18. März 2024

Corona-Update für Kuba (16): Steigende Fallzahlen und die Rolle der Mutanten

Seit Ende März sind die Corona-Fallzahlen auf Kuba wieder am steigen. Zuletzt wurde immer häufiger vierstelliges Niveau erreicht. Vor allem die Situation in der Hauptstadt Havanna, auf die ein Großteil der täglichen Neuinfektionen entfällt, hat sich weiter angespannt. Zum jüngsten Anstieg könnten indes die vermehrt auftretenden Mutationen des ursprünglichen Virus beigetragen haben, die in Havanna mit am häufigsten entdeckt wurden. Vergangene Woche stellten Kubas Epidemiologen die Ergebnisse einer dreimonatigen Studie vor, in deren Rahmen seit Dezember die Verbreitung der verschiedenen Corona-Varianten untersucht wurde. Demnach könnte der ursprüngliche Virusstrang auf der Insel schon bald verdrängt werden. Wie effektiv die kubanischen Impfstoffe auch gegen die heimisch gewordenen Varianten funktionieren, wird derzeit im Rahmen einer breit angelegten dritten Studienphase untersucht. Deren Ergebnisse dürften in rund zwei Monaten vorliegen. Im Rahmen einer Notfallzulassung sollen bis dahin bereits große Teile Havannas geimpft sein…

Covid-19 Fälle auf Kuba vom 11. März 2020 bis einschließlich 11. April ’21: Akkumuliert (beige), aktive Fälle (rot) und tägliche Neuinfektionen (blau), (Quelle: Covid19-Dashboard Cuba)
  • Bis zum 11. April wurden auf Kuba insgesamt 87.385 Personen positiv auf SARS-CoV-2 getestet: +854 zum Vortag, darunter 424 in Havanna, 112 in Matanzas und 84 in Granma. 467 Personen sind bisher an den Folgen des Virus gestorben. 24.945 Personen befinden sich zur Gesundheitsüberwachung in medizinischen Einrichtungen, 81.900 gelten als genesen. Die Anzahl der aktiven Fälle liegt bei 4962 (siehe Grafik oben).
  • Die Inzidenz pro 100.000 Einwohner auf 15 Tage hat sich im letzten Monat von 109,4 (10. März) auf 132,8 (11. April) leicht erhöht, der Großteil des Anstiegs ereignete sich ab Ende März. Der bei uns gebräuchliche 7-Tage-Inzidenzwert stieg von 51,8 auf 57. Die Zahl der durchgeführten PCR-Tests liegt bei durchschnittlich 20.000 pro Tag. Die insgesamt am stärksten betroffenen Provinz ist mit Abstand Havanna (47,6 Prozent aller Fälle), gefolgt von Santiago de Cuba (9,2) und Pinar del Río (5,7). Rund ein Jahr nach Beginn der Pandemie wurde am 3. April mit 1162 die bisher höchste Zahl an Neuinfektionen an einem Tag gemeldet. Die Mortalitätsrate liegt mit aktuell 0,53 Prozent weiter unter dem internationalen und regionalen Durchschnitt.
  • Status der kubanischen Impfstoffe: Im Rahmen der ab Anfang März gestarteten Phase-III-Studien der beiden Impfstoffkandidaten „Soberana 02“ und „Abdala“ haben inzwischen alle der insgesamt 75.000 Teilnehmenden mindestens die erste Dosis erhalten. Bis zum 10. April wurden 22.108 (Abdala) und 4534 Personen (Soberana 02) die zweite Dosis verabreicht. Die dritte Dosis soll für einen Teil der Probanden Ende April / Anfang Mai folgen. Im Rahmen der Erprobung soll die Wirksamkeit eines zwei- und dreidosigen Impfschemas untersucht werden. Am 9. April startete der als möglicher weiterer „Booster“ (3. Dosis) gedachte Kandidat „Soberana Plus“ nach „exzellenten Resultaten“ in die Phase II. „Mambisa“ und „Soberana 01“ befinden sich weiterhin in Phase I.
  • Wie der Präsident des staatlichen Pharma-Dachkonzerns BioCubaFarma, Dr. Eduardo Martínez Díaz, erklärte, hätten beide Impfstoffe bisher auch gegen die verschiedenen Varianten des Virus eine Wirkung gezeigt und seien gut verträglich, schwere Nebenwirkungen wurden nicht festgestellt. Künftig könnten zudem Anpassungen an den Seren zur Steigerung der Effektivität bei Mutanten vorgenommen werden. Genaue Zahlen zur Wirksamkeit werden nach Abschluss der dritten Studienphase im Juni erwartet. Vorher soll bereits in Havanna eine klinische Interventionsstudie im Rahmen der dritten Phase gestartet werden, an der zunächst das medizinische Personal teilnimmt. Ab Mai könnte nach Plänen des Gesundheitsministeriums die Erprobung mittels Notfallzulassung auf bis zu 1,7 Millionen Hauptstadtbewohner ausgeweitet werden. Die Teilnahme an den Studien erfolgt auf freiwilliger Basis und richtet sich an Personen ab 19 Jahren. Zum Stand der Produktion befragt blieben die Hersteller betont einsilbig, das Herstellungstempo sei jedoch „gut“ und der Ausbau der Kapazitäten komme voran. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, werden derzeit die Bedingungen für eine mögliche Produktion von „Abdala“ in Venezuela eruiert. Nach dem für Juli geplanten Start der Massenimpfung soll bis Ende des Jahres die gesamte Bevölkerung immunisiert werden können.

Die Rolle der Virusmutationen

Bis Ende März auf Kuba entdeckte Virusmutanten (Quelle: Cubadebate)
  • Seit Dezember 2020 wird in Kuba gezielt nach Auftreten und Häufigkeit von Virus-Mutationen gesucht, welche neben einer höheren Infektiosität und Sterblichkeit auch Resistenzen gegen Impfstoffe zeigen. Nach Abschluss der Studie am 28. März wurden die Ergebnisse vergangene Woche im Rahmen einer Sondersendung vorgestellt. Demnach treten auf Kuba fünf Mutationsvarianten auf. Neben dem Grundtyp und dessen infektiöserer Variante G614 sind die häufigsten vorkommenden Mutationen auf Kuba die südafrikanische (B.1.351), die kalifornische (B.1.429) und die britische (B.1.1.7). Darüber hinaus wurden sechs potentielle Mutationen entdeckt, bei denen sich bereits einige genetische Eigenschaften verändert haben (siehe Grafik).
  • Welchen Anteil die Virusvarianten am Infektionsgeschehen insgesamt bereits ausmachen, lässt sich nur grob abschätzen. Bisher sind 343 autochthone (= im Land auftretende) Übertragungsfälle sowie 71 ankommende Reisende sequenziert worden. Die zuletzt am häufigsten festgestellte südafrikanische Variante droht sich nach Einschätzung von María Guadalupe Guzmán, Leiterin der Diagnostik beim Institut Pedro Kourí (IPK, dem kubanischen Äquivalent des hiesigen Robert-Koch-Instituts), zur dominanten Corona-Variante auf der Insel zu entwickeln. Diese ist nicht nur hoch ansteckend, auch einige bekannte Impfstoffe (u.a. AstraZeneca, Novavax und Biontech) zeigen laut ersten Daten eine verminderte Effektivität gegen den Virusstrang. „Ursprünglich wurden die Varianten von Reisenden aus dem Ausland eingetragen, doch Schritt für Schritt sind zunehmend autochthone Fälle aufgetreten“, so Guzmán. Laut den kubanischen Experten sind die Mutanten für den jüngsten Anstieg der Fälle mitverantwortlich.
Häufigkeit der verschiedenen Varianten in den untersuchten endemischen Fällen (Quelle: Cubadebate)

Weitere Entwicklungen

  • Überzeugungsarbeit in Havanna: Am 6. April kündigte Präsident Miguel Díaz-Canel angesichts des Anstiegs der Fallzahlen weitere Verschärfungen der Corona-Maßnahmen für Havanna an. In der Hauptstadt herrscht schon seit Monaten das stärkste Infektionsgeschehen, die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 191,3. Die verschiedenen Virusvarianten sind in der Metropole überdurchschnittlich stark verbreitet. Trotz der hohen Inzidenzwerte scheint langsam auch auf Kuba eine gewisse Pandemiemüdigkeit einzusetzen, die sich in den Berichten über wiederkehrende Probleme bei der Durchsetzung der Maßnahmen widerspiegelt. Seit Januar wurden in Havanna wieder fast alle Lockerungen zurückgenommen, es gilt eine nächtliche Ausgangssperre. Wie Kubas Staatsoberhaupt Anfang der Woche erklärte, gehe es beim nächsten „Update“ der Corona-Politik vor allem um eine bessere Durchsetzung der bisherigen Regeln und nicht so sehr um die Erweiterung des Maßnahmenkatalogs, der bereits ziemlich ausgeschöpft sei. Vor allem die häusliche Quarantäne soll strikter überprüft werden. Über Straßenmeetings der Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDRs) und anderer Massenorganisationen soll für eine bessere Umsetzung der Hygieneregeln auf lokaler Ebene geworben werden. „Man muss auf die Menschen zugehen und mit ihnen reden“, so Díaz-Canel. Dabei müsse darauf hingewiesen werden, dass sich das Land seit drei Monaten in einer komplexen Situation mit steigenden Fallzahlen befinde, welche ohne verantwortungsvolles Verhalten auch mit der Verfügbarkeit von Impfstoffen allein nicht zu bewältigen sei.
  • Neue Vakzine gegen Mutanten: Wie die chinesische Nachrichtenagentur „Xinhua“ berichtet, arbeiten kubanische und chinesische Wissenschaftler in der Provinz Henan an der Entwicklung neuer und „komplexerer“ Impfstoffkandidaten, die sich vor allem gegen die verschiedenen bekannten und künftigen Virus-Varianten bewähren sollen. Das Projekt findet an einem offenen Forschungszentrum in Yongzhou (Provinz Henan) statt. Von kubanischer Seite ist das Zentrum für Gentechnik und Biotechnologie (CIGB) beteiligt, welches die „Abdala“ und „Mambisa“ Vakzine entwickelt hat und seit Ende 2019 in Yongzhou vertreten ist. Vergangenes Jahr hat das CIGB bereits an zwei weiteren Standorten die Herstellung von Interferon Alpha-2B und anderen kubanischen Wirkstoffen im Rahmen der Joint-Ventures „ChangHeber“ und „Shandong Lukang Heber Biotech“ aufgenommen. Nachdem die Wirksamkeit der ersten chinesischen Impfstoffe eher ernüchternd ausfällt, könnte das Land vom Know-how der kubanischen Pharmaindustrie profitieren. Für Kuba dürfte sich über die Kooperation mit China wiederum der Zugang zu „Ausrüstung, Logistik und Ressourcen“ für die Impfstoffproduktion verbessern, wie der Leiter des CIGB, Gerardo Guillén, erklärte.
  • Pandemie und Tourismus: Die Corona-Pandemie hat in den ersten beiden Monaten des Jahres auf Kuba zu einem historischen Einbruch von 95 Prozent bei den Besucherzahlen geführt. Mit 35.600 ausländische Reisenden kamen im Zeitraum bis Ende Februar so wenige Besucher auf Kuba an wie zuletzt Mitte der 1980er Jahre. Nach einem Wirtschaftseinbruch von 11 Prozent im vergangenen Jahr dürfte die ökonomische Situation angesichts der schwierigen Lage auch in anderen Sektoren weiter angespannt bleiben. Die Hoffnung richtet sich mit Blick auf die Impfkampagne bereits auf die Wintersaison 2020/21. Bis dahin soll der Pauschaltourismus in Gebieten wie Varadero und Jardines del Rey weiter aufrechterhalten werden. Besucher kommen unter anderem aus Russland und Portugal, von wo aus wieder Flugverbindungen aufgenommen wurden. Nach der Einstufung als Risikogebiet Ende Februar durch das RKI haben sich die Flüge von Deutschland nach Kuba zuletzt ausgedünnt, ab dem 22. Mai will Condor jedoch wieder mehrmals pro Woche Direktflüge von Frankfurt aus nach Havanna, Varadero und Holguín anbieten.
  • Biotech-Kooperation mit Deutschland: Im Rahmen eines virtuellen Forums wollen sich Kuba und Deutschland am 14. April über Kooperationsperspektiven im Bereich Biotechnologie und Pharmazie austauschen. An dem Event, welches von der kubanischen Handelskammer zusammen mit der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) organisiert wird, nehmen unter anderem Vertreter des CIGB und des Finlay-Impfstoffinstituts (IFV) teil. Ersteres genießt als High-Tech-Unternehmen seit kurzem weitreichende Autonomie bei der Geschäftsführung und im Außenhandel, wovon das Unternehmen im Rahmen internationaler Kooperationen zunehmend gebrauch macht.
  • Unfreiwilliger Aprilscherz zur Währungsreform: Ab dem 1. April staunten einige Kunden von Havannas „Banco Metropolitano“ nicht schlecht, als ihnen auf einmal Kontostände von bis zu einer Millionen CUC angezeigt wurden. Wie die Bank wenige Tage später klarstellte, handelte es sich um ein Problem im Rahmen der Umrechnungen zur Währungsreform. Bei dem Darstellungsfehler habe „zu keiner Zeit das Risiko bestanden, dass die Kontostände in einer Bank- oder Geschäftstransaktion genutzt werden können“, heißt es im Statement der Bank.

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