4. Mai 2024

Kaderrochaden und Korruption: Wer wird Kubas nächster Präsident?

In der westkubanischen Provinz Cienfuegos hat sich ein unerwarteter Führungswechsel ereignet. Wie die Lokalzeitung „5 de Septiembre“ am Mittwoch berichtete, bat Gouverneur Alexandre Corona Quintero um seinen Rücktritt, nachdem er „Fehler bei der Ausübung seines Amtes eingeräumt hat“. Wie aus der knappen Note in der Zeitung weiter hervorgeht, habe Präsident Miguel Díaz-Canel „dem Antrag stattgegeben“.

Der 51-jährige Quintero stand der Provinz seit 2020 vor und wurde 2023 wiedergewählt. Er hat einen Master in Management und ein Diplom in Sicherheit und Landesverteidigung sowie öffentlicher Verwaltung. Laut der Website des kubanischen Parlaments schloss er 1995 sein Studium an der Hochschule des Innenministeriums in Villa Clara ab und begann sein Berufsleben als Beamter dieser Institution. Ab 1997 durchlief er verschiedene Führungspositionen im Fischereisektor, wo er unter anderem als Generaldirektor in den Staatsunternehmen EPICEN und YAGUACÁN tätig war. Im Jahr 2006 wurde er zum Vizepräsidenten des Rates der Provinzverwaltung in Cienfuegos befördert und 2008 zum Vizepräsidenten der Provinzversammlung gewählt.

Es ist dieses Jahr bereits der zweite Rücktritt eines kubanischen Politikers wegen nicht näher genannten Fehlverhaltens im Amt. Am 8. März wurde bekannt, dass gegen den kurz vorher zurückgetretenen Wirtschaftsminister Alejandro Gil wegen „schwerer Fehler“ ermittelt werde. Dieser hat daraufhin seine Mandate als Abgeordneter des Parlaments und Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) niedergelegt. Die Offenlegung von Korruptionsfällen und damit zusammenhängende Rücktritte von Politikern sind im sozialistischen Kuba bislang eine Seltenheit und werden von Beobachtern im In- und Ausland mit besonderem Interesse bedacht.

Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel kündigte vergangenen Dezember eine „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber korrupten Staatsbediensteten und illegalen Netzwerken an. In der Folgezeit deckten Rechnungshof und Staatsanwaltschaft zahlreiche Korruptionsfälle im Zusammenhang mit Geldwäsche, Unterschlagung von Rohstoffen sowie Diebstahl von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mehl und Öl auf. Insgesamt seien bis Ende März elf illegale Korruptionsnetzwerke innerhalb staatlicher Strukturen zerschlagen worden. Der Journalist José Miguel Solís vom staatlichen Sender „Radio Rebelde“ berichtete wenige Tage nach Bekanntwerden der „Causa Gil“, dass allein in der Provinz Matanzas in den vergangenen Monaten ein Dutzend Kader aufgrund von Missmanagement von ihren Ämtern entbunden worden seien.

Demnächst sollen in den Provinzen Villa Clara, Matanzas und Santiago de Cuba die Gouverneure neu besetzt werden, wobei es sich in diesen Fällen wohl um reguläre Kaderrotationen handelt. In Santa Clara wird Alberto López Díaz, der das Amt ebenfalls seit 2020 innehat, den Posten ein Jahr nach seiner Wiederwahl im Mai 2023 räumen müssen. Wie das staatliche Nachrichtenportal „Cubadebate“ berichtet, sollen die Gouverneure und Vizegouverneure von Cienfuegos, Matanzas, Villa Clara und Santigo de Cuba am kommenden 4. Mai neu gewählt werden. Die Wahl der Gouverneure erfolgt im kubanischen Einparteiensystem laut Verfassung durch die Abgeordneten der Gemeindeparlamente „auf Vorschlag des Präsidenten“.

Die nächste Generation, geboren zwischen 1969 und 1982, wird in Stellung gebracht. Von links: Beatriz Jhonson Urrutia, Joel Queipo Ruiz, Susely Morfa González und Mario Felipe Sabines Lorenzo

Indes sind in in Havanna, Santiago de Cuba, Matanzas, Ciego de Ávila und Holguín in den vergangenen Wochen die tendenziell einflussreicheren Ämter der Ersten Parteisekretäre der Provinzen neu besetzt worden. In Santiago wurde das ZK-Mitglied Beatriz Jhonson Urrutia (54) zur Ersten Parteisekretärin gewählt, sie stand der Provinz zuvor als Gouverneurin vor. In Matanzas wurde Mario Felipe Sabines Lorenzo (52) zum Ersten Parteisekretär. Seine Vorgängerin, die ehemalige Leiterin des kommunistischen Jugendverbands UJC, Susely Morfa González, zählt mit 42 Jahren zu den aufstrebenden Nachwuchskadern im Zentralkomitee und wird dort künftig „andere Aufgaben“ wahrnehmen. In umgekehrte Richtung ging es für den bisherigen Leiter des Wirtschaftsdepartments beim ZK der PCC, Joel Queipo Ruiz (52), der seit dem 20. April als Erster Sekretär der Provinz Holguín fungiert. Der Schwarze Nuklearphysiker gilt ebenfalls als aussichtsreicher Nachwuchskader, er rückte auf dem Parteitag 2021 ins ZK auf. Ihm fehlt bislang Regierungserfahrung auf Provinzebene. In Havanna übernahm Livan Izquierdo Alonso (56) das Amt, der aus Ciego de Ávila versetzt wurde, wo der Sekretär der gleichnamigen Provinzhauptstadt Julio Heriberto Gómez Casanova (44) nachrückte.

Díaz-Canel gab damals die Maxime aus, ähnlich dem meritokratischen Ansatz in China und Vietnam, junge Kader über die Leitung verschiedener Provinzen Erfahrung sammeln zu lassen. Er selbst war vor der Präsidentschaft unter anderem in seiner Heimatprovinz Villa Clara und Holguín als Erster Parteisekretär tätig. Raúl Castro bezeichnete ihn bei seiner Amtseinführung 2018 als „einzigen Überlebenden“ einer Gruppe von Nachwuchskadern, die für die Staatsspitze vorbereitet wurden. In genau vier Jahren, im April 2028, wird Kuba einen neuen Präsidenten haben. Während Díaz-Canel laut Verfassung nicht mehr für eine dritte Amtszeit kandidieren kann, wäre Premierminister Manuel Marrero neben vielen anderen bekannten Gesichtern des derzeiten Politbüros zu alt für das Amt. Gemäß Artikel 127 der kubanischen Verfassung darf der Präsident bei Amtsantritt nicht älter als 60 Jahre sein.

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