Am vergangenen Freitag, dem 31. Mai hielt der kubanische Ministerrat unter Vorsitz Raúl Castros seine reguläre Sitzung ab, um Maßnahmen zur Lösung ökonomischer Dysfunktionalitäten vor allem auf dem Gebiet der Landwirtschaft zu beschließen.
Dieses Thema wurde von Marino Murillo angesprochen, dem Verantwortlichen für die Umsetzung der mit dem VI. Parteitag 2011 beschlossenen Leitlinien für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes. „Derzeit ist das Volk, repräsentiert durch den Staat, Eigentümer von 80% des Landes, während 70,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Kleinbauern oder Kooperativen bewirtschaftet wird, entweder durch Besitz oder durch Pacht“, erklärte Murillo auf der Sitzung. Er fuhr fort: „Ohne Zweifel haben die Maßnahmen, welche seit Dekaden auf dem Gebiet des Landmanagements in Kraft sind, nicht zu der notwendigen Erhöhung der Produktion geführt“.
Murillo erklärte, es sei notwendig die Störungen zu beseitigen, die die wirtschaftlichen Ergebnisse auf diesem Gebiet beeinträchtigt haben, sowie „gleiche Bedingungen für alle Produzenten herzustellen, die Produktivkräfte zu entfesseln und ihre Effizienz zu begünstigen.“ Dies spielt auf die seit Jahren mangelhaften Ergebnisse in der kubanischen Landwirtschaft an, die heute nicht wesentlich mehr produziert als noch im Jahr 2005. Zwar gab es immer wieder ein leichtes Wachstum, gerade in strategisch wichtigen Bereichen wie dem Reisanbau, dennoch lässt sich das Gesamtergebnis trotz zahlreicher neuer Gesetze in den letzten Jahren, wie z.B. die Überlassung von staatlichem Land zum Nießbrauch an Kleinbauern seit 2008, deutlich zu wünschen übrig. Der Staat muss nach wie vor den Großteil der im Land benötigten Lebensmittel zu teuren Weltmarktpreisen importieren, eine wirtschaftliche Bremse die sich in anderen Bereichen bemerkbar macht.
Deshalb dürfen staatliche kubanische Farmen, die nun ebenfalls auf vertraglicher Basis mit dem Staat arbeiten, ihre Überschüsse frei verkaufen. Bauernmärkte sind in Kuba nichts neues, allerdings dürfen nun explizit auch staatliche Unternehmen an ihnen Teilnehmen – und sogar an Zwischenhändler verkaufen (jede natürliche Person). Damit wird erstmals seit Dekaden das staatliche Distributionsmonopol für Lebensmittel durchbrochen, bisher durchgesetzt durch die Handelsgesellschaft Acopio. Vor allem Staatsfarmen in den Schlüsselbereichen von Zitrusfruchtanbau, Anbau geschützter Pflanzen, Herstellung von Saatgut und anderen sollen von der neuen Regelung profitieren, die auch alle anderen Eigentumsformen betrifft.
In den Kooperativen der verschiedenen Typen, von UBPC, CPA und CCS sollen die Formen der Kapitalverwaltung (konkret das Management von Input- und Output sowie der Finanzen) vereinheitlicht werden. Diese dürfen nun untereinander sowie mit staatlichen Farmen und Kleinbauern Handel treiben. Sie sind fortan autorisiert, Geschäftsbeziehungen mit natürlichen und juristischen Personen auf dem Gebiet der Versorgung mit Rohstoffen, Dienstleistungen und fertigen Erzeugnissen herzustellen. Die bisherige staatliche Zuweisung der Mittel hat sich als ineffizient und mangelhaft herausgestellt. Das jüngste Beispiel hierfür beschreibt der BBC-Korrespondent Fernando Ravsberg in einem Artikel: Eine Firma des Landwirtschaftsministeriums habe 66 Bewässerungseinrichtungen auf Lager gehabt und für über ein halbes Jahr aufgrund bürokratischer Vorgaben deren Verkauf verhindert. Künftig soll die Versorgung der Produzenten mit Inputressourcen vor allem durch einen freien, nicht-subventionierten Großhandel erfolgen.
Die stärkere Kommerzialisierung des Agrarsektors scheint der einzige Weg aus dem Produktionsdilemma, dennoch birgt er das Risiko einer Inflation oder drastischer Preissteigerungen. Um dem entgegenzuwirken seien „Maßnahmen ergriffen worden“, sagte Murillo auf der Sitzung ohne näher ins Detail zu gehen. Da man kein Risiko eingehen will, wird die ausschließliche Versorgung durch den Großmarkt zunächst ab 2014 auf der Insel der Jugend, einer Sonderverwaltungszone mit 84.000 Einwohnern, erprobt werden. Erst dann werden die Märkte schrittweise auf das ganze Land ausgedehnt werden.
Ein weiteres wichtiges Thema auf der Ministerratssitzung war der Umgang mit der Ressource Wasser, der in Kuba aufgrund der niedrigen Preise Probleme entstehen lässt.
Inés María Chapman Waugh, Vorsitzende des nationalen Instituts für Wasserwirtschaft, erklärte dass 22% des Trinkwassers der kubanischen Haushalte unterwegs verloren gingen, vor allem aufgrund des schlechten Zustands der Infrastruktur. Zusätzlich gebe es verschiedene illegale Aktivitäten, wie das Anzapfen der Leitungen oder die Hortung von Wasser. Deshalb wird eine neue Politik in diesem Bereich erarbeitet, die die Verschwendung von Wasser weniger lukrativ erscheinen lässt, ohne diese grundlegende Ressource zu kommerzialisieren.
Insgesamt warf diese Ministerratssitzung den Blick schon ein wenig auf das kommende Jahr voraus, in dem viele grundlegenden Leitlinien umgesetzt werden sollen. Die neue Agrarpolitik war längst überfällig, viele der genannten Probleme, gerade was die Ausstattung mit Ressourcen angeht, sind schon seit Jahren bekannt. Da jedoch alle bisherigen Maßnahmen keine durchgreifenden Erfolge erzielten, war dies der logische nächste Schritt in der langen Kette des „Trial and error“ der kubanischen Landwirtschaftspolitik.
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