29. März 2024

Was tun gegen die Inflation? Ursache und Wirkung (Teil 1/2)

Kubas Wirtschaft erwacht nach Monaten des Lockdowns langsam aber sicher aus ihrem Dornröschenschlaf. Rund ein Jahr nach Beginn der Währungsreform pendelt sich das Lohn- und Preisgefüge auf der Insel noch immer ein. Die galoppierende Inflation und das knappe Angebot in der Landeswährung haben die Kaufkraft der Mehrheit der Kubaner ohne Zugang zu Devisen zuletzt empfindlich geschmälert. Die garantierte Grundversorgung über das staatliche Bezugsheft „Libreta“ ist heute wichtiger denn je. Viele basale Güter sind nur noch gegen Devisen in den landesweit rund 100 Fremdwährungsgeschäften erhältlich, was den Schwarzmarkt florieren lässt. Dort wird ein Dollar mittlerweile für 100 Pesos gehandelt. Dass dieser Zustand nicht ewig anhalten kann, zeichnet sich deutlich ab. Kubas Ökonomen haben dieser Tage mögliche Auswege aus der Lage diskutiert. „Cuba heute“ wirft einen Blick auf die Debatte: Was hilft gegen die Inflation? (Hier gehts direkt zu Teil 2)

Schwarzmarkt und Inflation

Die Verfügbarkeit von Devisen war bereits vor Beginn der Währungsreform prekär, weshalb der Staat Ende 2019 mit dem Verkauf von Produkten in Fremdwährung (auf Kuba „MLC, moneda libremente convertible“, frei konvertierbare Währung genannt) begonnen hat. Damit sollen die Basisimporte zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung, der Libreta und des Angebots in den Peso-Geschäften refinanziert werden. „Würden wir das MLC-Angebot in Pesos anbieten, hätten wir binnen 15 Tagen keine Devisen mehr“, erklärte Wirtschaftsminister Alejandro Gil jüngst zu dem Thema.

Die Folgen der Corona-Pandemie zusammen mit den mehrfach verschärften US-Sanktionen, welche unter anderem Geldsendungen aus dem Ausland blockierten und Western Union zur Schließung sämtlicher Filialen zwangen, haben die Lage weiter zugespitzt. Im Sommer 2020 wurde deshalb auch mit dem Verkauf von Lebensmitteln in Devisen begonnen. Dieser erfolgt ausschließlich gegen Kartenzahlung. Gleichzeitig hat der Staat um diese Zeit den Verkauf von Dollar und anderen Fremdwährungen schrittweise eingestellt, weshalb der offizielle Wechselkurs des Pesos von 24:1 de facto nicht bedient werden kann. Das hat zur Entstehung eines Schwarzmarkts geführt: einerseits für Produkte aus den Devisengeschäften, die Kubaner ohne entsprechendes Konto nicht erwerben können, andererseits auch für die Devisen selbst.

Im Juni 2021 haben Kubas Banken die Einzahlung von US-Dollar auf Devisenkonten gestoppt, da diese aufgrund der Finanzsanktionen für den Staat nur noch bedingt nutzbar sind. Das ließ Euro, Franken, kanadische Dollar und britische Pfund nochmals attraktiver werden.

Inzwischen werden viele Produkte des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel, Elektroartikel und Haushaltsgeräte ausschließlich gegen Devisen verkauft. Praktisch das gesamte Sortiment der ehemaligen CUC-Läden ging in MLC über. In den Peso-Geschäften verbleibt nur ein schmaler Grundstock (u.a. Hühnchen, Waschmittel, einige Hygieneprodukte und Rum), der bei entsprechender Verfügbarkeit rasch zu langen Schlangen führt. Personen ohne Zugang zu Devisen bleibt nur der Erwerb über den Schwarzmarkt, wo die Produkte zum informellen Wechselkurs gehandelt werden. Ab Mitte Januar begann der Kurs von rund 70 Pesos pro Dollar bis Ende Januar auf 100 zu steigen und hat sich seither auf diesem Niveau stabilisiert. Ein Liter Olivenöl, der im Geschäft 10,5 US-Dollar kostet, wird auf der Straße jetzt entsprechend für um die 1000 Pesos gehandelt. Der monatliche Medianlohn im Staatssektor beträgt rund 3900 Pesos.

Eine der Ursachen für den jüngsten Wertverlust des Pesos ist die Migration. Seit November gilt für Kubaner keine Visapflicht mehr für die Einreise nach Nicaragua. Damit hat sich für die steigende Zahl der Ausreisewilligen eine neue Option aufgetan, was die Nachfrage nach US-Dollar zuletzt anschwellen ließ.

Hotelgastronomie für Kubaner

Auf der Habenseite steht, dass die jetzige Struktur dem Staat ermöglicht, Strom und Treibstoff zuverlässig in nationaler Währung anzubieten. Der Liter Benzin kostet 30 Pesos und ist damit nicht nur verhältnismäßig günstig, sondern aufgrund steigender Lieferungen aus Venezuela in der Praxis auch besser verfügbar als noch 2019. Eine Rückkehr in die im Wortsinne dunklen 1990er Jahre der Sonderperiode steht nicht bevor. Die Energieversorgung ist stabil, was für die einsetzende Erholung der Wirtschaft essentiell ist.

Café im Erdgeschoss des Hotel Habana Libre: Früher verwaist, heute bilden sich teilweise Schlangen (Quelle: eigene Aufnahme)

Dem Privatsektor blieb aufgrund der geänderten Kostenstruktur nichts anderes übrig, als seine Preise nach dem informellen Kurs auszurichten. Ein Nebeneffekt davon ist, dass viele staatliche Restaurants heute an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen haben, da diese aufgrund staatlicher Zuteilungen mit dem offiziellen Kurs kalkulieren können: Während das Hühnchen in der privaten Cafeteria ehemals mit 70 Pesos bepreist war, werden dort inzwischen teilweise mehr als 200 Pesos fällig. Die Languste im Staatsrestaurant kostet hingegen weiterhin 360 Pesos, was gemäß dem informellen Kurs nur noch rund 3,50 € sind. Für Kubaner mit Zugang zu Devisen ist die staatliche Gastronomie daher attraktiver denn je, weshalb sich vor manchen Lokalen, in denen früher gähnende Leere herrschte, Schlangen bilden. Hotelbars und Restaurants, deren Preise für die meisten Kubaner immer unerschwinglich waren, erfreuen sich dieser Tage unter Einheimischen größter Beliebtheit.

„Shooting the messenger“

In einem Rückfall in alte Muster attackierte die Parteizeitung „Granma“ am 26. Januar die „Überbringer der Botschaft“ und warf aus dem Ausland finanzierten Portalen wie „El Toque“, welche seit Monaten über die aktuellen Kurse informieren, Manipulation vor. „El Toque“ reagierte wenig später mit einer Offenlegung der angewandten Methodik: Zur Ermittlung des Kurses würden die Angebote auf Kleinanzeigenportalen und WhatsApp-Gruppen erfasst und der Median gebildet, wobei größere Abweichungen nach oben und unten unberücksicht blieben um die Daten von Spekulation zu bereinigen. Tatsächlich spiegeln die dort gelisteten Kurse ziemlich genau die real gehandelten Werte wieder. Ein echter Manipulationsversuch könnte hingegen die in den sozialen Netzwerken verbreitete Falschmeldung darstellen, dass die Banken wieder Devisen verkaufen würden. Kubas Medien reagierten schnell mit einer entsprechenden Richtigstellung, weshalb die Ente keine großen Auswirkungen entfalten konnte.

Der Entwurf des neuen Strafgesetzbuchs sieht darüber hinaus jetzt bis zu fünf Jahre Gefängnis für den illegalen Handel mit Währungen vor. Die Botschaft die damit gesendet wird ist klar, jedoch gilt es als unwahrscheinlich, dass sich an der faktischen Duldung des Devisenhandels etwas ändern wird. Die extrem unpopulären Verkäufe in Fremdwährung, welche für die meisten Haushalte den Einkauf auf dem Schwarzmarkt unausweichlich macht, dürfte dem als sozialpolitischer Faktor entgegenstehen. Vielmehr lässt sich die Gesetzesnovellierung als Warnung an Währungsspekulanten verstehen, die allein an steigenden Kursen verdienen wollen.

Es liegt auf der Hand, dass der einzig nachhaltige Weg aus der Inflation nicht wie in dem englischen Sprichwort „Shooting the messenger of bad news“ in der Bekämpfung des Botschafters, sondern nur in der Beseitigung ihrer Ursachen selbst liegen kann. Der zweite Teil dieser Serie handelt von den konkreten Vorschlägen, mit denen der Entwicklung entgegengewirkt werden kann…

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3 Gedanken zu “Was tun gegen die Inflation? Ursache und Wirkung (Teil 1/2)

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