzugt. „Bürokratie und Schlamperei“ seien auf dem Gebiet des Wohnungsbaus erfolgreich zurückgedrängt worden, verkündete Präsident Díaz-Canel in der Tagung der entsprechenden Kommission vor den Abgeordneten. Er mahnte zugleich, positive Beispiele aus den Provinzen sowie das Know-How der Universitäten bei der Projektplanung zu nutzen.

Aktualisierte Regeln über Verwendung nationaler Symbole (→ Entwurf als PDF)

  • Die Verwendung der nationalen Insignien Kubas (Wappen, Flagge, Hymne) soll künftig flexibler erfolgen können. U.a. wurden die Materialanforderungen für die Anfertigung der kubanischen Flagge zurückgeschraubt, auch ihre Verwendung im öffentlichen Raum soll künftig häufiger möglich sein. Einschränkungen gibt es weiterhin bei der kommerziellen Nutzung in Form von Werbung.

Fischereigesetz ( → Entwurf als PDF)

  • Kubas erstes Fischereigesetz seit 1959 ermöglicht erstmals privaten Fischfang auf kommerzieller Basis und befindet sich „in Übereinstimmung mit den Bedingungen des Landes sowie den internationalen Regularien“, erklärte die Ministerin für Lebensmittelindustrie, Iris Quiñones Rojas bei der Vorstellung des Gesetzes. Es sei ein notwendiges Gesetz, welches zur Ernährungssouveränität beitragen kann, wird die Abgeordnete Caridad Torres Pérez in den kubanischen Medien zitiert. In mehreren Aussprachen über den Text flossen insgesamt 55 Modifikationen in das Gesetz ein, unter anderem zur Verbesserung der Rentenansprüche privater Fischer.
  • Das neue Gesetz ermöglicht erstmals die Gründung privater Fischereibetriebe und Kooperativen, welche ihre Fänge an den Staat und andere natürliche oder juristische Personen verkaufen dürfen. In dem Text sind darüber hinaus auch Aspekte wie die schonende Nutzung der Meere sowie die nachhaltige Fischerei nach den Regeln der Welternährungsorganisation (FAO) verankert. Damit könnte der Schwarzmarkt, welcher bisher vornehmlich für die Versorgung von Kubas privatem Tourismussektor mit Fisch und Meeresfrüchten aufkommt, durch legale Geschäfte ersetzt werden.

Kubas neues Wirtschaftsmodell
– Details aus „Mesa Redonda“ vom 2. Juli

Sondersendung der „Mesa Redonda“ vom 2. Juli (Quelle: Cubadebate)

Am 2. und 3. Juli wurde jeweils eine Sondersendung der allabendlichen Diskussionsrunde „Mesa Redonda“ (runder Tisch) unter Beisein des Präsidenten und seiner Fachministern direkt aus dem Revolutionspalast gesendet. Darin sollten die wesentlichen Merkmale des neuen Wirtschafts- und Planungssystems sowie Details zur Lohnerhöhung im Staatssektor bekannt gegeben werden.

Einführung (durch Präsident Díaz-Canel)

  • In der Sendung kommentierte Präsident Díaz-Canel zunächst die jüngste Lohnerhöhung im Staatssektor, die Teil eines ganzen Reformpakets zur Belebung der Wirtschaft ist: „Mit diesen Maßnahmen werden wir einen Rückfall in die Sonderperiode abwenden
  • Die jetzigen Maßnahmen sind ein erster Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden Währungs- und Preisreform, welche auch eine Reduzierung von Subventionen einschließt.
  • Es ist noch nicht die endgültige Lohnerhöhung, auf die wir abzielen. Aber gemessen an der Lage, in der wir uns befinden, ist sie durchaus signifikant“ (Díaz-Canel)
  • Die Umstände zwingen uns zu riskanten Schritten, aber es muss gerade jetzt Bewegung geben
    → Reformen als politisch-ökonomischer Befreiungsschlag und Antwort auf Verschärfung der Blockade um eine wirtschaftliche Rezession zu verhindern
  • Die Lohnerhöhung verlangen aber auch mehr Pflichtgefühl von allen, und müssen mit einer Verbesserung der staatlichen Dienstleistungen einhergehen
  • Durch die Dezentralisierung werden die Löhne auch im Unternehmenssektor steigen, da Unternehmen künftig eigene Lohnsysteme festlegen können.
  • Weitere Ziele: „Mehr Transparenz in der Regierungsführungen und Dysfunktionalitäten des bestehenden Systems beseitigen

Generelles Konzept (vorgestellt von Wirtschaftsminster Alejandro Gil)

  • Die Maßnahmen sind umfangreich und werden im Laufe ihrer Implementierung weiter evaluiert und ggf. korrigiert, sie müssen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden
  • „Es reicht nicht mehr aus, der Blockade nur zu widerstehen, sondern es müssen auch Schritte hin zur realen Entwicklung der Wirtschaft gemacht werden“ (Gil)
  • Allgemeine Ziele des Reformpakets:
    • Die heimische Produktion verteidigen
    • Exporte steigern und diversifizieren
    • produktive Wertschöpfungsketten schaffen
    • Die Staatsunternehmen stärken
    • Bei der Erlangung der Ernährungssouveränität vorankommen
    • Lokale Entwicklung fördern
    • Das Wohnungsbauprogramm weiter verfolgen
    • Die Wissenschaft zur Lösung wirtschaftlicher Probleme einbringen
  • Oberste Priorität genießt die Produktion von Lebensmitteln und Tierfutter
  • 13 neue Policys betreffen das Thema Wissenschaft u. Innovation
  • Derzeit läuft bereits die Plandiskussion 2020 und es werden neue Wege gesucht, um Importe durch nationale Produkte zu ersetzen. Maxime: nichts wird mehr importiert, was auch im Land gefertigt werden kann
  • Weitere Prioritäten für das kommende Jahr:
    • Die Grundversorgung mit Lebensmitteln und Treibstoff wird sichergestellt
    • Der Tourismussektor soll priorisiert entwickelt werden
    • Alle nicht notwendigen Ausgaben sollen gekürzt werden, Verkauf von Treibstoff soll besser kontrolliert werden, z.B. mittels Treibstoffverkauf per Magnetkarte
    • Um die lokale Produktions zu fördern sollen neue Wertschöpfungsketten entstehen. Bisherige Hemmnisse zu ihrer Bildung sollen fallen: Staatsbetriebe werden auf lokaler Ebene künftig selbstständig mit dem Privatsektor und auf Kuba ansässigen ausländischen Unternehmen  interagieren können

Reform der Planwirtschaft und der Staatsbetriebe
(→ Weitere Details, Konzept des Plans 2020)

  • Der Plan soll ab nächstem Jahr flexibler werden, aber seinen zentralistischen Charakter behalten („se está planteando flexibilizar la planificación sin perder su condición centralizada“)
  • Die Maßnahmen werden das Lebensniveau der kubanischen Familien erhöhen und das sozialistische Projekt der Insel weiterentwickeln“ (Gil)
  • Anders als bisher soll der Plan von der Basis auf Ebene der Betriebe erarbeitet werden, anstatt Direkten „von oben nach unten“ abzuarbeiten. Dabei wird auf die Eigeninitiative der Belegschaften gesetzt, selbstständig wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, neue Verträge mit anderen Betrieben (staatlich oder nicht-staatlich) einzugehen und so neue Wertschöpfungsketten zu bilden. Dafür verbleiben Teile der Devisen im Betrieb und können entsprechend für Investitionen in neue Anlagen, Erweiterung der Produktpalette, Lohnstimuli, etc. genutzt werden. Die Oberaufsicht der Betriebe wird von den Ministerien hin zu kombinatsähnlichen Branchenverbänden („Organización Superior de Dirección Empresarial, OSDE“) verlagert. Die zentral vorgegebenen Plandirektiven werden von 5 auf 2 reduziert.
  • Damit soll erreicht werden, dass der Plan offener diskutiert wird. Wir wollen einen Mechanismus schaffen, der eine aktivere Rolle der Arbeiter bei der Erstellung des Plans ermöglicht (Alejandro Gil, MEP)
  • Während der Realisierung des Plans sollen jene Varianten mit dem größten ökonomischen Nutzen umgesetzt werden, wobei den Belegschaften vor Ort ein größeres Mitspracherecht über ihre eigenen Vorhaben eingeräumt werden soll
    → damit soll Spielraum für Innovation und Spontanität im laufenden Plan entstehen, gleichzeitig soll auf Preisschwankungen auf dem Weltmarkt und Krisensituationen schneller reagiert werden können.
  • Das Schema: „was vorher nicht geplant wurde, kann nicht realisiert werden“ soll durchbrochen werden.
    • Para ilustrar esa decisión explicó que hay cuestiones que se presentan durante el año y el plan tiene que ser flexible para buscar soluciones, porque cuando se aprobó el plan en diciembre no había pasado el tornado, no estaba aprobado el Título iii de la Ley Helms-Burton, […] Es necesario que los empresarios lo lleven a su operatoria, rompan esquemas“ (Gil)
  • Die Maßnahme knüpft an die 2014 begonnene Unternehmensreform an, welche Teilen der Betriebe mehr Autonomie gewährte, wozu auch die Ausgestaltung eigener Lohnsysteme gehörte. In der Folge erhöhte sich der Durchschnittslohn in der Industrie von rund 600 (2014) auf knapp 1.200 Pesos. Dieses Konzept soll nun erweitert und auf die gesamte Wirtschaft ausgedehnt werden. Gleichzeitig soll es auch Schutzmechanismen für exportschwache Betriebe geben. Der Wechselkurs des Pesos im staatlichen Unternehmenssektor tauscht sich derzeit meist 1:1 mit dem US-Dollar für die Importe aus. Ein Staatsbetrieb, der für 1 US$ importiert, muss dafür nur einen kubanischen Peso aufwenden. Ein US-Dollar an Exporten wird jedoch auch „nur“ mit einem kubanischen Peso vergütet (der sich 24 zu 1 zum Dollar austauscht), was den Anreiz für Exporte hemmt. Inzwischen existiert für verschiedene Industriezweige ein komplexes System aus diversen Wechselkursen, mit denen die Exportindustrie begünstigt werden soll. Die schrittweise Angleichung der Wechselkurse des kubanischen Pesos für alle Akteure der Wirtschaft und die Rückkehr zu einer einzigen Landeswährung ist ein wichtiges Ziel auf dem Weg zur anstehenden Währungsreform)
  • Es werden neue Finanzinistutionen geschaffen, die Kapital für Unternehmen bereitstellen um neue Produktionen und Wertschöpfungsketten zu schaffen z.B. nach dem Vorbild von Finatur, einer staatlichen Bank im Tourismussektor. Unternehmen können so Kredite zur Vorfinanzierung ihrer Produktion beantragen. Problem: oftmals nehmen Unternehmen Kredite auf und dann zahlt sie der Staatshaushalt ab.
  • Bisher müssen alle Kredite zentral bewilligt werden. Ab 2020: benötigt ein Unternehmen Finanzmittel, um Exportprodukte und Produkte mit Deviseneinnahmen zu produzieren, werden diese ohne Zustimmung der zentralen Ebene nach einer Evaluation durch die Bank genehmigt. → „Das eröffnet der sozialistischen Staatsfirma neue Möglichkeiten für ihre Entwicklung“ (Gil)
  • Die Betriebe dürfen 50 Prozent ihrer Deviseneinnahmen behalten (die Reform wurde schon ab 2014/15 in Teilen des Staatssektors implementiert)
  • Die Verfügungsgewalt über die Deviseneinnahmen soll darüber hinaus von der Unternehmensgruppe („Grupo empresarial“) auf die unterste Ebene („empresa“) verlagert werden, was Mikroinvestitionen in neue Anlagen u.ä. fördern soll
  • Überschüsse bei den Exporteinnahmen (über den Plan hinaus) bleiben in den Betrieben, damit diese neue Investitionen tätigen können, denn: „Ökonomie funktioniert über Anreize, was nicht der Essenz unseres sozialistischen Modells widerspricht“ (Gil)
  • Neues Vertragssystem zwischen Staatsbetrieben und Firmen in der Sonderwirtschaftszone von Mariel (ZEDM) soll den Liquiditätsfluss beschleunigen
  • Staatsbetriebe dürfen eigenständig an Firmen in der ZEDM liefern, das soll nicht zuletzt dem Tourismussektor helfen
  • Waren sollen zwischen den Betrieben zu den vorgeschriebenen Preisen, bei zurückgehendem Anteil an Subventionen gehandelt werden
  • Wertschöpfungsketten („encadamientos productivos“) dürfen keine Phrase sein, sondern müssen Realität werden
  • Unternehmen dürfen künftig eigenständig über Importe entscheiden
  • Bonuszahlungen an Arbeiter werden von 3 auf 5 Monatsgehälter angehoben (dafür müssen bestimmte Indikatoren erfüllt werden)
  • Unternehmen legen ihre eigenen Lohnskalen und unternehmerische Ziele fest, der Lohn soll möglichst individuell auf die Leistung jedes einzelnen Arbeiter passen:
    • Explicó que hay que llevar el sistema de pagos lo más posible a la individualidad del trabajador y tratar de alejarnos de los sistemas globales, en los cuales todo el mundo gana por el conjunto. La utilidad se distribuye por la colectividad. El salario debe ser lo más individual posible, cuando es posible hacerlo, y eso refuerza además el papel de la empresa“ (Gil)
  • Damit sollen auch neue Finanzierungsmöglichkeiten für Weiterbildung und Forschung auf Betriebsebene entstehen

Weitere Aspekte

  • „Remesas“ (private Geldsendungen aus dem Ausland) sollen durch attraktivere Angebote besser abgeschöpft und zur Entwicklung der heimischen Produktion genutzt werden
  • Kuba untersucht derzeit Möglichkeiten zur Einführung einer eigenen Kryptowährung, die helfen soll, neue Lösungsstrategien für bestehende Probleme zu finden
  • Gemeinden sollen bei der Selbstversorgung mit Lebensmitteln gefördert werden
  • Überschüssige Inventare im Staatssektor sollen dem Einzelhandel zugeführt werden
  • Der Verkaufsplan für den Einzelhandel wird für das zweite Halbjahr 2019 garantiert
  • Die aktuelle Rationierung bestimmter Produkte ist eine konjunkturelle Maßnahme, keine Dauerlösung, bekräftigt Wirtschaftsminister Gil.
  • Bisher zeigen sich bereits positive Wirkungen der laufenden Dezentralisierungsreformen: größere Motivation, Produktivität in den Unternehmen, die fiskalische Disziplin der Unternehmen hat zugenommen

Infos zur Lohnreform – Details aus „Mesa Redonda“ vom 3. Juli

  • Mehr als 60 neue Richtlinien werden eingeführt um die Lohnerhöhung ab dem 1. Juli zu implementieren. Sie betrifft den direkt aus dem Staatshaushalt finanzierten Sektor. Hierzu zählen: Bildung, Gesundheitswesen, öffentliche Verwaltung, kommunale AngestellteJuristen, Journalisten, kommunale Angestellte, etc., jedoch die staatlichen Industriebetriebe, welche über eigene Lohnfonds verfügen.
  • Der Durchschnittslohn erhöht sich für die 1,47 Millionen Beschäftigten des haushaltsfinanzierten Sektors von rund 600 auf 1067 Pesos (ca. 40 Euro).
  • Darüber hinaus werden mehr als 1,2 Millionen Rentner von einer Aufstockung ihrer Pension profitieren
  • Auch für direkte Staatsangestellte werden künftig Sozialabgaben fällig: 2,5 % auf Löhne bis 500 Pesos, 5% ab 500 Pesos. Das Einkommenssteuersystem, welches bisher nur für Arbeiter im Privatsektor und bei ausländischen Unternehmen greift, soll künftig auch auf den staatlichen Sektor ausgedehnt werden.
  • Margarita Gónzalez Fernández (Ministerin für Arbeit und soziale Sicherheit):
    • November 2018: Mindestpension wurde von 100 auf 240 CUP angehoben → wird sich auf 300 CUP erhöhen. Alle Pensionen unter 500 CUP profitieren, z.B. von 340 CUP → 385 CUP
    • Ab August werden die neuen Pensionen rückwirkend zum 1. Juli ausbezahlt
    • Die meisten der bisher etablierten Zusatzzahlungen werden beibehalten
  • Meisi Bolanos (Ministerin für Finanzen und Preise):
    • Sparsamkeit und Haushaltskürzungen werden zur Refinanzierung herangezogen
    • Es gibt auch Ausgaben, die aus verschiedenen Gründen nicht getätigt werden können, die jetzt zur Finanzierung der Lohnerhöhungen aufgewendet werden
    • Letzte Lohnerhöhung im Bildungswesen erfolgte 2009, im Gesundheitswesen 2014
    • Jugendliche werden im Rahmen ihres Sozialdienstes auch von der Lohnerhöhung profitieren
    • Die Funktion der kommunalen Unternehmen wird restrukturiert

Thema Inflation & Kontrolle:

  • Rechnungsprüfer werden auf Kuba ein Gehalt von 1700 CUP erhalten, was deren Arbeit verbessern soll
  • Alejandro Gil (Wirtschaftsminister):
    • Lohnerhöhungen werden zu einer Erhöhung der Nachfrage führen, die ohne ausreichendes Angebot in Inflation oder Knappheit münden würde. Es wird daher an einer Erhöhung des Angebots, nicht der Preise gearbeitet.
    • Kontrolle der Preise soll verbessert werden um Inflation zu verhindern, gleichzeitig soll das Angebot erweitert und diversifiziert werden
    • Projektion des Wirtschaftsministeriums: Die gesteigerte Kaufkraft wird nicht nur in physisch begrenzte Produkte fließen, sondern auch in Dienstleistungen wie z.B. Internet, Mobilfunk, Transport und nationaler Tourismus.
    • Um dies weiter zu begünstigen sollen neue und preislich attraktive Tourismus-Angebote für Kubaner geschaffen werden.
    • Ziel: Höhere Lebensqualität für die Bevölkerung
    • Importe für Privatpersonen sollen nicht eingeschränkt werden, sondern das staatliche Angebot konkurrenzfähiger (im Vergleich zu den heute geläufigen Privatimporten aus Panama) werden
    • Lokale Wirtschaftskreisläufe sollen im Rahmen lokaler Entwicklungspolitiken entwickelt werden, um das Angebot in den Gemeinden zu erweitern
  • Ministerium für Finanzen und Preise:
    • An erster Stelle steht der Kampf gegen die Spekulanten
    • Lokale Regierungen sollen ggf. Preise für bestimmte Dienstleistungen deckeln (z.B. privater Transportsektor, bei dem es jüngst wieder Preiserhöhungen gab)
    • Private Transportdienstleister müssen in Legalität und Transparenz arbeiten, Treibstoff an staatlichen Bezugsstellen (statt Schwarzmarkt) und langfristig nur noch gegen Karte erwerben
    • In den nächsten Tagen werden im Land neue Hotlines eröffnen, über die Preiserhöhungen gemeldet werden können. Auch über eine eigens eingerichtete Beschwerdeseite des Finanzministeriums ist dies inzwischen möglich.
  • Díaz-Canel:
    • Thema anstehende Preiskontrollen: anhand des Beispiels eines Twteets über eine Preissteigerung in einem staatlichen Fleischgeschäft erklärte Kubas Präsident in der Zusammenfassung, dass es „keinerlei Vorurteile gegen den Privatsektor“ geben dürfe: „Der Privatsektor ist teil unseres Modells und sie sind Kubaner wie wir alle
    • Dialog mit allen Beteiligten soll zu Lösungen führen (statt rein administrative Maßnahmen)
    • Jeder sollte an seiner Stelle, seinem Platz, der Verpflichtung gegenüber der Nation und der Revolution nachgehen und verantwortungsvoll handeln
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13 Gedanken zu “Was ändert sich alles auf Kuba? – Details der kommenden Reformen

  1. So viele Infos, das muss man erst mal studieren, jedenfalls kann man Diaz Canel erst mal wünschen, dass möglichst viele seiner Ziele erreicht werden!
    Eine Ankündigung bzw Behauptung, das ist mir gleich aufgefallen, stimmt überhaupt nicht: in der Provinz finden zur Zeit wieder Stromabschaltungen statt, das sollte gemäß den amtlichen Verlautbarungen ja der Vergangenheit angehören….

  2. Kuba und Deutschland sind eng verbunden und gute Freunde. Es ist schade, dass beide Länder dieses herzliche und gute Verhältnis nicht ausbauen. Deutschland könnte Kuba beim Wandel unterstützen. Der Weg den Kuba eingeschlagen hat ist richtig. Der neue Präsidet ist eine große Chance für Deutschland und für Cuba.

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