Während die Handels- und Investorenmesse FIHAV ihre Tore heute zum ersten Mal seit 2019 wieder für Besucher geöffnet hat, gibt es auch andernots aus der Wirtschaftswelt Havannas interessante Neuigkeiten zu vermelden: Der Park und botanische Garten „Quinta de los Molinos“ wird künftig als eigenes Unternehmen im Rahmen der 2021 eingeführten KMU-Gesetze betrieben. Zeitgleich mit der Ausgründung wird die Grünanlage um eine Technologiedemonstration für erneuerbare Energien erweitert.
Während die meisten der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zum Privatsektor zählen, spielt der Staatssektor in dem Bereich bislang kaum eine Rolle. Von den aktuell 5770 KMU auf Kuba sind lediglich 68 Staatsbetriebe, 59 sind Kooperativen. Eine prominente Ausnahme stellt jetzt die GmbH „La Quinta“ dar, die auf Initiative des Stadthistorikerbüros von Havanna (OHCH) gegründet wurde. Am 27. Oktober wurde das Vorhaben vom Wirtschaftsministerium genehmigt, die formelle Gründung soll im Laufe der Woche stattfinden. Damit wird zum ersten Mal im sozialistischen Kuba ein staatliches Museum durch ein Unternehmen geführt.
Ihren Sitz hat die Firma auf dem 4,7 Hektar großen Parkgelände Quinta de los Molinos im Herzen Havannas, in dem auch der 1817 gegründete botanische Stadtgarten seinen Sitz hat (nicht zu verwechseln mit dem nationalen botanischen Garten im Süden Havannas). In den 1950er Jahren sollte das Areal dem Ausbau der Straße „Carlos III“ geopfert werden, was durch den Widerstand von Botanikern verhindert werden konnte. Heute finden hier Messen und Konferenzen zu Natur- und Umweltthemen statt, zuletzt tagte ein Workshop zum Thema „Bäume im urbanen Raum“. Auf dem Gelände befindet sich das Museo Cuartel General del Ejército Libertador. Das ehemalige Mausoleum der spananischen Generalkapitäne diente einst dem Nationalheld Máximo Gómez als Wohnsitz und wurde 2020 restauriert. Auch ein Tierheim ist Teil des Parks.
Der Firma La Quinta kommt jetzt Betrieb und Unterhalt dieser Einrichtungen zu. Ihre primäre Aufgabe ist die „Bereitstellung integraler wissenschaftlich-technischer, umweltbezogener und kulturgeschichtlicher Dienste sowie historischer, welterbe- und umweltbezogener Interpretationen“. Wie der Biologe und Abteilungsleiter bei La Quinta, Alejandro Palmarola, erklärt, seien diese Zielstellungen in Zusammenarbeit mit der Belegschaft erarbeitet worden. „Zu unserer DNA gehört es, die soziale Verbindung des Zentrums nicht zu verlieren, einschließlich des Erhalts der hier abgehaltenen Workshops und die Vision der sozialen Verantwortung, die Eusebio Leal immer verteidigt hat“, sagte Palmarola gegenüber dem Nachrichtenportal „Cubadebate“.
So werden regelmäßig Veranstaltungen zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit geistiger Behinderung veranstaltet. „Nach Abschluss ihrer Ausbildung im Bildungssystem verlieren diese ihre Fähigkeiten, wenn sie sie nicht anwenden. In La Quinta wurden mehr als 20 Workshops für Menschen mit Behinderungen entwickelt, die regelmäßig abgehalten werden. Unsere Fachleute ermitteln dann diejenigen, die über die nötigen Fähigkeiten für die Aufnahme in das Programm der beruflichen Eingliederung verfügen“, erläutert Palmora. 2020 wurden die ersten 20 Teilnehmenden an diesen Programmen in die Firma aufgenommen. Von den 84 Beschäftigen des KMU sind heute 30 Prozent Menschen mit geistiger Beeinträchtigung.
Künftig soll die Belegschaft bis zur KMU-Obergrenze von 100 Personen anwachsen. Zur Stammbelegschaft des mittleren Unternehmens gehören unter anderem Gärtner, Biologen, Ingenieure, Psychologen, Historiker, PR-Experten und Tierärzte. „Wir wollen die Quinta in Absprache mit dem Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit zu einem Schulungszentrum für Führungskräfte und Mitarbeiter von Unternehmen machen, die integrative Arbeitsprogramme durchführen. Dies würde mit der Ausbildung von Fachkräften vor Ort kombiniert werden“, so Palmarola.
Neben dem Parkeintritt sollen vor allem über die Vermietung für OpenAir-Veranstaltungen sowie Gärtnerei-, Umwelt- und Tierarztdienstleistungen neue Einkünfte erschlossen werden. Die Hälfte der Gewinne fließen an das Büro des Stadthistorikers, das wiederum die Hälfte davon für den Erhalt des Geländes samt Museum verwendet. Mit Gründung der Firma sind bereits um 50 Prozent höhere Löhne möglich, in Zukunft plant das Unternehmen Mittel für weitere Projekte zu erwirtschaften. Dabei sollen neue Schnittstellen zu Umwelt- und Sozialwissenschaften der benachbarten Universität von Havanna entstehen, mit denen neue Produkte entwickelt werden.
Die jüngste Einrichtung ist ein Ausstellungszentrum für erneuerbare Energien, das in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Energie- und Bergbau errichtet wurde und das am 16. November, dem 503. Gründungstag Havannas, eröffnet werden soll. Dank der Installation von 144 Solarpanels können bereits jetzt Energieüberschüsse von 20 Prozent an den Stromanbieter verkauft werden. Das Gelände arbeitet klimaneutral. Drei kleine Windturbinen und ein schwerkraftbetriebenes Mini-Wasserkraftwerk sollen folgen. Die Anlage soll zur Aufklärung über erneuerbare Energien beitragen und „Wissen über deren Installation, Kosten und Nutzen“ vermitteln.
Besucher können Museum und Park mit oder ohne Führung besichtigen. Neben tropischen Pflanzen gibt es Schmetterlinge und ein Aquarium zu bestaunen. Die Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Donnerstag von 10 bis 15 Uhr. Führungen starten jeden Morgen um 10.30 Uhr. Der Eintrittspreis beträgt 30 Pesos für Erwachsene bzw. 15 Pesos für Kinder. Ausländer zahlen 125 Pesos, ca. einen Euro.