Zwei Monate nach Inkrafttreten der neuen Gesetze über kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind auf Kuba inzwischen die ersten 615 Betriebe genehmigt worden. Die für dieses Jahr geplante Einführung von neuen Eigentumsformen schreitet damit auf den letzten Metern des Jahres zügig voran. Viele der bereits etablierten Selbstständigen sperrten nach dem Ende des mehrmonatigen Lockdowns und mit der Rückkehr des Tourismus ihre Geschäfte wieder auf, eine Welle von Neuanmeldungen kam hinzu. Erste KMU-Inhaber zeigen sich optimistisch: bislang seien die Genehmigungsprozesse „beispiellos in Geschwindigkeit und im Automatisierungsgrad“ abgelaufen.
Von den 615 KMU, die seit Ende September genehmigt wurden, sind 586 (95 Prozent) reine Privatbetriebe, die jetzt mit einer der deutschen GmbH vergleichbaren Rechtsform operieren. 15 sind staatliche Firmen, 14 Kooperativen (CNA). Damit sind innerhalb von acht Wochen mehr Betriebe entstanden als in den sieben Jahren des Kooperativen-Pilotprojekts. Für Privatbetriebe ist die Anzahl der Beschäftigten auf 100 Personen limitiert, während bei Genossenschaften keine Beschränkung gelten. Geographisch (→ PDF) verteilen sich rund die Hälfte der KMU auf Havanna, gefolgt von Granma, Santiago de Cuba und Villa Clara. Es wird erwartet, dass die Unternehmen zusammen zwischen 10.000 und 14.000 Arbeitsplätze schaffen.
Bei 57 Prozent handelt es sich um bereits bestehende Betriebe, während 43 Prozent Neugründungen sind. Die vertretenen Branchen sind divers und umfassen unter anderem die Lebensmittelindustrie, Recycling, Baugewerbe, Informatik, Möbel- und Konsumgüterproduktion, Transportdienstleister und Logistik. Mit der neuen Negativliste, welche insgesamt 112 Punkte umfasst (darunter vor allem traditionelle Staatsdomänen wie Bildung, Gesundheit, Bergbau und Infrastruktur), sind deutlich mehr Geschäftsideen umsetzbar als bisher. Inzwischen existieren professionelle private Hersteller von Fruchtsäften, Farben und Lacken, Plastikwaren und Landwirtschaftsmaschinen, die bislang in keine Lizenzkategorie passten. Softwareentwickler und Werbeagenturen, sowohl staatlich als auch privat, sind ebenfalls unter den ersten KMU. Die anlässlich des 502. Jubiläums von Havanna eröffnete Wirtschaftsmesse („Feria de Oportunidades“) stand ganz im Zeichen der neuen Akteure. Präsident Miguel Díaz-Canel stattete im Rahmen seines Rundgangs vertretenen KMU einen Besuch ab und unterstrich nochmals die Unterstützung seiner Regierung. Die neue Rechtsform soll nicht zuletzt dabei helfen, die angestrebte Verzahnung aller Teilnehmer der kubanischen Wirtschaft zu ermöglichen. Offenbar scheinen die jüngsten Reformen auf dem Gebiet erste Ergebnisse zu liefern: „Viele der Bedingungen, welche Allianzen zwischen Staats- und Privatsektor eingeschränkt haben, sind inzwischen erheblich reduziert worden“, sagt Alain Peña, Gründer von „Pyxel Solutions“. Die Umwandlung in eine KMU habe zuletzt weitere Partner angespornt, Verträge mit der Firma einzugehen.
Nach Monaten des Lockdowns (während dem die Ausgabe neuer Lizenzen ausgesetzt war) beginnt sich Kubas Privatsektor langsam von den Folgen der Pandemie zu erholen: Von den 617.000 selbstständig Beschäftigten im Jahr 2019 waren Ende 2020 noch 602.000 übrig. 250.000 hatten von der Möglichkeit gebrauch gemacht, ihre Lizenzen zeitweise zu suspendieren, ohne diese ganz aufzugeben. Während dieser Zeit waren keine Steuern und Abgaben fällig. So konnten dann doch die allermeisten Kleinbetriebe die Pandemie „überwintern“ um jetzt wieder an den Start zu gehen. Seit der erneuten Ausgabe von Lizenzen im September sind 16.000 Selbstständige hinzugekommen. Das Risiko dürfte vielen kalkulierbar erscheinen, da neu gegründete Betriebe jetzt ein Jahr von der Steuer (inklusive Einkommenssteuer) befreit sind. Bereits bestehende Betriebe müssen bei Wiederöffnung für die ersten sechs Monate keine Abgaben entrichten. Für Abel Bajuelos, Mitinhaber des 3D-Druckdiensleisters „Addimmensional“, war der neu strukturierte Genehmigungsprozess „Spektakulär in Sachen Geschwindigkeit und Automatisierung, eine echte Veränderung“. Gründer würden inzwischen „volle Unterstützung“ aus dem Wirtschaftsministerium und der Wissenschaft genießen, so Bajuelos.
Mit der Ausweitung und Öffnung des Privatsektors verspricht sich Kubas Regierung neben der langfristigen Lösung der strukturellen Probleme der Wirtschaft auch eine zeitnahe Verbesserung des Angebots. Noch immer ist die Versorgungslage prekär, viele Dinge des täglichen Bedarfs wenn überhaupt nur über informelle Kanäle zu hohen Preisen verfügbar. Die Preise in der Gastronomie orientieren sich vor allem am informellen Wechselkurs, der aktuell bei 1:68 für den US-Dollar liegt. „Wir müssen inzwischen fast alle unserer Produkte in Devisenwährung kaufen“, führte ein Restaurantbesitzer gegenüber „Cubadebate“ als Grund für die gestiegenen Preise aus. Für das mittelfristige Ziel, den Peso durch die Ausweitung der heimischen Produktion zu stabilisieren, könnte die Einführung der neuen Akteure einen Wendepunkt markieren.
Weitere Neuerungen und Reformen, die in den vergangenen Wochen auf den Weg gebracht wurden:
- Kredite in harter Währung: Mit der „Resolution 285/ 2021“ vom 1. November führt Kubas Zentralbank die Möglichkeit ein, Kredite in Fremdwährungen an KMU und Kooperativen zu vergeben. Die erste Lizenz dafür hat die Financiera Iberoamericana S.A erhalten, ein Joint Venture zwischen der Banco Internacional de Comercio S.A. (BICSA) und der spanischen Banco Sabadell. Damit erweitert sich der Finanzierungsspielraum für Privatbetriebe potentiell erheblich, da bisher nur Kredite in kubanischen Pesos erlaubt waren. Seit der Öffnung des Außenhandels vergangenen Herbst können Privatbetriebe auf Kuba ihre Produkte über ausgewählte Staatsfirmen ins Ausland exportieren bzw. Importe tätigen. Die Zahlungsströme werden ausschließlich bargeldlos über Konten in Fremdwährung abgewickelt. Wie umfangreich die neuen Devisenkredite konkret ausfallen werden bleibt abzuwarten. In einem weiteren Schritt wurde zuvor die Nutzung von Devisenkonten auf weitere Teilnehmer ausgedehnt und flexibilisiert.
- Detaillierte Infos zum neuen Steuersystem finden Sie auf der mittlerweile aktualisierten gleichnamigen Unterseite auf Cubaheute.
- Verkauf von Solarpaneelen: Am 4. November hat der im Spätsommer angekündigte Verkauf von Solarpaneelen an Privatpersonen begonnen. Der Preis für 1 KWp-Anlagen (á 4 Paneelen) liegt bei 55.000 Pesos (ca. 2000€) inklusive Lieferung und Installation. Interessierte können sich an die Firma „COPEXTEL“ wenden, die Filialen in sämtlichen Provinzen betreibt. Den Anfang bei den Verkäufen macht dieser Tage allerdings zunächst die Hauptstadt Havanna.
- Landwirtschaftsreform geht weiter: Nach der Freigabe der Preise und weiterer Schritte wurde zuletzt ein neues Entlohnungssystem für staatliche Agrarbetriebe eingeführt, welches die Bezahlung stärker an Resultate koppeln soll. Neue Schulungen mit Hilfe der Welternährungsorganisation (FAO) sollen die Umsetzung von Verträgen als wichtigstes Vermarktungsinstrument unterstützen. Darüber hinaus wurden die ersten 15 Projekte mit ausländischem Kapital im Bereich der Landwirtschaft begonnen, die ein Volumen von 150 Millionen US-Dollar umfassen. Der Agrarsektor war auf Kuba lange Zeit für Investitionen tabu. Mit der neuen Wirtschaftsstrategie im Jahr 2020 hat sich dies geändert.
- Kuba stellt internationales Postwesen neu auf: Das Unternehmen Aerovaradero S.A., das zur kubanischen Luftfahrtgesellschaft gehört, hat ein Ausschreibungsverfahren für die Zustellung von Paketen in Kuba gestartet. Zuletzt wurden Pakete aus dem Ausland auf Kuba nur sehr unzuverlässig und verspätet zugestellt. An der Ausschreibung, die noch bis zum 24. November läuft, können sowohl ausländische Firmen als auch lokale Staats- und Privatbetriebe teilnehmen. Der Paketversand mit DHL nach Kuba ist inzwischen wieder möglich.
- Anreiz für Innovation: In einem bislang einzigartigen Schritt soll auf der „Informática 2022“-Konferenz im März kommenden Jahres ein Preisgeld für innovative und volkswirtschaftlich nützliche Softwareprojekte ausgeschrieben werden. Für den ersten Preis sind 20.000 US-Dollar ausgelobt während die Zweitplatzierten mit 15.000 US-Dollar rechnen können: ein solides Startkapital.
- Was wurde eigentlich aus Marino Murillo? Wie kubanische Medien berichten, ist der ehemalige Wirtschaftsminister und „Kopf“ der Währungsreform inzwischen neuer Chef des staatlichen Tabakkonzerns „Tabacuba“. Die 2011 gegründete und seither stets von Murillo geführte Reformkommission wurde aufgelöst, deren Aufgaben wurden dem Wirtschaftsministerium unter Leitung von Alejandro Gil anvertraut.
Leider geht es den Leuten im Privatsektor nur ums Geld. Anstatt Güter günstig zu verkaufen werden oftmals unverschämte Preise aufgerufen.
Das wird sich einpegeln müssen. Im Augenblick überwiegen unternehmerische Unsicherheiten und die versucht man abzusichern. Allein schon die wirtschaftlich völlig intransparenten Währungskurse verhindern eine sinnvolle Kalkulationssicherheit, jede Kalkulation wird mit gefühlten Risikoaufschlägen belegt. Waren in MLC kaufen müssen, aber nur in CUP verkaufen zu können, da wird das Kursverhältnis auf dem Schwarzmarkt zwischen Devisen/MLC zum CUP bestimmend für den Endpreis, denn irgendwie müssen Gewerbetreibende sich die MLC oder Devisen besorgen.
Fakt ist, dass jedes Unternehmen im Haben wirtschaften muss, sonst gibt es das Unternehmen in absehbarer Zeit einfach nicht mehr.
Kuba sollte den Weg Lenins und Stalins gehen. Nicht die Rückschritte des Antikommunisten Chruschtschow und seiner Nachfolger nachtun.