25. April 2024

Eine Dosis Hoffnung: Was die Welt von Kubas Impfkampagne lernen kann

Vor etwas mehr zwei Jahren, am 10. Mai 2021, hat in Kuba seine Impfkampagne gegen Covid-19 begonnen – mit eigenen Vakzinen, was nur eine kleine Reihe von Ländern behaupten können, darunter kein anderes in Lateinamerika. Mittlerweile wurde die Pandemie längst von anderen Schlagzeilen abgelöst und das letzte „Corona Update“ auf Cuba heute ist auch schon etwas her. Zeit für einen Rückblick. Wo stehen Kubas Impfstoffe heute, und welche Lehren lassen sich für andere Länder aus der kubanischen Antwort auf die Pandemie ziehen?

Eigene Wege dank eigener Biotechindustrie

Kuba im Frühjahr 2021: Das Land befindet sich (wieder) im Lockdown. Nach vorsichtigen Öffnungsschritten im Winter 2020 gelangt die Delta-Variante auf die Insel und treibt die Inzidenz binnen kürzester Zeit nach oben. Die Bevölkerung hatte zuvor kaum Kontakt mit dem Virus, Maßnahmen wie Maskenpflicht im öffentlichen Raum und Mobilitätseinschränkungen entfalteten gegen die ursprüngliche Variante ihre Wirkung, doch mit Delta begann die „Lockdown-Mauer“ brüchig zu werden. Auch, weil viele Maßnahmen aufgrund der zunehmend angespannteren wirtschaftlichen Situation immer schwerer durchsetzbar waren.

Kubas Hoffnung hatte damals zwei Namen: „Soberana 02“ und „Abdala“, zwei der aussichtsreichsten Impfstoffkandidaten von insgesamt fünf, die sich ab Sommer 2020 in Entwicklung befanden. „Wir haben erkannt, dass wir nicht das Geld haben, um Impfstoffe einzukaufen, also mussten wir unsere eigenen entwickeln. Und das in kürzestmöglicher Zeit“, sagte Rolando Pérez Rodríguez, Leiter des Bereichs Wissenschaft und Innovation des staatlichen Pharmaunternehmens BioCubaFarma. Es heißt, Präsident Díaz-Canel sei in einer Krisensitzung vor die führenden Impfstoffentwickler verschiedener Institute getreten, mit einer einzigen Frage: „Seid ihr euch wirklich sicher, dass ihr in der Lage seid, einen Impfstoff gegen dieses Virus zu entwickeln?“. Als diese bejahten, war die Entscheidung gefällt: Kuba wird aus eigener Kraft Covid-19-Vakzine entwickeln.

Grundlage war das bereits vorhandene Wissen um die Herstellung von proteinbasierten Impfstoffen, einer Technologie aus den 1980er Jahren, in denen Kuba auf Initiative Fidel Castros seine Biotechnologiebranche aufbaute. Basis für die Soberana-Impfstofffamilie war ein Tetanus-Impfstoff, während für Abdala ein Hepatitis B-Vakzin als Vorlage diente.

Knapp 90 Prozent der kubanischen Bevölkerung ist mittlerweile gegen Covid-19 Grundimmunisiert (Quelle: Cubadebate)

Der Abschluss der klinischen Studien (in denen den Abdala eine hohe Effekvitität von 92 Prozent, Soberana von 62 Prozent gegen symptomatische Verläufe bescheinigt wurde) und die im Juni 2021 erteilte Notfallzulassung für Abdala hätten später nicht erfolgen dürfen: Die Delta-Welle brachte das kubanische Gesundheitssystem mittlerweile nicht mehr nur an den Rand des Kollaps, sondern auch darüber hinaus. Die Betten- und Beatmungskapazitäten erreichten im Sommer 2021 ihre Grenzen, teilweise mussten Schulen und Universitäten in Krankenlager umgewandelt werden. Die damals immer wieder verschärften US-Sanktionen taten ihr übrigens: „Seit über einem Jahr stellen diese Sanktionen ein echtes Hindernis für die Beschaffung von mechanischen Beatmungsgeräten, Gesichtsmasken, Diagnosekits, Reagenzien, Impfspritzen und anderen notwendigen Materialien zur Bekämpfung von COVID-19 dar“, beschreibt die NGO Oxfam im Mai 2021. Eine der Forderungen der Proteste vom 11. Juli des selben Jahres lautete, ganz anders als zeitgleich in Teilen Europas, „¡Queremos vacuna!“ – „Wir wollen Impfstoff!“. Die Impfkampagne hatte damals erst 27 Prozent der Bevölkerung erreicht, während sich die Überlastung des Gesundheitssystems täglich weiter zuspitzte.

Im November des selben Jahres überholten die Kubaner Deutschland bei der Impfung, bis zum 1. Januar 2022 lag die Impfquote bei 86 Prozent und legte bis heute auf 89 Prozent leicht zu. Ein Schlüssel, mit dem der Pandemie schnell der Boden entzogen werden konnte, war die frühe und umfassende Impfung von Kindern und Jugendlichen. Hier liegt Kuba weltweit an der Spitze. Diese Maßnahme erlaubte zudem die rasche Öffnung von Schulen und Universitäten.
Auch nach dem offiziellen Ende des Pandemienotstands durch die WHO im Mai geht das Reporting in Kuba weiter. Nachdem die 7-Tage-Inzidenz zuletzt monatelang im Promillebereich lag, stieg sie zuletzt leicht auf Werte um die drei an. Mittlerweile läuft die zweite Boosterkampagne für Risikogruppen, die Covid-bedingte Übersterblichkeit dürfte gegen Null gehen.

„Vermachteter Markt“

War Kubas Impfkampagne also ein voller Erfolg? Nicht ganz. Die fehlende WHO-Zulassung machte den Kubanern bei ihren Plänen einen Strich durch die Rechnung, der Welt einen günstigen Corona-Impfstoff zur Verfügung zu Stellen der sich finanziell zumindest selbst trägt. Die Zulassung für Abdala, auch nach Übermittlung der Daten an die WHO, steht weiterhin aus. Ein Problem sind die extrem hohen Hürden und bürokratischen Anforderungen, die sich nicht nur auf die Impstoffe als solche beschränken, sondern bis hin zur Zertifizierung der Brandschutzsysteme im Labor reichen. Andere Hersteller wie der chinesische „Sinopharm“ haben ihre Anträge wieder zurückgezogen. Kuba-Experte Bert Hoffmann spricht im Tagesschau-Interview von einem „vermachteten Markt“ und Kriterien die nach „Erste-Welt-Standard gestrickt“ seien, mit denen sich Pharmakonzerne kleinere Konkurrenz vom Hals halten würden.

Mittlerweile hat auch in Kuba das Thema WHO-Zertifizierung keine Priorität mehr. Nach der Publikation der Ergebnisse der klinischen Studien im renommierten Fachjournal „The Lancet“ und der Zulassung durch die mexikanischen, argentinischen und brasilianischen Behörden, steht Kuba zumindest der Verkauf in Lateinamerika offen. Die panamerikanische Gesundheitsorganisation lobte Kubas Anstrebungen und mit der Zertifizierung durch die renommierte mexkanische Medikamentenaufsicht „Cofepris“ gab es de facto grünes Licht für den Einsatz auf dem Kontinent. Auch Länder wie Vietnam, Syrien und Iran waren und sind an den kubanischen Impfstoffen interessiert, während afrikanischen Ländern die Anschaffung im Rahmen der Covax-Initiative aufgrund der fehlenden WHO-Zulassung erschwert wird. Wie die „Washington Post“ in einem jüngsten Artikel unter dem Titel „Lasst Kuba bei der nächsten Pandemie die Welt impfen“ schreibt, hat die Entwicklung der kubanischen Corona-Impfstoffe insgesamt nur 50 Millionen US-Dollar gekostet, ein Bruchteil dessen, was Biontech und Moderna an Geldern benötigten. Eine Dosis Abdala kostet nur sechs US-Dollar, weniger als ein Drittel der Summe, die für eine Spritze Biontech verlangt wird. Zudem müssen Kubas Impfstoffe nur moderat gekühlt werden, was vor allem in Entwicklungsländern ein Vorteil ist.

Noch immer stellt der Erwerb von Corona-Impfstoffen für Länder in Asien und Afrika eine finanzielle Herausforderung dar, und auch der Balkan wurde von Seiten der EU in dieser Frage lange Zeit allein gelassen. Kuba hat der Welt bewiesen, dass wirksame Impfstoffe nicht teuer sein müssen. Die Insel war von Anfang an bereit, diese kostengünstig mit der Welt zu teilen, was viele Menschenleben hätte retten können. Auch die wirtschaftliche Bürde der Impfkampagne wäre mit günstigen Vakzinen insbesondere für ärmere Länder deutlich schmaler ausgefallen. Mit Blick auf künftige Pandemien wäre die Welt gut beraten, sich dem Apell der Washington Post anzuschließen: Lasst Kuba die Welt impfen, oder gebt ihnen zumindest die Chance dazu.

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7 Gedanken zu “Eine Dosis Hoffnung: Was die Welt von Kubas Impfkampagne lernen kann

  1. @Maßnahmen wie Maskenpflicht im öffentlichen Raum und Mobilitätseinschränkungen entfalteten gegen die ursprüngliche Variante ihre Wirkung,
    Ist das Satire?
    Selbst die angeblichen Experten und größten Maßnahmen Fanatiker in Deutschland haben zugegeben das die Maßnahme nichts bringt.
    Außer das die Menschen durch die Maske voller Bakterien nicht richtig atmen können
    Warum man Kinder ab zwei Jahre impft obwohl die Impfung das Virus nicht verhindert und es trotzdem weiter gegeben werden kann wird das Geheimnis von Cuba bleiben.
    das noch als Erfolgsgeschichte zu verkaufen ist…ich spare mir die Worte.

    1. Das sieht die Wissenschaft anders. Auch wenn der Schutz vor Übertragung mit der Zeit nachlässt, ist die Erhöhung der Antikörperwerte in breiten Teilen der Bevölkerung ein klarer immunologischer Vorteil. Und zum Nutzen von Masken und weiteren Maßnahmen gibt es auch Daten.

  2. Welche Wissenschaft?
    So gut wie jedes Land hatte eine andere Wissenschaft.bezug auf Maßnahmen und Imfungen.
    gibt es auch Daten aus Cuba zum tragen einer Maske allein am Auto oder allein am Strand.
    Diese Maßnahme waren in Cuba Pflicht

    1. Sicher schützt eine Maske allein im Auto oder allein am Strand zu tragen nicht vor Infektionen. Das hat man aber, analog zu anderen Ländern der hispanischen Welt, so entschieden um eine klare und einheitliche Regel zu setzen die leicht überprüfbar ist. Ob das der sinnvollste Weg war, darüber kann man streiten. Dafür gab es in Kuba keine je nach Bundesland verschiedenen 2G/3G Regeln mit Testpflicht, was ebenfalls umstritten war und hierzulande für viel Unmut gesorgt hat. Fakt ist: niemand hat sich damals einen Zacken aus der Krone gebrochen, eine Maske zu tragen während ein tödliches Virus grassiert. Es war eben Teil des Instrumentariums, das dem Land zur Verfügung stand.

  3. immer noch müsen Kinder in den Schulen und im Kindergarten bei extremer Hitze diese Masken tragen .
    ist das die Wissenschaft in Cuba?
    in den Diskos herrscht ist es voll und die Menschen küssen sich gegenseitig ab da interessiert es keinen.

    1. Die Maskenpflicht in Schulen, Kitas und im öffentlichen Raum wurde im Mai ’22 abgeschafft. Mir ist nicht bekannt, dass Bildungseinrichtungen daran festhalten, das scheint mir eher ein Einzelfall zu sein.

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