Zwei Monate nach Ankündigung rascher Reformen angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind in Kuba inzwischen erste Aspekte des Programms in der Umsetzung. Wie das Außenhandelsministerium (MINCEX) gemeldet hat, befinden sich derzeit über 700 private Gewerbe sowie 119 Kooperativen in Verhandlungen. Erste Exportverträge nach Spanien sowie ein Abkommen mit einem Unternehmen aus Panama laufen bereits.
Mit der Öffnung des Außenhandels für den Privatsektor verspricht sich die Regierung neue Wertschöpfungsketten für den Export, womit die bisher stark negative Handelsbilanz verbessert werden soll. Nachdem in der ersten Septemberhälfte die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen und Steuervergünstigen für Exportfirmen eingeführt wurden, sollen inzwischen die ersten 40 Verträge für Exporte sowie 35 Importverträge unter Dach und Fach sein.
Wie das Nachrichtenportal „Cubdebate“ berichtet, schloss der private Landwirt Lázaro Rafael Fundora Hernández aus der Provinz Mayabeque den landesweit ersten Vertrag und liefert seine Limetten jetzt nach Spanien. „Seit Jahren habe ich schon als Produzent versucht, meine Waren zu exportieren“, so Fundora Hernández, der in der neuen Möglichkeit den zukünftigen Entwicklungsweg seines Landes sieht. Inzwischen ist die erste Tonne Limetten unter der Marke „Conchita“ unterwegs auf die iberische Halbinsel, wo „ein äußerst kompetitiver Markt mit hohen Voraussetzungen“ herrsche, so der Landwirt. Demnächst sollen von seiner Finca „La Esperanza“ aus auch kubanische Avocados nach Spanien geliefert werden.
Die meisten Exportverträge werden aktuell für Holzprodukte und Holzkohle, frisches Obst und Gemüse, Konserven, Ziervögel, natürliche Chemikalien, Honigseife sowie Software und Informatikdienstleistungen verhandelt. Derzeit sind 37 Staatsunternehmen für die Abwicklung des privaten Außenhandels autorisiert, der neben Landwirten auch „Arbeitern auf eigene Rechnung“, Kooperativen und Privatpersonen offensteht.
Ebenfalls neu ist, dass Privatbetriebe und Genossenschaften jetzt von ausländischen Unternehmen unter Vertrag genommen werden können. Diese Möglichkeit hat bereits die Baugenossenschaft „La Concordia“ aus Matanzas genutzt und einen Vertrag mit dem panamaischen Unternehmen „Cincuenta Américas Fachadas“ abgeschlossen. Die Genossenschaft hat bereits mehr als 300 Projekte in Matanzas umgesetzt und arbeitet jetzt zusammen mit dem ausländischen Partner und dem Staatsunternehmen DINVAI S.A. an der Errichtung des „Hotel Oasis“ in Varadero.
In einer Sondersendung informierten Finanzministerium und Zentralbank über aktuelle Entwicklungen. Zentralbankchefin Wilson González griff kurz die Gerüchte über die angeblich für den 1. Oktober bevorstehende Währungsreform auf und betonte, dass Details hierzu „zu gegebener Zeit“ bekannt gegeben würden. Neuigkeiten gibt es beim Import und Export von Devisenwährung. Statt bisher 10.000 US-Dollar dürfen künftig nur noch 5.000 US-Dollar nach Kuba ein- oder ausgeführt werden, größere Beträge bedürfen einer Sondergenehmigung durch die Zollbehörden.
Zu den wichtigsten Aufgaben in der Pandemie gehöre derzeit die Digitalisierung des Bankwesens, um Schlangen und Personenansammlungen zu vermeiden. Inzwischen nutzen rund eine Millionen Kubaner die App „Transfermóvil“, um Strom, Wasser, Gas und andere Rechnungen zu bezahlen. Heute wird jede vierte Transaktion auf Kuba bargeldlos abgewickelt, 2017 waren es noch lediglich 6 Prozent.
Mit der Gründung einer landwirtschaftlichen Entwicklungsbank soll die Produktion von Lebensmitteln angekurbelt werden, indem Agrarproduzenten besseren Zugang zu Krediten für den Erwerb neuer Ausrüstung und Saatgut erhalten. Ein neues Gesetz ermöglicht es privaten Landwirten ebenso wie Kooperativen, Erntehelfer und andere Saisonarbeitskräfte durch mündliche Verträge für bis zu 90 Tage anzuheuern, ohne dass diese wie bisher eine Lizenz als „Arbeiter auf eigene Rechnung“ halten müssen. Der gesetzlich festgelegte Achtstundentag darf dabei nicht überschritten werden.
Auf einer Sitzung des Staatsrats wurden drei weitere Reformvorhaben beschlossen, darunter die Einführung von Trusts als Finanzierungsform sowie ein neues Gesetz über Hypotheken und Pfändung. Private Immobilienhypotheken sollen auf Kuba eine größere Rolle in der Wirtschaft spielen und beispielsweise als Sicherheit für die Bank dienen, um Startkapital für eine Firmengründung zu erhalten. Rund 90 Prozent der Kubaner sind Eigentümer ihrer Wohnung bzw. ihres Hauses, was den Zugang zu Krediten für Familien ohne größere Deviseneinkommen und Geldsendungen aus dem Ausland erhöhen dürfte.
Die Umsetzung der neuen Wirtschaftsstrategie soll bis zum kommenden Parteitag im April 2021 erfolgen. Präsident Díaz-Canel kündigte an, dass das Parlament im Oktober erstmals eine Zwischenbilanz ziehen werde. (A21)
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