19. März 2024

Energie: Kubas schwimmende Notlösung

Dass Kubas Stromversorgung auf tönernen Füßen steht, ist keine Neuigkeit. Deutlich wurde dies spätestens mit der Energiekrise 2019, als die aus der „Sonderperiode“ der 1990er Jahre bekannten Stromrationierungen wieder teilweise zurückkehrten. Inzwischen informieren Kubas Medien fast täglich über geplante Abschaltungen, so dass sich die Bevölkerung entsprechend vorbereiten kann. Mit einem schwimmenden Kraftwerk aus der Türkei versucht die Regierung Engpässe zu überwinden, jetzt wurden die so zugekauften Kapazitäten nochmals aufgestockt.

Verschnaufpause für die Grundlast

„Barış Bey“ und „Esra Sultan“ heißen die beiden „Stromschiffe“, welche seit Mai 2019 im Auftrag des türkischen Herstellers und Betreibers Karpowership für zusätzliche Energie auf Kuba sorgen. Im November des selben Jahres kam ein drittes Schiff hinzu. Die bislang auf diesem Weg gebuchte Leistung von rund 200 Megawatt wurde jetzt nochmals aufgestockt: Seit kurzem speist mit der „Ela Sultan“ ein weiteres schwimmendes Kraftwerk 130 Megawatt aus der Bucht von Havanna ein. Damit bezieht die Insel inzwischen rund 15 Prozent ihres Strombedarfs über den türkischen Anbieter, der neben Kuba 10 weitere Länder versorgt, darunter Ghana, den Libanon und Indonesien.

Die Versorgung konnte in den letzten Wochen und Monaten zwar besser mit der ständig steigenden Nachfrage mithalten, doch die Problematik liegt auf der Hand: neben den deutlich höheren Kosten könnten die Kraftwerke jederzeit wieder „davonschwimmen“, sollten sich die bislang robusten Beziehungen mit der Türkei verschlechtern oder die Vereinigten Staaten Druck auf den NATO-Partner ausüben. Dann müsste wieder zu drastischen Rationierungsmaßnahmen gegriffen werden.

Die Verträge mit Karpowership sind zunächst auf vier Jahre ausgelegt. Diese Zeit soll als Verschnaufpause genutzt werden, um die teils stark verschlissenen sowjetischen Schwerölkraftwerke zu erneuern, mit denen heute die Grundlast erzeugt wird. Die Anlagen stammen größtenteils aus den 1970er und 80er Jahren und haben den Vorteil, mit dem schwefelhaltigen Öl befeuert werden zu können, welches Kuba aus eigener Förderung gewinnt. Aufgrund des chronischen Devisenmangels wurden ihre Wartungszyklen zuletzt häufig ausgesetzt, was in den vergangenen Monaten zu einigen mittleren Havarien geführt hat.

Steigender Bedarf

Doch die großen „Termoeléctricas“ (wie die Schwerölkraftwerke genannt werden) reichen schon lange nicht mehr, um den Bedarf vollständig zu decken. In den Nullerjahren wurde deshalb damit begonnen kleinere Dieselkraftwerke von MTU aus Deutschland zu beziehen, welche heute zur Deckung der Spitzenlast genutzt werden. Zwar können sie nicht davonschwimmen, allerdings ist der Import von Diesel teuer, der Betrieb ebenso wie bei den schwimmenden Aggregaten eine kostspielige Angelegenheit. Ein weiteres Problem ist die hohe Verlustquote des Stromnetzes von rund 16 Prozent.

Seit 2016 ging die erzeugte elektrische Energie auf Kuba von 20.000 auf 19.000 Gigawattstunden leicht zurück, während immer mehr Haushalte inzwischen Klimaanlage und eine zweite Gefriertruhe ihr Eigen nennen. Möglich wurde dies nur über massive Einsparungen im Staatssektor und durch Herunterfahren der Industrie während der Lockdowns. Wenn die Wirtschaft jetzt wieder hochfährt und dabei auch noch die neuen kleinen und mittleren Unternehmen hinzukommen, könnte sich das zusätzliche Kraftwerksschiff als sinnvolle Überbrückung herausstellen. Doch selbst wenn die Modernisierung und Erweiterung der Schwerölkraftwerke in den nächsten Jahren vorankommt, braucht die Insel mittelfristig deutlich mehr Strom als bisher.

Ausbau der Erneuerbaren: Die Zeit drängt

Der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien tritt dabei bislang auf der Stelle: Bis 2030 soll ihr Anteil am Strommix bei 24 Prozent liegen, während die Gesamtproduktion auf 30.000 Gigawattstunden zulegen soll. Aktuell beträgt ihr Beitrag nur rund zwei Prozent. Den größten Teil davon liefern 72 kleinere Solarparks, welche in den letzten Jahren mit chinesischer Hilfe errichtet wurden. Seit 2014 wurden viele Projekte für Solar-, Wind- und Biomasseanlagen ausgeschrieben, nur die wenigsten haben sich realisiert. Bürokratie, US-Sanktionen und wenig attraktive Rahmenbedingungen für ausländische Investoren haben den Ausbau lange Zeit verschleppt, dann kam die Wirtschaftskrise. Die 2018 geplante Errichtung eines 600 Megawatt-Gaskraftwerks mit dem französischen „Total“-Konzern und Siemens, kam bislang nicht zustande.

Inzwischen ist jedoch Bewegung in den Bereich der erneuerbaren gekommen: Die Einfuhr entsprechender Anlagen wurde dieses Jahr von Gebühren befreit und Anfang des Monats hat der Verkauf von Solarpaneelen an Privatpersonen begonnen, auch Investitionen in die regenerative Energien genießen mittlerweile Zollvorteile. Dennoch sind längst nicht alle Hemmnisse beseitigt: So dürfte die Einspeisevergütung trotz der im Zuge der Währungsreform gestiegenen Stromtarife noch immer zu niedrig ausfallen, während die Anschaffungskosten mit umgerechnet 2000 Euro über der Kaufkraft der meisten Haushalte liegen. Wirtschaftsminister Gil erklärte das Thema Energie inzwischen zu den Top-Prioritäten der Regierung. Es bleibt abzuwarten, ob z.B. ein erweitertes Kreditprogramm dabei helfen kann, für weitere Anreize zu sorgen. Die Zeit drängt.

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5 Gedanken zu “Energie: Kubas schwimmende Notlösung

    1. Das Atomkraftwerk wurde nie fertig gebaut! Der Rohbau steht seit 40 Jahren bei Cienfuegos.
      Und wer weiß, wofür es gut ist, dass es nie fertig gebaut wurde. Ich frage mich nämlich, wo wohl deren Endlager gewesen wäre und ob sie das Kraftwerk wirklich hätten betreiben können.

    2. Mal abgesehen von von bereits angesprochenen technischen Aspekten (AKWs sind nichts für Strombetreiber mit knappen & unsteten Wartungsbudgets), würden die USA sicherlich nicht dabei zuschauen, wenn Kuba jetzt anfinge Uran zu importieren… Die Lösung muss in einer Mischung aus einheimischen fossilen (z.B. Erdgas zusätzlich zum Öl) und regenerativen Energieträgern bestehen, andere Möglichkeiten sehe ich nicht.

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