Am Dienstag stellte Kubas Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca, wie jedes Jahr um diese Zeit, das neue Investitionsportfolio des Landes vor. Die Handelsmesse FIHAV wurde zum zweiten Mal in Folge durch einen virtuellen Austausch ersetzt, an dem heuer rund 3000 Personen aus 86 Ländern teilnahmen. Kuba hat seine Bemühungen bei der Suche nach Investoren zuletzt deutlich verstärkt. Dabei herausgekommen sind jetzt die wohl bahnbrechendsten Neuerungen seit Inkrafttreten der Investitionsgesetze von 2014.
Der Ausschreibungskatalog („Cartera de Oportunidades“) umfasst in seiner jüngsten Aktualisierung für den Zeitraum 2021-22 inzwischen 678 Projektvorschläge mit einem Gesamtvolumen von 12,5 Mrd. US-Dollar und ist damit so dick wie noch nie. Zum Vergleich: 2020 waren es 503 Ausschreibungen. Auch die Zusammensetzung hat sich verändert: Die meisten Projekte sind im Bereich Lebensmittelproduktion (166) angesiedelt, gefolgt von Tourismus (142), Energie (133), Industrie (89) und Bergbau (52). Zuvor lag der Fokus auf Tourismus-Ausschreibungen. So sucht die Insel nun beispielsweise nach Investoren zum Aufbau einer Shrimp-Zucht und plant die Gründung eines Joint-Ventures für die Produktion von Pasta. Auch die Modernisierung bestehender Anlagen der Lebensmittelindustrie ist prominenter Teil des Katalogs. Weitere Neuerungen umfassen den Onlinehandel: So soll mit Hilfe ausländischer Partner eine effiziente E-Commerce-Plattform aufgesetzt werden, die Mindestinvestitionssumme beträgt hier nur 100.000 US-Dollar. Kubas Industrie sucht unter anderem Partner für die Herstellung von Textilien, Farben, Aluminium und Hygieneprodukten.
Seit vergangenem November konnten laut Malmierca lediglich 512 Mio. US-Dollar an ausländischen Investitionen verteilt auf 15 Projekte gewonnen werden – deutlich weniger als die 2 bis 2,5 Mrd., welche für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum laut Berechnungen des Ministeriums jährlich zufließen müssten. In der 2014 eröffneten Sonderwirtschaftszone von Mariel sind bislang 61 Projekte mit einem Volumen von 3,04 Mrd. US-Dollar aktiv. Neben den unter Trump verschärften US-Sanktionen, die bis heute in Kraft sind, sei daran auch die Pandemie sowie die nach wie vor bestehende Bürokratie schuld. Premierminister Manuel Marrero mahnte zuletzt im September: „Wir müssen selbst proaktiver, agiler werden“. Es könne nicht gewartet werden, bis die Blockade aufgehoben wird.
In einer Neuausrichtung der Investitionspolitik wirbt Kuba neuerdings ganz offen um Kapital aus der Exilgemeinde. Auf der virtuellen Handelsmesse fand hierzu eigens ein „Geschäftsforum für im Ausland lebende Kubaner“ statt. Zwar würden die aktuellen Gesetze Investitionen von Auslandskubanern prinzipiell erlauben, die bisherige Struktur der Ausschreibungen sei für diese jedoch wenig attraktiv gewesen, so Malmierca. Tatsache ist auch, dass einige mögliche Vorhaben in der Vergangenheit aufgrund von Bedenken der kubanischen Seite nicht zustande kamen. Mit der Neuausrichtung sind vermehrt kleinteilige Projekte mit geringeren Summen hinzugekommen, welche häufig lokale Entwicklungsprojekte betreffen. Damit könnten Auslandskubaner gezielt in ihren Heimatprovinzen aktiv werden, um zur Entwicklung einer bestimmten Region beizutragen. „Wir suchen Wege, um ihre Interessen mit den unsrigen zu verbinden“, erklärte der Minister.
Investitionen aus der Exilgemeinde spielten bei der Entwicklung der Wirtschaften von China und Vietnam eine zentrale Rolle und könnten auch im Falle Kuba einiges an Potential bereithalten. Allein in den Vereinigten Staaten leben etwa 2,3 Mio. Auslandskubaner, davon über 70 Prozent im Großraum von Miami. Viele von ihnen haben eine höhere Bereitschaft, ihre Heimat zu unterstützen und verfügen über bessere Ortskenntnisse als andere Investoren, so die Überlegung. Auch in Bezug auf die Blockadegesetze der Vereinigten Staaten dürfte Havanna damit den Ball wieder nach Washington spielen wollen, da dort bislang keine Hemmnisse für Investments in Kuba abgebaut wurden.
Mit einer nicht weniger radikalen Änderung wurde darüber hinaus beschlossen, den Privatsektor für ausländische Investoren zu öffnen. Künftig könnten Investoren Partnerschaften mit kleinen und mittleren Unternehmen sowie Kooperativen (sowohl in- als auch außerhalb der Landwirtschaft) eingehen. Damit soll sich die klamme Finanzierungssituation des Sektors verbessern. Bislang durften sich lediglich Agrarkooperativen mit ausländischen Firmen zusammentun, wobei dafür ein stets Staatsunternehmen als Mittler erforderlich war. Diese Vorgaben entfallen nun. Auch die Eröffnung von Konten im Ausland, wofür eine Genehmigung der Zentralbank erforderlich war, können Joint-Ventures jetzt autonom handhaben.
Anders als in den Vorjahren ist der aktuelle Investitionskatalog diesmal nicht in Form einer PDF-Datei erschienen. Sämtliche Projekte sind jetzt auf dem neuen Webportal „Invierta en Cuba“ aufgelistet, welches neben einer Volltextsuche auch über Filterfunktionen verfügt. Neu eingeführt wurde dieses Jahr auch eine „Karte der Exporte“, mit denen die verschiedenen Exportfelder und daran beteiligte Betriebe auf der Insel visualisiert werden sollen.
Die Perspektive bleibt schwierig. Mir wird noch immer nicht klar, wie das Businessmodell für ausländische Investoren aussehen kann, abseits von Tourismus und Schlüsselbereichen, bei denen die Regierung selbst beauftragt und für die Bezahlung in Devisen sorgt. Ein Investor braucht auch die Möglichkeit, Devisen zu vereinnahmen, sonst werden sich die Investitionen, die er mit Devisen tätigt nicht amortisieren. Hinzu kommen fehlende Investitionssicherheiten, die fehlenden Möglichkeiten, mit Besitz die Investitionen auch abzusichern und die Rechtsverbindlichkeit. Hinderlich ist auch der Kooperationszwang und die merkwürdigen Vorstellungen der Regierung, wenn es um die Anstellung von Arbeitskräften geht. Für mich geht sich das nicht aus.